Glanz & Elend Magazin für Literatur und Zeitkritik


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Die menschliche Komödie
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Zum 5-jährigen Bestehen ist
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in limitierter Auflage von 1.000 Exemplaren
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Glanz&Elend - Die Zeitschrift
Zum 5-jährigen Bestehen ist ein großformatiger Broschurband in limitierter Auflage von 1.000 Exemplaren mit 176 Seiten, die es in sich haben:

Die menschliche Komödie als work in progress

»Diese mühselige Arbeit an den Zügen des Menschlichen«
Zu diesem Thema haben wir Texte von Honoré de Balzac, Hannah Arendt, Fernando Pessoa, Nicolás Gómez Dávila, Stephane Mallarmé, Gert Neumann, Wassili Grossman, Dieter Leisegang, Peter Brook, Uve Schmidt, Erich Mühsam u.a., gesammelt und mit den besten Essays und Artikeln unserer Internet-Ausgabe ergänzt. Inhalt als PDF-Datei
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Ein Halbblut von einem Flickwerk

David Yates verfilmt den sechsten Harry Potter

Von Peter V. Brinkemper

Juli 2009: David Yates’ Verfilmung des sechsten Serien-Megaseller-Romans der britischen Autorin Joanne K. Rowling: »Harry Potter und der Halbblutprinz« startet in Deutschland mit 1250 Kopien. Der Kino-Start wurde über ein halbes Jahr verschoben. Er steht bereits im Zeichen des anstehenden und in die Länge gedehnten Kino-Finales. Seit 2001 hat die Filmproduktion die Zauberwelt um das Internat Hogwarts möglichst kontinuierlich umgesetzt, - vor allem durch sture und kreative Teamarbeit, konstant brave und gute jugendliche Hauptakteure, Daniel Radcliffe, Emma Watson, Rupert Grint und Tom Felton, sowie entsprechend wohlbesetzte Erwachsenen- und Lehrerparts, durch Regiewechsel mit deutlichen stilistischen Differenzen. Das setzt den sechsten Film und die baldige Doppelverfilmung zum Endkampf im siebten Band stark unter Druck.

Der Buch-Film-Kommerz-Krieg
Das Anfangsprojekt stemmte in opulent-mustergültigen Bilderbögen gleich in zwei Folgen der US-Regisseur Chris Columbus (2001 und 2002), der auch als Produzent von Folge 3 fungierte,  lebendiger im Schauspiel der jungen Akteure umgesetzt durch den mexikanischen Regisseur Alfonso Cuarón (2004). Aber seit Cuarón war für die »hauptberuflichen« Kino-Regisseure wohl kaum mehr Bereitschaft vorhanden, eine derart engmaschige Buchumsetzung und Bindung an ein Großteam fester Hauptdarsteller und Mitarbeiter mehr als einmal zu schultern. Teil 4 übernahm der Brite Mike Newell, der sich bereits gegen ein Splitting in zwei Unterfolgen wehrte (2005). Seit Teil 5 (2007) ist der gewaltige »Rest« an David Yates hängen geblieben. Neben Teil 6 ist er auch für das Finale, die Umsetzung des siebten und definitiv letzten Potter-Buches verantwortlich. Die bisherigen Regisseure wandten sich anderen, darunter auch lukrativen Projekten zu (z. T. als Produzenten; die Kinderbuch-Umsetzung »Nachts im Museum« ist ja in gewisser Weise ein simplifiziertes „Harry Potter« für verspaßte Jugendliche und Erwachsene). Der Brite Yates hat neben Kinofilmen vor allem TV-Serien gedreht. Dabei sticht der Einwand »nur TV« nicht, wenn es sich um eine renommierte Medien-Polit-Krimi-Folge wie »State of Play« (2003) handelt, die soeben mit Russel Crowe als Kinoversion auf Washington übertragen unter der Regie von Kevin Mcdonald läuft.

