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+++ Jeder Verlag heut für ’ne Mark +++ Der Ausverkauf der ostdeutschen Buchhäuser
Der
Berliner Verleger Christoph Links hat sich in seiner Dissertation grundlegend
mit dem Privatisierungsprozeß der ostdeutschen Verlage nach der Wende
auseinandergesetzt. Die ernüchternden Ergebnisse seiner Analyse: »Das Schicksal
der DDR-Verlage«
Als die Mauer 1989 fiel,
gab es genügend Anlass zu Freude und Hoffnung. Der wirtschaftliche Bankrott der
ehemaligen DDR war zwar offensichtlich, wurde jedoch zunächst von der Aussicht
auf Reisefreiheit und gefüllte Supermarktregale verdrängt. Die Prozesse, die in
den mauerspechtenden Augenblicken vom 9. November 1989 gipfelten, nahmen ihren
Anfang in den Leipziger Montagsdemonstrationen. Leipzig war mit seinen
zahlreichen Buchhäusern und Literaturzirkeln eine Art geistiges Zentrum der
ostdeutschen Intellektuellen. Dass ausgerechnet am Ursprungsort der ostdeutschen
Aufstände die unmittelbaren Folgen der Wiedervereinigung für den Buchmarkt am
deutlichsten spürbar werden würden, hatte im Sommer 1989 kaum jemand erwartet.
Doch vom Ausverkauf der DDR-Verlage war die Messe- und Bücherstadt Leipzig wie
keine andere betroffen. Die einstige Nummer eins der deutschen Verlagsstädte
liegt heute abgeschlagen auf Rang 14 im deutschen Städteranking nach Anzahl der
ansässigen Verlage.
So einiges ist schief
gegangen während der wirtschaftlichen Transformation des DDR-Systems in das
bundesrepublikanische Wirtschaftsgefüge, nicht allein in der Buchbranche. Dabei
darf nicht vergessen werden, dass die DDR-Unternehmen keinerlei Erfahrungen mit
den Bedingungen in einer offenen Konkurrenzwirtschaft hatten. Die Verlage ebenso
wenig, wie jedes andere Unternehmen.
Außerdem sahen die
Verträge keine eindeutige Regelung für den Umgang mit den Verlagen vor, die sich
nach dem Zweiten Weltkrieg teilweise oder ganz in der Bundesrepublik
niederließen. Aufgrund des Verbleibs der Immobilien und der für die sowjetische
Zone geltenden Lizenzen in der DDR gab es in diesen Fällen nach der
Wiedervereinigung ein etabliertes Stammhaus im Westteil des Landes und einen
ursprünglichen Standort in den neuen Bundesländern. Zwar galt für die davon
betroffenen Westverlage das Rückgabeprinzip, die Klärung der Besitzverhältnisse
erwies sich jedoch aufgrund der vielfältigen Übertragungen und Treuhandschaften
als sehr viel komplizierter. Links Buch ist nach seiner jahrelangen Sisyphusarbeit der Recherche die erste kompakte Überblicksdarstellung der DDR-Verlage und ihrer Privatisierung, in der sich auch wertvolle Informationen über den Verbleib der Rechte und Archive der ostdeutschen Verlage finden. Die Leistung des Autors besteht darin, ein Gesamtbild des Privatisierungsprozesses zu zeichnen und damit eine grundsätzliche Beurteilung der wirtschaftlichen Wiedervereinigung im Verlagswesen überhaupt erst möglich zu machen. Dafür untersucht er jeden der 1989 existierenden Verlage (insgesamt 78) gesondert nach Entstehungs- und Verlegergeschichte sowie der Wirtschaftlichkeit und der Anzahl der Mitarbeiter und Buchtitel zum Stand 1988. Anschließend betrachtet er die Privatisierungs- und Liquidierungsvorgänge der einzelnen Verlagshäuser nach 1990 und die Betriebsergebnisse aus dem Jahr 2007. In den Einzelfallstudien werden sodann zwei wesentliche Ursachen für den Wegfall der ostdeutschen Verlage deutlich: Die massiven Fehler und Versäumnisse der Treuhandanstalt im Verlagssektor und die skrupellose Mitnahmementalität bundesdeutscher Verlage und Investoren.
