Die wahre Beziehung der Geschlechter ist es, wenn der Mann bekennt: Ich
habe keinen anderen Gedanken als dich und darum immer neue!
Nichts ist unergründlicher als die Oberflächlichkeit des Weibes.
Der »Verführer«, der sich rühmt, Frauen in die Geheimnisse der Liebe
einzuweihen: der Fremde, der auf dem Bahnsteig ankommt und sich erbötig
macht, dem Fremdenführer die Schönheiten der Stadt zu zeigen.
Sie sagte sich: Mit ihm schlafen, ja – aber nur keine Intimität!
Man muß das Temperament einer Schönen so halten, daß sich Laune nie als
Falte festlegen kann. Das sind Geheimnisse der seelischen Kosmetik,
deren Anwendung die Eifersucht verbietet.
Daß Titania auch einen Esel herzen kann, wollen die Oberone nie
verstehen, weil sie dank einer geringeren Geschlechtlichkeit nicht
imstande wären, eine Eselin zu herzen. Dafür werden sie in der Liebe
selbst zu Eseln.
Sie behandeln eine Frau wie einen Labetrunk. Daß die Frauen Durst haben,
wollen sie nicht gelten lassen.
Das kurze Gedächtnis der Männer erklärt sich aus ihrer weiten Entfernung
vom Geschlecht, welches in der Persönlichkeit verschwindet. Das kurze
Gedächtnis der Frauen erklärt sich aus ihrer Nähe zum Geschlecht, in
welchem die Persönlichkeit verschwindet.
Ich stehe immer unter dem starken Eindruck dessen, was ich von einer
Frau denke.
Wenn ich eine Frau so auslegen kann, wie ich will, ist es das Verdienst
der Frau.
Einförnige Schönheit versagt gerade in dem Augenblick, auf den es
hauptsächlich ankommt.
Zur Vollkommenheit fehlte ihr nur ein Mangel.
Eine Frau, die nicht häßlich sein kann, ist nicht schön.
Es gibt Frauen, die nicht schön sind, sondern nur so aussehen.
Ihre Züge führten einen unregelmäßigen Lebenswandel.
Es kommt nicht nur auf das Äußere einer Frau an. Auch die Dessous sind
wichtig.
Die Weiber haben wenigstens Toiletten. Aber womit decken die Männer ihre
Leere?
Mit Frauen muß man, wenn sie lange fort waren, Feste des
Nichtwiedererkennens feiern.
Als normal gilt, die Virginität im allgemeinen zu heiligen und im
besonderen nach ihrer Zerstörung zu lechzen.
Daß eine Frau bei naher Betrachtung verliert, ist ein Vorzug, den sie
mit jedem Kunstwerk gemein hat, an dem man nicht gerade Farbenlehre
studieren will. Nur Frauen und Maler dürfen sich untereinander
mikroskopisch prüfen und ihre Technik abschätzen. Wen die Nähe
enttäuscht, der hat es nicht besser verdient. Solche Enttäuschungen
lösen ihm erst die Rosenketten des Eros. Der Kenner aber versteht es,
sie erst daraus zu flechten. Ihn enttäuscht nur die Frau, die in der
Entfernung verliert.
Seiner ersten Geliebten trägt man keine Enttäuschung nach, wenn man sie
in der Turnstunde kennengelernt hat und es eine Kletterstange war.
In der Nacht sind alle Kühe schwarz, auch die blonden.
Von einem Bekannten hörte ich, daß er durch Vorlesen einer meiner
Arbeiten eine Frau gewonnen hat. Das rechne ich zu meinen schönsten
Erfolgen. Denn wie leicht hätte ich selbst in diese fatale Situation
geraten können.
Die anständigen Frauen empfinden es als die größte Dreistigkeit, wenn
man ihnen unter das Bewußtsein greift.
Mancher rächt an einer Frau durch Gemeinheit, was er durch Torheit an
ihr gesündigt hat.
Was ich weiß, macht mich nicht heiß.