Erst 1999 schaukelt sich der »Harry Potter«-Hype im globalen Maßstab richtig hoch. Seit 1997 erscheinen zunächst in englischer Sprache bei Bloomsbury in London mit extra geschlechtsneutralem Kürzel »J. K.« Rowling die Romane bis zu ihrem lange ersehnten Finale 2007. Warner Bros. Angebot zur Verfilmung und der zwischen Warner und der Autorin 2000 geschlossene Vertrag, unter Wahrung der Verlags- und Mitspracherechte für Rowling – all dies hat zu Gestaltungs- und Vermarktungskonflikten bezüglich der »Harry Potter«-Welt mit den jeweiligen Strategien der nationalen Verlage im Buchsektor geführt. »Harry Potter«, eine Lesewelt, die süchtig machen kann, oder nur noch ein oberflächlicher Medienzirkus? So genau will es keiner wissen. Weiter angeheizt wurde aller Orten das aggressive Geschäft, das aus den kleinen und großen Buchläden in die Medienkaufhäuser und Supermärkte herausdriftete, während die Aschenputtel-Erfolgsstory der jetzt superreichen Autorin eine kritische Diskussion ausbremste. Im Gewande medialer Globalisierung entsteht die Fusion einer audiovisuell veräußerlichten Jugend- und Erwachsenenliteratur im Mainstream-Konsum - wobei die weltweite Infantilisierung von komplexeren literarischen Inhalten und Formen auf durchaus fortgeschrittenem Unterhaltungsniveau einmal mehr zur unhinterfragten Konstante des Showbusiness wird. Der detailreiche Bastelcharakter der »Harry Potter«-Welt führte zugleich zu einem Netzuniversum unter den treuen Fans, die sich gelegentlich gegen Konzern-Eingriffe des auf ihrem Rücken emporgestiegenen »Harry Potter«-Medien-Imperiums zu schützen hatten.

Die unter Warner betriebene Filmproduktion setzte um die Mitte von Rowlings Buchschaffen, nach Band 4, ein. Es galt Tempo zu halten, um die Geschichte von sieben Lebens- und Schuljahren an der Zauberschule Hogwarts einigermaßen synchron mit den jugendlichen Hauptdarstellern hinzubekommen. Daniel Radcliffe, Jg. 1989, war elf Jahre alt beim Dreh des ersten Films. Auch bei den weiteren Romanen ergaben sich Produktionsverzögerungen, gleichgültig, ob bedingt durch Rowlings wieder angekurbeltes Privatleben, rein literarisch oder medial. Statt pro Jahr einen Roman fertigzustellen, wie bei Band 1 bis 4, vergrößerte sich der Abstand zur nächsten Neuerscheinung auf drei (Band 5) und zwei (Band 6 und 7) Jahre. Insgesamt ergab sich so eine heiße siebenjährige (!) Phase von Entwurf plus Umsetzung, Geheimnis und Auflösung, vorauseilender Buch- und aufschließender Filmproduktion. Nach der aktuell beendeten Buchserie ebben die Bewerbungseffekte ab, wurden Filmproduktion und –distribution weiter verzögert, angeblich durch die vielzitierten Autorenstreiks. Der längst fertige »Harry Potter«-Teil 6 wurde aus der Super-Gewinnzone von Christopher Nolans zweiter und neuartiger »Batman«-Verfilmung »The Dark Knight« 2008 herausbugsiert und auf den Sommerplatz 2009 unter großem Protest der Fans verschoben. Für die Verfilmung von Buch 7 sind im »Matrix«- und »Herr der Ringe«-Stil gleich zwei Kino-Folgen unter Leitung von Yates vorgesehen, deren cineastische Auswertung wiederum auf die Jahre 2010 und 2011 verteilt wird, wenn der Eindruck des Bucherfolgs weiter abebbt.

