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Glanz&Elend Magazin für Literatur und Zeitkritik

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176 Seiten, die es in sich haben:
»Diese mühselige Arbeit an den Zügen des Menschlichen«
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Mit Texten von Hannah Ahrendt,
Wassili Grossman, Nicolàs Gomez Davila, Gert Neumann, Dieter Leisegang, Fernando Pessoa, u.a.

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»Die Schönheit und die Hölle«

Über die facettenreiche Textsammlung
von Roberto Saviano

Von Stefan Möller

Die Veröffentlichung des dokumentarischen Romans »Gomorrha« verändert das Leben des Autors Roberto Saviano radikal. Fortan unter ständigem Polizeischutz stehend, umgeben von Leibwächtern und im ständigen Wechsel der Wohnungen, häufig in einer Kaserne der Carabineri oder in Hotels übernachtend. Zur erzwungenen Isolation durch die Bedrohung durch die Camorra gesellt sich eine Isolation durch Teile der Gesellschaft. Ich hätte gern mehr Platz gehabt, mehr Licht, wenigstens einen Balkon, eine Terasse […] Aber niemand vermietet mir etwas.
Und gleichzeitig trifft er immer wieder auf Menschen, die ihm ein Zimmer, Freundschaft und Wärme anbieten.

In dieser Extremsituation, so beginnt das Vorwort, gab ihm das Schreiben die Möglichkeit […] zu existieren. Die dauerhafte Bedrohung hat Roberto Saviano nicht verstummen lassen und so trägt der erste Text die Überschrift »Brief an mein Land«. Es ist eine Klageschrift wider der Ignoranz und der Gleichgültigkeit vieler seiner Landsleute. Er benennt Mörder – ein Killerkommando, das über Monate hinweg nahezu ungestört morden konnte, obwohl die Täter namentlich bekannt waren - und stellt seinem Land Fragen. Fragen über das Bild, dass es von sich selbst hat; die Frage Was bleibt uns?

Der Band versammelt 26 Texte unterschiedlicher Ausrichtung. Reportagen, Reden, Rezensionen und Nachrufe sind darunter, geschrieben zwischen 2004 und 2009. Einige entstanden vor »Gomorrha«, der größere Teil nach dem Erscheinen des Romans. Gegliedert sind die Texte in fünf Kapitel, mit den Überschriften Süden, Menschen, Business, Krieg und Norden. Die Texte handeln von organisierter Wirtschaftskriminalität, vom gigantischen Geschäft mit illegaler Müllbeseitigung, vom Wandel des Drogenhandels, Das große Thema Savianos ist die Mafia in ihren unterschiedlichen Ausformungen und ihrer mannigfaltigen Verstrickung in das öffentliche, in das politische Leben Italiens.

Die Beiträge handeln aber auch von Uwe Johnson, Miriam Makeba und Michel Petrucciani, Lionel Messi; eine Wirkungsanalyse von Michael Herrs »Dispatches« oder das Portrait zweier italienischer Boxer zeugen vom vielfältigen journalistischen Schaffen des Autors.

In seinem Vorwort zur italienischen Ausgabe von Anna Politkowskajas Tschetschenien-Buch legt Saviano dar, wie viel gefährlicher als der Journalismus die Literatur für die Mächtigen ist. Die Kraft des Wortes vermag es, dem Leser unter die Haut zu gehen und persönliche Betroffenheit zu erregen. Er erwähnt Philip Roth, der erklärte, nach Primo Levis »Ist das ein Mensch? könne niemand mehr sagen, er sei nicht in Auschwitz gewesen […] sondern dass jetzt jeder wisse, wie es ist, vor einer Gaskammer in der Reihe zu stehen. Literatur wirkt unmittelbar und gewaltiger, als es der tägliche Nachrichtenstrom vermag. Immer wieder taucht in den Texten auch der Name Warlam Schalamow auf, des russischen Autors, der das Erlebte im Gulag geradezu lakonisch in seinen »Erzählungen aus Kolyma« (auf deutsch erschienen bei Matthes & Seitz) in eine literarische Form brachte, die den menschlichen Abgrund auslotet und gerade durch die Zurückgenommenheit zutiefst an den Überzeugungen des Lesers kratzt. Politkowskajas Buch über Tschetschenien (»Tschetschenien. Die Wahrheit über den Krieg«, Fischer Tb) machte das Geschehen über die Grenzen der reinen Nachricht hinaus deutlich und das literarische Wort setzte es in den Köpfen fest, die Geschichten sind die eigenen Geschichten des Lesers.

Saviano wird nicht müde, den Finger in die Wunden der Gesellschaft zu legen. Dabei weiß er um das Privileg, dass er den zahlreichen Namenlosen, die ähnlich wie er unter ständiger Bewachung, mit falscher Identität vor der realen Bedrohung durch die Mafia geschützt werden müssen. Er hat durch sein Schreiben eine Stimme, ihn hört man. So wie Anna Politkowskaja wusste, dass nur die Leser und die öffentliche Aufmerksamkeit ihre Worte schützten, so sucht der Autor unermüdlich die Öffentlichkeit, sei es in schriftlicher Form oder in öffentlicher Diskussion.

In diesem Spannungsfeld zwischen Bedrohung durch Gewalt und öffentlicher Aufmerksamkeit erwächst noch etwas. Der einsame Rufer, der Mahner, der Ankläger stößt vielfach auf wenig Gegenliebe. Saviano wurde immer wieder der Nestbeschmutzung beschuldigt, ihm wurde vorgeworfen, von reiner Geltungssucht oder Geldgier getrieben zu sein. Die Vorwürfe kamen aus sämtlichen Schichten der Gesellschaft, von Berlusconi bis zum ‚kleinen Mann von der Straße«. Und auch dagegen muss Saviano ankämpfen, gegen den Verlust seiner Glaubwürdigkeit, gleichzeitig ein Kampf gegen die Angst, nicht mehr das zu sein, was ich sein wollte, wenn ich mich zu sehr exponieren und zu prominent werden würde. Dass er dabei aber doch nicht völlig alleingelassen wird, verdeutlicht ein Blick in die Danksagung am Ende des Buches, die vier eng bedruckte Seiten füllt.

»Die Schönheit und die Hölle« ergänzt und vertieft »Gomorrha« und ist zugleich facettenreiches Schaffensportrait eines Autors, der mitten in der Europäischen Union mutig sein muss und mutig ist.

 

Roberto Saviano
Die Schönheit und die Hölle
Texte 2004-2009
(la bellezza e l'inferno) Aus dem Italienischen von Friederike Hausmann und Rita Seuß
Suhrkamp
301 Seiten
19,90 €
ISBN: 978-3-518-42202-1

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