Ich kann mich so bald nicht von dem Eindruck befreien, den ich auf eine
Frau gemacht habe.
Die Gründer der Normen haben das Verhältnis der Geschlechter verkehrt:
Sie haben das Geschlecht des Weibes in die Konvention geschnürt und das
männliche entfesselt. So ist die Anmut vertrocknet und der Geist. Es
gibt noch Sinnlichkeit in der Welt; aber sie ist nicht mehr die
triumphierende Entfaltung einer Wesenheit, sondern die erbärmliche
Entartung einer Funktion.
Als die Zugänglichkeit des Weibes noch eine Tugend war, wuchs dem
männlichen Geist die Kraft. Heute verzehrt er sich vor der Scheidemauer
einer verbotenen Welt. Geist und Lust paaren sich wie ehedem. Aber das
Weib hat den Geist an sich genommen, um dem Draufgänger Lust zu machen.
Sittlichkeit ist das, was ohne unzüchtig zu sein mein Schamgefühl
gröblich verletzt.
Ein Bettler wurde verurteilt, weil er auf einer Bank gesessen und
»traurig dreingeschaut« hatte. In dieser Weltordnung machen sich die
Männer verdächtig, die traurig, und die Weiber, die lustig dreinschauen.
Immerhin zieht sie die Bettler den Freudenmädchen vor. Denn die
Freudenmädchen sind unehrliche Krüppel, die aus dem Körperfehler der
Schönheit Gewinn ziehen.
Erotik ist die Überwindung von Hindernissen. Das verlockendste und
populärste Hindernis ist die Moral.
Wie schön, wenn ein Mädchen seine gute Erziehung vergißt!
So will es die Gesellschaftsordnung: Wenn irgendwo ein Mord geschehen
ist, wo zwei Leute auch zu einem Geschlechtsakt zusammengetroffen sind,
so werden sie lieber den Verdacht des Mordes ertragen, als den des
Geschlechtsverkehrs.
Die Sitte verlangt, daß ein Lustmörder den Mord zugebe, aber nicht die
Lust.
Der Skandal fängt an, wenn die Polizei ihm ein Ende macht.
Sie richten, damit sie nicht gerichtet werden.
»Frauenrechte« sind Männerpflichten.
Der Übermensch ist ein verfrühtes Ideal, das den Menschen voraussetzt.
Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Denn: Jeder ist sich selbst der
Nächste.
Kein Zweifel, der Hund ist treu. Aber sollen wir uns deshalb ein
Beispiel an ihm nehmen? Er ist doch dem Menschen treu und nicht dem
Hund.
Unter Dankbarkeit versteht man gemeinhin die Bereitwilligkeit,
lebenslänglich Salbe aufzuschmieren, weil man einmal Läuse gehabt hat.
Nichts ist engherziger als Chauvinismus oder Rassenhaß. Mir sind alle
Menschen gleich, überall gibt’s Schafsköpfe und für alle habe ich die
gleiche Verachtung. Nur keine kleinlichen Vorurteile!
Am Chauvinismus ist nicht so sehr die Abneigung gegen die fremden
Nationen als die Liebe zur eigenen unsympathisch.
Der Mensch denkt, aber der Nebenmensch lenkt. Er denkt nicht einmal
soviel, daß er sich denken könnte, daß ein anderer denken könnte.
Das Familienleben ist ein Eingriff in das Privatleben.
Ich schlafe nie nachmittags. Außer, wenn ich vormittags in einem
österreichischen Amt zu tun hatte.
Friseurgespräche sind der unwiderlegliche Beweis dafür, daß die Köpfe
der Haare wegen da sind.
Auch ein anständiger Mensch kann, vorausgesetzt, daß es nie herauskommt,
sich heutzutage einen geachteten Namen schaffen.
Ein ganzer Kerl ist einer, der die Lumpereien nie begehen wird, die man
ihm zutraut. Ein halber, dem man die Lumpereien nie zugetraut hat, die
er begeht.
Die Einsamkeit wäre ein idealer Zustand, wenn man sich die Menschen
aussuchen könnte, die man meidet.