Halbblutprinz – Erklärungen und Schachzüge
»Harry Potter und der Halbblutprinz« ist von anderem Kaliber als der Nachfolgeschlager des Carlsen-Verlages, die pubertäre US-Vampir-Romanzen-Serie »Twilight« von Stephenie Meyer. Pubertät ist bei »Harry Potter« ein Faktor, wird aber im Umfeld von Schule und Wirklichkeitsbedrohung versachlicht. Innen- und Außenwelt arbeiten sich aneinander ab. Der Roman bündelt und vertieft die bisherigen Figurenentwicklungen und Handlungsstränge der Vorgängerbände. Die Autorin lässt aus Harrys Sicht nach einer Erklärung dafür suchen, warum es dem Oberbösen Schwarzmagier Lord Voldemort immer wieder gelingt, aus dem Todesstadium aufzuerstehen und in die Welt der Zauberer, ins Ministerium für Zauberei und in die Zauberschule Hogwarts einzudringen und selbst den normalen Muggeln, so im Zentrum von London, Tod und Verderben zuzufügen. Ein letztes Mal in voller Lebensgröße tritt auf: Albus Percival Wulfric Brian Dumbledore (intensiv: Michael Gambon), der betagte Schulleiter und Oberste Gutmensch Magier von Hogwarts. Er hält die Fäden der Geschichte mit seiner durch Vorlosts Gaunts Ring verletzten Hand zusammen und sondiert auch im Hintergrund – solange die Lebenskräfte reichen.
Harry Potter, in der Schule und während der Ferien in London auf Freiersfüßen, wie seine liebesemsigen Freunde, begleitet Dumbledore diesmal höchstpersönlich und ohne genauer nachzufragen, wohin er auch will. Er ist mit von der Partie, wenn Dumbledore Horace Slughorn (prägnant: Jim Broadbent) als alten und neuen Lehrer nach Hogwarts holt. Denn der extravagante, joviale und nach wie vor ehrgeizige Slughorn willigt nur in die neuerliche Ausübung des Lehramts ein, wenn die Konditionen stimmen und Schüler vom Rufe eines Harry Potter sein Ansehen vermehren. Dieser hat seine Rolle als neurotisch aufgeladener, nur nach innen gewendeter Primus abgestreift und gilt mittlerweile für alle, seine Freunde und Feinde, als der Auserwählte im Kampf gegen das immer weiter andringende Böse. Entsprechend ist Daniel Radcliffe, nach seinem
»Equus«-Nackt-Auftritt 2007 am Broadway mental und körperlich gestählt. Albus Dumbledore sorgt dafür, dass die Maßnahmen gegen die fortlaufenden Angriffe von Lord Voldemorts Anhängern, den Death Eaters, so diskret wie möglich ablaufen. Er schlägt sogar Harrys Verdacht in den Wind, Severus Snape und Draco Malfoy könnten im Auftrag des Bösen konspirieren. Draco sei in seiner jetzigen Verfassung ein Stümper und Snape bei allem dunklen Gemunkel ein loyaler Verbündeter mit dem nötigen Einblick in die Gegenseite.
Horace Slughorn übernimmt von Severus Snape das Fach Zaubertränke, während dieser endlich Professor für die Verteidigung gegen die Dunklen Künste wird. Entscheidend für Dumbledore ist, dass Horace Slughorn einst auch Tom Riddle, den jungen Voldemort, und Lily Evans, die spätere Mutter von Harry, im Fach Zaubertränke in Hogwarts unterrichtete. Harry wird das
»Buch des Halbblutprinzen«, ein Zauberlehrbuch zugespielt. Die abgedruckten Texte und Sprüche sind mit handschriftlichen Kommentaren und Anmerkungen versehen. Für Harry erweisen sie sich als nützlich, nicht nur bei seinen Leistungen im Unterricht. Slughorn erinnert sich, wie geschickt sich Lily beim Trankmixen anstellte. Sie versuchte James Potter davon abzubringen, den jungen Serverus Snape, der in Lily verliebt und mit ihr befreundet war, zu ärgern und zu erniedrigen. Dabei war der spätere Vater von Harry keineswegs Vorbild, sondern ein jugendlicher Rüpel, der auch vor feigen Gruppenangriffen gegenüber Snape nicht zurückscheute. Und hierin ist ein Motiv zu finden, warum Snape zum Bösen tendierte und irgendwann mit Lily brach.
Dumbledore sammelt viele Erinnerungen und Gedanken als flüssige Essenz in Phiolen, aus denen er von Zeit zu Zeit ein Quantum in ein sogenanntes Denkarium einfüllt. In diesem spiritistischen Goldfischglas kann Vergangenes die Gegenwart und Zukunft neu beleuchten, wenn die auserwählten Betrachter nur tief genug darin eintauchen. Doch oft brechen die Andeutungen und Visionen im entscheidenden Moment ab, knapp vor dem Geistesblitz ungeahnter Erkenntnisse.

