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Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik

 



P W J

Ein Band mit Arbeiten des Filmkritikers & Publizisten Peter W. Jansen

Von Wolfram Schütte

 

Es gab eine Zeit, da war Peter W. Jansen der bekannteste Filmjournalist der BRD. Das war, als der Leiter der Abteilung »Kulturelles Wort« beim Südwestfunk (ab 1966) von 1977 bis 1988  als souverän-vertrauenswürdigerer Kolumnist vierzehntägig im ZDF-Kulturmagazin  »aspekte« seine pointierte »Kino-Notizen« präsentierte. Der Bär von »Mann im blauen Wollpullover« war bekannter (& beliebter!) als die wechselnden Moderatoren oder Moderatorinnen der damals zusammen mit der ARD-Sendung  »Titel, Thesen, Temperamente« noch relevanten Kultursendungen im 1. & 2. Programm des BRD-Fernsehens. Zuvor, zugleich & nach der Zeit seine Fernsehprominenz aber war er in unterschiedlichen Printmedien (wie z.B. FAZ & DIE ZEIT oder »tip«), aber auch im SWF als aktueller Filmkritiker tätig.

Jansens sichtbare Präsenz »im Fernsehen«, der natürlich vielfach unsichtbarer Zeitaufwand für die Film-Auswahl & Montage seiner »Kino-Notizen« voraus gingen, war jedoch neben seiner Leitenden Hörfunktätigkeit im SWF nur eine der drei großformatigen ständigen Arbeitsfelder, auf denen der bewundernswerte Stilist Peter W. Jansen brillierte. Die sinnliche Beschwörungskraft Joseph Roths, dem seine Dissertation sich gewidmet hatte, war ihm so offensichtlich wie verschwiegen Vorbild – was die »Lesbarkeit« auch heute noch seiner Kritiken bedingt.  

Ich hatte das große Vergnügen seiner ebenso loyalen wie hilfsbereit-kollegialen Freundschaft bei der Organisation, Redaktion & dem Umbruch der 45 Bände der »Reihe Film«, die wir mit vielfacher Hilfe der »Deutschen Kinemathek« zwischen 1974 & 1992 herausgaben. Übrigens zu fachlich-sachlichen Voraussetzungen ebenso wie zu finanziellen Konditionen für alle Mitarbeiter, wie sie weder davor noch danach je wieder in der deutschen & internationalen Filmpublizistik üblich waren oder wurden. Darauf waren wir besonders stolz.

Es ist mir wichtig, eben diese materialen wie materiellen Voraussetzungen der »Reihe Film« in diesem Augenblick zu erwähnen, in dem Peter W. Jansens Filmpublizistik gedacht wird, weil wir beide nur unter solchen fundamentalen Voraussetzungen das langwierige Projekt begonnen & ausgeführt haben. Es gehörte zum Selbstverständnis unserer Generation, intellektuell »auf Augenhöhe« mit allen anderen traditionellen Kultursparten sowohl zu verkehren als auch ebenso öffentlich angesehen zu werden.

Das war umso selbstverständlicher, als die Sechziger bis Neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts (nicht nur) in der Bundesrepublik die Jahrzehnte markierten, in denen der Film (& das Kino!) gewissermaßen weltweit die kulturelle »Leitwährung« der Epoche war. Nur so ist wahrscheinlich im Nachhinein die zentrale Rolle & Bedeutung zu verstehen, die Peter W. Jansen in allen drei Medien spielt & spielen konnte.

Selbstverständlich natürlich nur aufgrund der überragenden Qualität seiner filmkritischen & filmkundlichen Arbeiten; dank einer schier unglaublichen Kreativität, geistigen Beweglichkeit & arbeitsökonomischen Disziplin. So hat Jansen, nicht immer zur Freude seiner murrenden Kollegen, im Laufe der Jahrzehnte eine kleine handschriftliche Bibliothek angelegt,  indem er während der Filmbesichtigungen, im Kino oder auf Festivals mit seinem speziellen Leuchtstift protokollierte, was ihm bei der »Lektüre« des Films auf der Leinwand auffiel oder notierenswert schien. Diese mehrbändigen Konzentrate waren die präziseste Gedächtnisstütze des Filmkritikers, der sich im Schreibakt das Gesehene anverwandelt hatte.

PWJ, wie er seine Arbeiten in der maßgeblichen Zeitschrift «Filmkritik« (& andernorts) unterzeichnete, war ein Mensch, der gerne arbeitete, weil er die geistige, emotionale, moralische Herausforderung liebte, welche jegliche Kritik ihrem Gegenstand schuldet, wenn sie mehr sein will als bloße Meinungsäußerung, die eben keine Kritik ist. Dieses intellektuelle Ethos & seinen emotionalen Enthusiasmus merkt man den hier versammelten Arbeiten noch heute an.

Die Herausgeber haben ihrer Sammlung eine späte Rede Jansens von 2006 vorangestellt. In ihr spricht er nicht nur vom Glück seines Berufs als Filmkritiker, sondern plädiert entschieden für eine andere deutsche Filmförderung als jene, zu der sie sich im Laufe der letzten Jahrzehnte zurückgebildet hat. So äußert er den Wunsch nach allein verantwortlichen »Kuratoren«, die ohne Kompromisse radikal den Film als Kunst voranbringen könnten. »Setze mich in Erstaunen!« war Peter W. Jansens Grundforderung an jeden Film, der seine Wertschätzung finden wollte.

Die hier versammelten Kritiken , Essays & Kommentare  sind zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedlichen Orten erschienen. Jansens Arbeiten (Essays & Filmografien) aus der »Reihe Film«  sind leider nicht enthalten. Sie hätten womöglich auch den Umfang des Buches gesprengt.

Offenbar meinten die beiden Herausgeber, der potenziellen heutigen Leserschaft eine Hilfreichung zur Lektüre des von ihnen ausgewählten filmkritischen Lebenswerks PWJs zu geben, indem sie es unter von ihnen mit mehr oder weniger Glück gewählten Oberbegriffen subsumierten. Dann hätten sie allerdings diese begrifflichen Kasernierungen (wie auch ihre Auswahl) begründen & erläutern müssen. Wolfgang Jacobsen hat Peter W. Jansen jedoch ein sehr schönes Memorial gewidmet, dem selbst ich als Peters langjähriger Freund manches Unbekannte ablesen konnte.      

Artikel online seit 28.08.18
 

Peter W. Jansen
Publizist und Filmkritiker

Mit Kritiken von Peter W. Jansen,  
Essays von Anna Bitter und Wolfgang Jacobsen, edition text + kritik, Richard Boorberg Verlag, München 2018
441 Seiten, brosch.,
34,- €

 


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