Die Welt ist ein Gefängnis, in dem Einzelhaft vorzuziehen ist.
Das Gesindel besichtigt »Sehenswürdigkeiten«. Noch immer wird also bloß
gefragt, ob das Grab Napoleons würdig sei, von Herrn Schulze gesehen zu
werden, und noch immer nicht, ob Herr Schulze des Sehens würdig ist.
Die maschinelle Entwicklung kommt nur der Persönlichkeit zunutze, die
über die Hindernisse des äußeren Lebens schneller zu sich selbst
gelangt. Aber ihrer Hypertrophie sind die Gehirne des Durchschnitts
nicht gewachsen. Von der Verwüstung, die die Druckerpresse anrichtet,
kann man sich heute noch gar keine Vorstellung machen. Das Luftschiff
wird erfunden und die Phantasie kriecht wie eine Postkutsche. Automobil,
Telephon und die Riesenauflagen des Stumpfsinns – wer kann sagen, wie
die Gehirne der zweitnächsten Generation beschaffen sein werden? Die
Abziehung von der Naturquelle, die die Maschine bewirkt, die Verdrängung
des Lebens durch das Lesen und die Absorbierung aller Kunstmöglichkeit
durch den Tatsachengeist werden verblüffend rasch ihr Werk vollendet
haben. Nur in diesem Sinne möchte das heranbrechen einer Eiszeit
verstanden sein. Man lasse inzwischen alle soziale Politik gewähren, an
ihren kleinen Aufgaben sich bestätigen; lasse sie mit Volksbildung und
sonstigen Surrogaten und Opiaten wirtschaften. Zeitvertreib bis zur
Auflösung. Die Dinge haben eine Entwicklung genommen, für die in
historisch feststellbaren Epochen kein Beispiel ist. Wer das nicht in
jedem Nerv spürt, mag getrost die gemütliche Einteilung in Altertum,
Mittelalter und Neuzeit fortsetzen. Mit einem Mal wird man gewahren, daß
es nicht weiter geht. Denn die neueste Zeit hat mit der Herstellung
neuer Maschinen zum Betrieb einer alten Ethik begonnen. In den letzten
dreißig Jahren ist mehr geschehen, als vorher in dreihundert. Und eines
Tages wird sich die Menschheit für die großen Werke, die sie zu ihrer
Erleichterung geschaffen hat, aufgeopfert haben.
Was die Lues übriggelassen hat, wird von der Presse verwüstet werden.
Bei den Gehirnerweichungen der Zukunft wird sich die Ursache nicht mehr
mit Sicherheit feststellen lassen.
Die Demokratie teilt die Menschen in Arbeiter und Faulenzer. Für solche,
die keine Zeit zur Arbeit haben, ist sie nicht eingerichtet.
Das Geheimnis des Agitators ist, sich so dumm zu machen, wie seine
Zuhörer sind, damit sie glauben, sie seien so gescheit wie er.
Die Mission der Presse ist, Geist zu verbreiten und zugleich die
Aufnahmefähigkeit zu zerstören.
Die Vorsehung einer gottlosen Zeit ist die Presse, und sie hat sogar den
Glauben an eine Allwissenheit und Allgegenwart zur Überzeugung erhoben.
Die Zeitungen haben zum Leben annähernd dasselbe Verhältnis, wie die
Kartenaufschlägerinnen zur Metaphysik.
Mit einem Blick ein Weltbild erfassen, ist Kunst. Wie viel doch in ein
Auge hineingeht.
Persönlichkeiten sind übel dran. Die Menge sieht nur die Fläche, auf der
sich die Widersprüche zeichnen. Aber diese sprechen für eine Tiefe, in
der ihr Treffpunkt liegt.
Gegen den Fluch des Gestaltenmüssens ist kein Kraut gewachsen.
Ein Dichter, der liest: ein Anblick, wie ein Koch, der ißt.
