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Glanz&Elend Magazin für Literatur und Zeitkritik

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Glanz&Elend - Die Zeitschrift
176 Seiten, die es in sich haben:
»Diese mühselige Arbeit an den Zügen des Menschlichen«
Der
großformatige Broschurband in limitierter Auflage von 1.000 Exemplaren.
Mit Texten von Hannah Ahrendt, Wassili Grossman, Nicolàs Gomez Davila, Gert Neumann, Dieter Leisegang, Fernando Pessoa, u.a.

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Honoré de Balzac
Balzacs Vorrede zur Menschlichen Komödie
Die Neuausgabe seiner
»schönsten Romane und Erzählungen«, über eine ungewöhnliche Erregung seines Verlegers Daniel Keel und die grandiose Balzac-Biographie von Johannes Willms.
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Seitwert


Der Ungeliebte

Die Erinnerungen von Fritz J. Raddatz stiften lustvolle Unruhe im sinnesfeindlichen deutschen Feuilleton


Als Lektor, Redakteur und Schriftsteller hat Fritz J. Raddatz den deutschsprachigen Literaturbetrieb in den letzten 50 Jahren maßgeblich mitgeprägt. Sein Qualitätsbegriff hat die Literaturlandschaft über Jahre entscheident mitgestaltet, ihr wichtige Impulse gegeben, heftige Debatten ausgelöst und Maßstäbe gesetzt. Als im Herbst 2003 seine Erinnerungen mit dem für seine Verhältnisse überraschend biederen Titel »Unruhestifter« erschienen, geriet das deutsche Feuilleton in helle Aufregung.
Die 478 Seiten stifteten in der Tat Unruhe. Der alte Fritz hatte ausgeteilt, und darf  bis heute einsammeln, was seine langjährigen Kritiker, Widersacher und Neider ihm schon immer stecken wollten. Doch daß Raddatz die Monroe mit der Taylor verwechselt, und ob der Kenzaburo jetzt Oe oder »Öe« heißt, (wir wissen, wer gemeint ist, und wozu gibt es ein Lektorat?), diese Marginalien, teilweise mit peinlich piefigem Genuß, aufzuzählen, ja selbst den alten Goethe nochmal auszugraben, nur weil der wegen Raddatz mal um drei Jahre den Zug verpaßt hat, das belegt allenfalls die Buchhaltermentalität und Gründlichkeit der Auftragsschreiber, die sich in ihren Redaktionen profilieren, und, je nach Lagerzugehörigkeit, Flagge zeigen müssen.
Zu diesem Thema empfiehlt sich die Passage (S. 102 ff.), in der Raddatz schildert, wie Rudolf Augstein 1975 (vermutlich aus Eifersucht, denn er hatte vergebens versucht, Raddatz als Redakteur für den SPIEGEL zu gewinnen) ausgerechnet Wolfgang Harich beauftragt hat, die Marx-Biographie von Raddatz zu exekutieren.
Wer von den ambitionierten Karriereakrobaten kann sich heute vorstellen, was es bedeutet haben muß, als Raddatz, damals gerademal knapp über zwanzig, von seinem Chef bei »Volk und Welt«, Walter Czollek, Arthur Koestlers Roman »Sonnenfinsternis« mit einem Zettel zurückerhielt, auf dem stand: »Dieses Buch habe ich nie gelesen.«