Spuren einer aufgespaltenen Seele
Von Dumbledores eigenen Erinnerungen zeigt eine den 11 Jahre alten Tom Riddle, bösartig verschlossen im Waisenhaus, als den frühen Mörder seines Vaters und dessen Familie. Denn der Muggel-Vater verließ die Hexe Merope Gaunt nach seiner Entzauberung und vor der Geburt Toms. Seine Mutter starb früh und verarmt. Riddle wird von Hero Fiennes-Tiffin eindrucksvoll gespielt. Der jüngere Dumbledore will ihn nach Hogwarts mitnehmen. Er weckt sein Interesse an der Ausbildung zum Magier und glaubt so, ihn zur Menschlichkeit verführen zu können. Riddle wird einer der besten Magier, seine Neigung zum Bösen vermag er nicht abzulegen. Tom setzt mit aller nur erdenklichen Gewalt und Tücke auf den unverblümten Willen zur Macht.
Durch eine von Horace Slughorn stammende, zunächst verfälschte Erinnerung finden Harry und Dumbledore heraus, dass Tom den Zaubertrankprofessor befragte, wie man unsterblich werden könne. Slughorn gibt Tom in Andeutungen zu verstehen, wie einer dieser Wege aussehen könne. Es geht um die Aufspaltung der eigenen Seele durch wiederholte Untaten, vor allem Morde, und um die Verlagerung der Seelenteile in sogenannte Horkruxe, rein materielle Gegenstände, ohne Beteiligung von menschlicher Liebe und Gegenliebe. Dumbledore und Harry diskutieren diese gespenstischen Instrumente, die als Verstecke, Kammern und Verließe für die vervielfachten Bruchstücke des entgeisterten Selbst dienen. Auf animistische Weise wird der Tod der gesamten Person aufgeschoben und damit eine niedere und bedauernswerte Form der fragmentierten Unsterblichkeit ermöglicht, in der die Boshaftigkeit und Einsamkeit des Selbst eine Form der höllischen Verschiebung und Zerstückelung erreicht.
Harry soll die weiteren Horkruxe und Verstecke der Voldemortschen Seelenfetzen auffinden und unschädlich machen, so wie dies bereits mit dem halblebendigen Tagebuch von Tom Riddle geschah, das Ginny Weasley während der Abenteuer rund um die Kammer des Schreckens untergeschoben wurde. Dumbledore stößt in seinen anstrengenden Reisen mit Harry Potter immer weiter vor, bis in eine entlegene kristalline Meereshöhle. In ihrer Mitte steht ein Becken, in dem ein Medaillon Merope Gaunts, also ein weiteres Seelen-Bruchstück aus dem Leben Voldemorts zu liegen scheint. Währenddessen bleibt das Böse aber nicht untätig.

Schutz des Bösen und des Guten
Draco Malfoy (in verzweifeltem Aufruhr und Zwiespalt dargestellt Tom Felton) will die Schmach seines Vaters Lucius, in Askaban inhaftiert, tilgen und im Auftrag Voldemorts Professor Dumbledore ermorden, um das Chaos über die Zauberwelt zu bringen. So einfach wird es dem jungen Schwarzmagier nicht gemacht. Seine Mutter Narzissa Malfoy (Helen McCrory) ist von Anfang an voller Sorge, ob Voldemorts Vorhaben nicht eher auf den tödlichen Opfergang ihres Sohnes hinausläuft – ein Gedanke, bei dem ihre furienhafte und todesbereite Schwester Bellatrix Lestrange wild und boshaft applaudiert (Helena Bonham Carter, nach ihrer funkelnden Dauerhexerei von »Sweeney Todd« über »Terminator Salvation« und »Harry Potter« bald als filmbiographische Kinderbuchautorin Enid Blyton). Der herbeigerufene Freund, Lehrer und Mentor, Severus Snape, leistet in alter Verbundenheit den »Unbrechbaren Schwur“, um Draco beim geplanten Anschlag auf den alten, hinfälligen Dumbledore »zu beschützen«.
Im Finale von Film und Buch erfolgt der Angriff der Todesser auf Dumbledore auf der Spitze des Astronomieturms von Hogwarts - direkt nach der Rückkunft von der kräfteraubenden Horkrux-Meeres-Reise. Dabei erweist sich Draco (trotz heftiger Auseinandersetzungen mit Harry im Vorfeld und den umfangreichen geheimen Vorbereitungen, um die dunklen Krieger durch Geheimkabinette und den Raum der Wünsche einzuschleusen) merkwürdig gebremst durch die Autorität und Integrität Dumbledores. Severus Snape (wieder ein schauspielerisches Ereignis: Alan Rickman) übernimmt dann die Aktion und tötet Dumbledore wie in einer medizinischen Operation, er streckt ihn völlig sauber und intakt nieder, mit einem Avada-Kedavra-Fluch. Laut Buch trifft ein grüner Lichtstrahl Dumbledore an der Brust,
»wie eine große Stoffpuppe« schwebt er am Himmel unter dem Mal des Bösen und fällt rücklings über die Zinnen des Turmes. Und an seinem Fuße liegt er da, friedlich und in Schönheit zerschmettert. Der Film erspart uns dies. Die letzte böse Tat von Severus Snape, oder eine verabredete Aktion zwischen dem Doppelagenten und einem todkranken alten Mann, um gleich zwei junge Seelen, Harrys und Dracos, aus den Klauen des Oberbösen Prinzip Lord Voldemorts und seiner durchgeknallten Paladine und Zombies zu retten?