Kunstwerke sind überflüssig. Es ist zwar notwendig, sie zu schaffen,
aber nicht, sie zu zeigen. Wer die Kunst in sich hat, braucht den
fremden Anlaß nicht. Wer sie nicht hat, sieht nur den Anlaß. Dem einen
drängt sich der Künstler auf, dem anderen prostituiert er sich. In jedem
Fall sollte er sich schämen.
Die Kunst dient dazu, uns die Augen auszuwischen.
Nicht alles, was totgeschwiegen wird, lebt.
Es gibt keine Erzeuger mehr, es gibt nur mehr Vertreter.
Wer das Lob der Menge gern entbehrt, wird sich die Gelegenheit, sein
eigener Anhänger zu werden, nicht versagen.
Ich traue der Druckmaschine nicht, wenn ich ihr mein geschriebenes Wort
überliefere. Wie kann ein Dramatiker sich auf den Mund eines
Schauspielers verlassen?
Das geschriebene Wort sei die naturnotwendige Verkörperung eines
Gedankens und nicht die gesellschaftsfähige Hülle einer Meinung.
Wer Meinungen von sich gibt, darf sich auf Widersprüchen nicht ertappen
lassen. Wer Gedanken hat, denkt auch zwischen den Widersprüchen.
Ansichten pflanzen sich durch Teilung, Gedanken durch Knospung fort.
Man muß alle Schriftsteller zweimal lesen, die guten und die schlechten.
Die einen wird man erkennen, die anderen entlarven.
Werdegang des Schreibenden: Im Anfang ist man’s ungewohnt und es geht
darum wie geschmiert. Aber dann wird’s schwerer und immer schwerer, und
wenn man erst in die Übung kommt, dann wird man mit manch einem Satz
nicht fertig.
Es gibt Schriftsteller, die schon in zwanzig Seiten ausdrücken können,
wozu ich manchmal sogar zwei Zeilen brauche.
Einen Aphorismus kann man in keine Schreibmaschine diktieren. Es würde
zu lange dauern.
Ein Agitator ergreift das Wort. Der Künstler wird vom Wort ergriffen.
Daß sie das Feuilleton lebensfähig halten, ist das höchste Kompliment,
das man den Literaten von heute machen kann. Wie aber klingt es, wenn
man ihnen sagt, daß sie das Leben feuilletonfähig gestalten?
Der wahrhaft und in jedem Augenblick produktive Geist wird zur Lektüre
nicht leicht anstellig sein. Er verhält sich zum Leser wie die
Lokomotive zum Vergnügungsreisenden. Auch fragt man den Baum nicht, wie
ihm die Landschaft gefällt.
Ein Aphorismus braucht nicht wahr zu sein, aber er soll die Wahrheit
überflügeln. Er muß mit einem Satz über sie hinauskommen.
Einen Roman zu schreiben, mag ein reines Vergnügen sein. Nicht ohne
Schwierigkeiten ist es bereits, einen Roman zu erleben. Aber einen Roman
zu lesen, davor hüte ich mich, so gut es irgend geht.
Ich kenne eine Sorte sentimentaler Schriftsteller, die platt ist und
stinkt. Wanzen aus Heines Matratzengruft.
Warum schreibt mancher? Weil er nicht genug Charakter hat, nicht zu
schreiben.
Die Prostitution des Lebens teilt mit dem Journalismus die Fähigkeit,
nicht empfinden zu müssen, hat aber vor ihm die Fähigkeit voraus,
empfinden zu können.
Im Anfang war das Rezensionsexemplar, und einer bekam es vom Verleger
zugeschickt. Dann schrieb er eine Rezension. Dann schrieb er ein Buch,
welches der Verleger annahm und als Rezensionsexemplar weitergab. Der
nächste, der es bekam, tat desgleichen. So ist die moderne Literatur
entstanden.
Ein Feuilleton schreiben heißt auf einer Glatze Locken drehen.
Publizistische Themen: Nicht auf die Größe der Zielscheibe, auf die
Distanz kommt es an.
Ich bin jederzeit bereit, zu veröffentlichen, was ich einem Freund unter
dem Siegel tiefster Verschwiegenheit mitgeteilt habe. Aber er darf es
nicht weitersagen.