Die Treuhandanstalt
übernahm unter Birgit Breuel die Verwaltung aller staatlichen und
verstaatlichten Buchhäuser sowie der Zentral- und Parteiverlage bis zu deren
Privatisierung. Dabei setzte sie auf eine schnelle Veräußerung der Betriebe, die
Sanierung der Verlage sollten dann die neuen Eigentümer übernehmen. Um diese
Sanierung sicherzustellen hätte die Treuhandanstalt jedoch eine genaue Prüfung
der interessierten Käufer durchführen müssen. Viele Westverlage traten lediglich als Käufer auf, um einen Konkurrenten billig zu übernehmen und dann bald zu schließen. Christoph Links macht in seiner Darstellung deutlich, dass die Privatisierung der DDR-Verlage einem Wühltischverkauf geglichen haben muss. Zahlreiche Buchhäuser wurden für Spottpreise aufgekauft, nur um Lizenzen und Rechte, Immobilien und Druckerei-Equipment zu übernehmen und die Verlage im Osten dann umgehend zu schließen. Diese Prozesse nannte man dann natürliche Marktbereinigung. Insbesondere die ostdeutschen Wissenschaftsverlage waren davon betroffen. In Einzelfällen warteten die Stammverlage im Westen auch den Sturz des östlichen Ursprungshauses in den Konkurs ab, um dann die handlungsunfähige Firma frei von Verpflichtungen zu übernehmen – so geschehen im Fall des F. A. Brockhaus Verlags in Leipzig. Nach der Lektüre von Links Buch kann man zweifelsfrei sagen, dass die fehlende Sachkenntnis der Treuhand zu fatalen Entscheidungen bei der Privatisierung der ostdeutschen Verlagslandschaft geführt hat. Während objektiv positive Verhandlungen von Amts wegen abgebrochen wurden, verhinderten die Treuhänder gleichzeitig nicht die raubtierkapitalistischen Übernahmen in der Branche. Eigens dafür eingerichtete Schutzmechanismen, wie die Bedingungsklausel, konnten aufgrund der fehlenden Überwachung ihrer Einhaltung nicht greifen. Ob eine andere Treuhandpolitik zu einer besseren Privatisierungsbilanz für die ostdeutsche Buch- und Verlagslandschaft geführt hätte, bleibt ungeklärt. Doch der katastrophale Misserfolg der DDR-Verlagsprivatisierung lässt jede ausgelassene Möglichkeit und jedes Versäumnis einer alternativen Privatisierung als ungenutzte Chance für ein besseres Ergebnis erscheinen. »Das Schicksal der DDR-Verlage« ist ein ernüchterndes Dokument des Prozesses der wirtschaftlichen Wiedervereinigung der zwei deutschen Staaten, deren Folgen heute noch spürbar sind. Lediglich 2,2% aller deutschen Bücher werden noch in den neuen Bundesländern (ohne Berlin) produziert. Mit der Friedrich Hofmeister Musikverlag GmbH kehrte nur einer der von den sowjetischen Behörden in die Bundesrepublik vergraulten Verlage nach der Wende an den einstigen Stammsitz zurück.
Abschließend bleibt
festzuhalten, dass die Privatisierung der DDR-Verlage weniger dem Versuch
entsprach, der Verlagslandschaft im Osten wieder auf die Beine der
Eigenverantwortung zu helfen, sondern vielmehr einem Ausverkauf durch die
zukünftigen Konkurrenten diente. So wundert es nicht, dass kaum noch etwas von
der alten Verlegertradition in Leipzig und Berlin geblieben ist. Die jüngsten
Branchenmeldungen aus Leipzig, wo mit Brockhaus der größte der noch verbliebenen
Ost-Verlage seine Dependenz Ende 2008 geschlossen hat, und aus Berlin, wo die
Aufteilung des renommierten Aufbau-Verlags und der Verkauf einzelner Sparten
weiter vorangeht, lassen vermuten, dass das Ausbluten der Branche im Osten in
seinen finalen Zügen steckt. Alles was im Osten geblieben ist, trägt die
Merkmale einer »Filialwirtschaft«, in der die Anzahl der produzierenden
Einheiten unaufhörlich sinkt, während die Zahl der vertreibenden Einheiten immer
weiter steigt. Und mit dem Verlust der Buchproduktion geht auch ein Verfall der
Wertschätzung des geschriebenen Wortes einher. Mit dem Verschwinden der
ostdeutschen Verlage ging eines der größten ostdeutschen Industrie- und
Kulturgüter unwiederbringlich verloren. |
Christoph Links
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