Wie sich die Zeiten geändert haben, und wessen Geistes Kinder heute als Lektoren und Verleger Verantwortung für Bücher tragen, läßt sich an zwei kleinen Beispielen illustrieren: Ende der 90iger Jahre traf ich in Berlin auf dem Fest eines angesehenen Verlages einen Sachbuchlektor. Der promovierte Germanist war anfang dreissig und sprach von einem interessanten Projekt über die Geschichte der Sowjetunion, das er betreute. Ich hatte gerade die zweibändige Autobiographie von Arthur Koestler gelesen und schwadronierte über dessen abenteuerliches Leben. Als ich bemerkte, daß er meinen Ausführungen nur zögernd folgte, fragte ich nach, und es stellte sich heraus, daß dieser Lektor noch nie etwas von einem Autor namens Koestler gehört hatte ...
Ernüchternder noch ist ein Interview, daß der Aufbau-Verleger Bernd Lunkewitz am 2. Mai 1998 der Berliner Zeitung gab. Unter dem Titel: »Ich wollte immer im geistigen Brennpunkt der Nation sein«, schwadronierte Lunkewitz über seine Motivation und sein Selbstverständnis als Verleger. Auf die Frage, ob er seine Mitarbeiter am Unternehmen beteilige, antwortete Lunkewitz: »Nein, wir leben doch im Kapitalismus. Um es mit Walter Benjamin zu sagen: "Es gibt kein wahres Leben im falschen." Ich halte das für eine illusorische Vorstellung: innerhalb des Kapitalismus antikapitalistische Produktionsfomen einführen zu wollen. Das ist völlig sinnlos.« 
Ja, im Brennpunkt hat man sich schnell die Zunge verbrannt, aber ob jetzt Benjamin oder Adorno, das spielt für einen Lunkewitz keinen Janka. Kein SPIEGEL, keine ZEIT, keine FAZ hat sich über diesen Gipfel der Borniertheit und Dummdreistigkeit, lustig gemacht, geschweige denn empört. Die Anzeigen des Aufbau Verlages erschienen in allen Blättern.  
Fritz J. Raddatz indes mußte sich nie irgendwo einkaufen, man hat sich immer um ihn gerissen. Er, der sich auch als einen Zerrissenen erlebte (man lese das Kapitel über seine Zeit bei Volk und Welt bis zu seiner Rückübersiedelung in die BRD), stand von frühen Jahren an, ob er wollte oder nicht, im geistigen Mittelpunkt einer Nation, in der Sinnlichkeit und Intellekt bis heute nicht zueinander gefunden haben. Für ihn war und ist das Ästhetische nie Selbstzweck, sondern vor allem im Hinblick auf dessen politische Moral und Wirkung in die Gesellschaft hinein relevant. So reflektieren seine »Spiegelungen« die Beziehungen des Menschen und Arbeitstieres Raddatz zu seinen Lebenspartnern und Brotherren. Sie zeichnen auch einen detailierten Lageplan der Verflechtungen deutscher Intellektueller mit den Repräsentanten medialer und damit auch politischer Macht, die geprägt sind von Neid, Verrat und Mißgunst.
Es ist schlicht auf Mißgunst gegründete geistige Tieffliegerei, Raddatz Charakterschwäche und Eitelkeit vorzuwerfen. Wer würde einem Aufsichtsratmitglied etwa den Ferrari oder seine Sammlung von exquisiten Maßanzügen vorwerfen?
Den Denkenden statt dessen Denken zu attackieren, hat nicht nur in Deutschland Tradition. Bei uns jedoch scheint sich immer noch nicht herumgesprochen zu haben, wie man revoluzzt, und dabei doch Lampen putzt.
Mit seinem »Unruhestifter« sprengt das Wolken trinkende Kuhauge Fritz J. Raddatz wieder einmal den Rahmen dessen, was einem Literaturkritiker in Deutschland, auch heute noch, an sinnlicher Textenergie erlaubt zu sein scheint. Sein Buch hat etwas von Grimmelshausens 'Simplicissimus', wird aus unmittelbarem, überreichem eigenem Erleben gespeist, ist ein abenteuerliches, expressives kulturhistorisches Mosaik der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Das kann ihm keiner nachmachen, denn es gibt leider nur einen
Fritz J. Raddatz, aber der hat in seinem linken kleinen Finger mehr Verve, Esprit und Savoir Vivre als die ganze meckernde, vertrocknete Mischpoke der deutschsprachigen Literaturkritik zusammen. Hoch und lang soll er leben. Herbert Debes
 

Fritz J. Raddatz
Unruhestifter
Erinnerungen
Propyläen
478 S.
€25,00
ISBN 3-549-07198-1


Fritz J. Raddatz
Eine Erziehung in Deutschland

Trilogie
Rowohlt
Neuausgabe
496 S., HC
€ 24,90 /

Raddatz' dreibändiger Zyklus über sein literarisches Alter ego Bernd Walther, gespannt von den dreißiger Jahren bis in die späten Fünfziger, von der Nazi-Diktatur über die des Proletariats bis zur Flucht in den Kapitalismus, ist das Dokument einer wirren Zeit, der Bericht vom Irrgang einer jungen Sehnsucht nach Erfüllung, im Politischen so rücksichtslos wie schamlos im Privaten, geschrieben nach dem Lebensmotiv "Sehnsucht ist stärker als die Angst". Der Protagonist ein Held unserer Zeit, und um ihn herum ein Panorama der Zeitgenossen, allesamt erfasst in der für Raddatz typischen Ästhetik der Blöße und Entblößung. So erzählt Raddatz nicht nur ein ungewöhnliches Leben, sondern macht die politischen und menschlichen Verkrümmungen der Nachkriegszeit sichtbar.
Der Band enthält im einzelnen: Kuhauge (Rowohlt 1984); Der Wolkentrinker (Rowohlt 1987); Die Abtreibung (Rowohlt 1991).

 


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