Man muß jedesmal so schreiben, als ob man zum ersten und zum letzten
Male schriebe. So viel sagen, als ob’s ein Abschied wär, und so gut, als
bestände man ein Debüt.
Eine neue Erkenntnis muß so gesagt sein, daß man glaubt, die Spatzen auf
dem Dach hätten nur durch einen Zufall versäumt, sie zu pfeifen.
Ich setze meine Feder an den österreichischen Leichnam, weil ich immer
noch glaube, daß er Leben atmet.
Nach Ägypten wär’s nicht so weit, aber bis man zum Südbahnhof kommt.
Hierzulande gibt es unpünktliche Eisenbahnen, die sich nicht daran
gewöhnen können, ihre Verspätungen einzuhalten.
Jeder Wiener ist eine Sehenswürdigkeit, jeder Berliner ein
Verkehrsmittel.
In Berlin geht man auf Papiermaché, in Wien beißt man auf Granit.
In Berlin wächst kein Gras. In Wien verdorrt es.
In zweifelhaften Fällen entscheide man sich für das Richtige.
Was ist das Kraftbewußtsein eines Nero, was ist der Vernichtungsdrang
eines Tschingiskhan, was ist die Machtvollkommenheit des Jüngsten
Gerichts gegen das Hochgefühl eines Konzipisten der
konskriptionsämtlichen Abteilung des magistratischen Bezirksamtes, der
einen wegen Nichtbefolgung einer Vorladung zur Anmeldung behufs
Veranlagung zur Bemessung der Militärtaxe zu einer Geldstrafe von zwei
Kronen verurteilt!
Besser, es wird einem nichts gestohlen. Dann hat man weniger Scherereien
mit der Polizei.
Wo sie hintrat, wuchs kein Gras mehr, außer jenes, in das sie die Männer
beißen ließ.
Bevor man das Leben über sich ergehen läßt, sollte man sich
narkotisieren lassen.
Die Zeitung ist die Konserve der Zeit.
Die Deutschen – das Volk der Richter und Henker.
Herr, vergib ihnen, denn sie wissen, was sie tun!
Man glaubt gar nicht, wie schwer es oft ist, eine Tat in einen Gedanken
umzusetzen.
Ich habe um mancher guten Entschuldigung willen gesündigt; darum wird
mir verziehen werden.
Ich habe, Gott sei Dank, oft übers Ziel und selten neben das Ziel
geschossen.
Meine Leser glauben, daß ich für den Tag schreibe, weil ich aus dem Tag
schreibe. So muß ich warten, bis meine Sachen veraltet sind. Dann werden
sie möglicherweise Aktualität erlangen.
Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was
ich sage, und ich sage nicht, was sie hören will.
Die Leute verstehen nicht deutsch; und auf journalistisch kann ich’s
ihnen nicht sagen.
Man könnte größenwahnsinnig werden: so wenig wird man anerkannt.
Wenn einer in meiner Charakterluft nicht atmen kann und mich deshalb
verraten muß, so sagt die Öffentlichkeit: Aha! Denn meine
Unzuverlässigkeit ist berühmt seit dem Tage, da ich aus unsauberer Luft
geflohen bin.
Ich schnitze mir den Gegner nach meinem Pfeil zurecht.
Die wahre Treue gibt eher einen Freund preis als einen Feind.
Ich war selten verliebt, immer verhaßt.
Halte deine Leidenschaften in Zaum, aber hüte dich, deiner Vernunft die
Zügel schießen zu lassen.
Erfahrungen sind Ersparnisse, die ein Geizhals beiseite legt. Weisheit
ist eine Erbschaft, mit der ein Verschwender nicht fertig wird.
Eine Notlüge ist immer verzeihlich. Wer aber ohne Zwang die Wahrheit
sagt, verdient keine Nachsicht.
Die Persönlichkeit hat ein Recht zu irren. Der Philister kann irrtümlich
recht haben.