David Yates’ Regie zwischen Vertiefung und Flickwerk
David Yates Regie stellt den »Mord« nicht als eine blutige und heftige Aktion sondern als ein dem Alltagszwist enthobenes Ritual der Opferung dar, das Rowlings Tiefeninterpretation durchscheinen lässt. Der Film weist immerhin 153 Minuten Länge auf. Er bemüht sich um ein langsames szenisches Tempo und zeigt die überzeugende Präsenz herangereifter Jungdarsteller und gewiefter Altschauspieler. Trotz alledem nimmt der Film oft den Charakter eines Flickwerks an: Ideen, Szenen und Motive flirren am Zuschauer vorbei, sinnvoll da, wo es ein Rätsel sein soll, aber es fehlen wichtige Zwischenschritte der Reflexion und Erklärung - für die Vorgeschichten und für den aktuellen Grabenkrieg. Das Quidditchspiel wurde eindrucksvoll aufgerüstet. Die amüsanten Liebesverwicklungen zwischen Harry, Ron, Hermine und den vielen anderen geraten streckenweise zum ratlos-albernen Clip. Insofern haben die Kenner des Buches beim Verstehen der anspruchsvolleren Zusammenhänge einen Rezeptions-Vorsprung vor denjenigen, die den Film einfach so anschauen. Oberflächeneindrücke herrschen vor. Jeder Rummel hat ein Ende. Auch »Harry Potter«. Aber Dumbledores eindringlicher Darsteller Michael Gambon hat keine Probleme mit einem weiteren Auftritt im Teil 7. Er ist jetzt zu einer wahren Ikone geworden, und auch das zahlt sich aus: Im nächsten Film spiele er einen Geist, oder eines der beweglichen Gemälde in der Ahnengalerie der Schulleiter. Sein Opfertod, »sacrifice«, bleibe allerdings in Kraft. Er sei ziemlich froh, dass er auch als bloße Erscheinung eines Verblichenen ein reales Honorar erhalte. Richard Harris, der Darsteller von Dumbledore in den ersten beiden Folgen, verstarb und hatte danach weniger Glück. Gambon stirbt, lebt und arbeitet weiter, nach eigener Aussage, ohne je einen »Harry Potter«-Roman gelesen zu haben. Muss er das? Oder leben bestimmte Generationen doch in verschiedenen Welten?

 

Harry Potter und der Halbblutprinz
 
Harry Potter und der Halbblutprinz
Originaltitel:
Harry Potter and the Half-Blood Prince
Produktionsland:
USA, Großbritannien
Produktionsjahr: 2008
Länge: 153 (Min.)
Verleih: Warner Bros.
Kinostart: 16.07.2009

CAST & CREW
Regie:
David Yates
Drehbuch:
Steve Kloves, J.K. Rowling
Kamera:

Bruno Delbonnel
Schnitt:
Mark Day
Musik:
Nicholas Hooper
Hauptdarsteller:
Helena Bonham-Carter, Alan Rickman, Daniel Radcliffe, Rupert Grint, Emma Watson


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