Der Klügere gibt nach, aber nur einer von jenen, die durch Schaden klug
geworden sind.
Das ist noch immer nicht die richtige Einsamkeit, in der man mit sich
beschäftigt ist.
Man verachte die Leute, die keine Zeit haben. Man beklage die Menschen,
die keine Arbeit haben. Aber die Männer, die keine Zeit zur Arbeit
haben, die beneide man!
Was einen foltert, sind verlorene Möglich-keiten. Einer Unmöglichkeit
sicher sein ist Gewinn.
Ich weiß ganz genau, welche ungebetenen Gedanken ich nicht über die
Schwelle meines Bewußtseins lasse.
Es ist ein Unglück, daß in der Welt mehr Dummheit ist, als die
Schlechtigkeit braucht, und mehr Schlechtigkeit, als die Dummheit
bewirkt.
Der Nationalismus, das ist die Liebe, die mich mit den Dummköpfen meines
Landes verbindet, mit den Beleidigern meiner Sitten, und mit den
Schändern meiner Sprache.
Der Philosoph denkt aus der Ewigkeit in den Tag, der Dichter aus dem Tag
in die Ewigkeit.
In einem geordneten geistigen Haushalt sollte ein paarmal im Jahr ein
gründliches Reinemachen an der Schwelle des Bewußtseins stattfinden.
Was könnte noch reizvoller sein als die Spannung, wie der Ort aussehen
wird, den ich mir so oft vorgestellt habe? Die Spannung: wie ich meine
Vorstellung wiederherstelle, nachdem ich ihn gesehen habe.
Wer zu den Dingen in seinem Zimmer eine persönliche Beziehung gewonnen
hat, rückt sie nicht gern von der Stelle. Ehe ich ein Buch aus meiner
Bibliothek leihe, kaufe ich lieber ein neues. Sogar mir selbst, dem ich
auch nicht gern ein Buch aus meiner Bibliothek leihe. Ungelesen an Ort
und Stelle, gibt es mir mehr als ein gelesenes, das nicht da ist.
Tag des Grauens, dazuliegen, wenn die Pferdehufe der Dummheit über einen
hinweggegangen sind, und weit und breit keine Hilfe!
Solange es innere Deckung gibt, können einem die Verluste des äußeren
Lebens nichts anhaben.
Zu allen Dingen lasse man sich Zeit; nur nicht zu den ewigen.
Man muß oft erst nachdenken, worüber man sich freut; aber man weiß
immer, worüber man traurig ist.
Man lebt nicht einmal einmal.
Weibeslust liegt neben der männlichen wie ein Epos neben einem Epigramm.
Den hier ausgwählten Aphorismen liegt die Ausgabe: Karl Kraus, Schriften; Erste Abteilung,
Band 8, Aphorismen, herausgegeben von Christian Wagenknecht zugrunde.
|
Karl
Kraus
Die letzten Tage der Menschheit
Tragödie in
fünf Akten mit Vorspiel und Epilog
Reihe Österreichs Eigensinn - 800 Seiten, gebunden
€ 28,– / sFr 38,20, WG 1111
Im Abonnement: € 25,90
Sfr 35,60
978-3-99027-006-6
»Wer ihn gehört
habe, der wolle nie mehr ins Theater gehen, das Theater sei
langweilig verglichen mit ihm, er allein sei ein ganzes Theater,
aber besser, und dieses Weltwunder, dieses Ungeheuer, dieses Genie
trug den höchst gewöhnlichen Namen Karl Kraus.« Elias Canetti
Die Fackel
online als gratis Volltext
Die 922 Nummern und rund 22.500 Seiten der vom
österreichischen Schriftsteller Karl Kraus 1899 gegründeten Zeitschrift
"Die Fackel" sind ab sofort dank eines Projekts des Austrian Academy
Corpus der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) online
abrufbar.
Um Zugang zu erhalten, ist auf
aac.ac.at/fackel eine
Gratis-Registrierung nötig, auch eine Volltext-Suche ist möglich.
Getestet, und es funktioniert. |