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Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik

 




Klassiker-Archiv

Arthur Schopenhauer als junger Mann, porträtiert 1815 von L. S. Ruhl













Arthur Schopenhauer 1859,
ein Jahr vor seinem Tod.

Lesen Sie gefälligst Schopenhauer!

Von Herbert Debes


Kommt heute die Rede auf Arthur Schopenhauer, verliert sich das Gespräch schnell im Anekdotischen. Die Parlierer glauben, über die Schrullen des vermeintlich misanthropischen Privatgelehrten bestens Bescheid zu wissen, flachsen über sein Frauenbild oder die Gewohnheit, stets zur selben Tageszeit mit seinem Pudel »Butz« spazieren zu gehen. Die Lektüre seines Lebenswerkes bleibt zwar bis heute Seminaristenpflicht, wurde und wird aber nur selten als freiwilliges Leseabenteuer begriffen, obwohl es ihm an gewichtigen Fürsprechern nicht mangelt. So schrieb Ludwig Marcuse: »Er war ein Aufsässiger – im Vergleich zu ihm war Marx nur auf kleine Reformen aus. Nicht Marx, Schopenhauer ist in einem sehr ernsten Sinne subversiv.«

»Die Welt als Wille und Vorstellung«, sein von Atman, dem wahren Selbst des Menschen, durchtränktes, in vier Bücher gegliedertes, monolithisches Werk, bringt letztlich, so Schopenhauer, nur einen einzigen Gedanken zum Ausdruck, »Die Welt ist die Selbsterkenntnis des Willens«.
Ein vor Selbstbewusstsein bebender granitener Satz. Es lohnt sich heute erst recht, in die Gedankenwelt dieses in seiner Konsequenz solitären und immer unzeitgemäßen Denkers einzutauchen, da ein rechter Wille zur Selbsterkenntnis der Welt im Wabern des medialen Bedeutungsgeschwätzes abhanden gekommen zu sein scheint. Diese kleine Zitatensammlung gibt einen ersten Blick frei, über die Aphorismen und Lebensweisheiten, Zugang zu einem Denker zu finden, dessen ernsthaftes Ringen um eine Erkenntnis vom Wesen des Menschlichen bis heute nichts von seiner Aktualität verloren hat. Ja, man möchte, forsch gegen den herrschenden Zeitgeist gewandt, ausrufen:
»Leute, lest gefälligst Schopenhauer!«

»Eine Liebeserklärung an die Philosophie«
Wer sich jedoch nicht gleich an den Meister selbst wagen will, dem sei zur Heranführung an Leben und Werk des Philosophen Rüdiger Safranskis grandiose Biographie, »Schopenhauer und die wilden Jahre der Philosophie« (1987), ans Herz gelegt, die jetzt inhaltlich identisch neu aufgelegt worden ist. 
»Dieses Buch ist eine Liebeserklärung an die Philosophie«, schreibt Safranski gleich im ersten Satz, und zieht damit den Leser förmlich in das Buch hinein: »Was es einmal gab: Gott und die Welt denken, mit heißem Herzen. Das große Staunen darüber, daß etwas ist und nicht Nichts.« Und so blickt das Buch tatsächlich zurück in eine versunkene Welt, als das Denken noch als Abenteuer galt. So wird der Leser z. B. Zeuge der Belagerung Weimars durch Napoleons Armeen und des couragierten Auftretens von Johanna Schopenhauer, der Mutter Arthurs, deren Salon Dank des regelmäßig sich dort einfindenden Geheimen Rates Goethe schnell zur ersten Adresse der Stadt aufsteigt, was dem Sohnemann nicht so recht gefallen will, da der große Goethe ihn geflissentlich ignoriert ...
Safranskis Biographie ist eine romanhafte zu lesende Bildungs- und Entdeckungsreise zurück in die Zeit der Deutschen Klassik mit großem Unterhaltungswert. Wie sich Schopenhauers Philosophie aus seinen persönlichen Lebenskämpfen heraus entwickelt und, völlig quer zu seiner Zeit, schließlich zu einem unverrückbaren Monolith in der deutschen Geistesgeschichte entwickelt hat, das ist ein Abenteuer für den Kopf. Jede Generation von Lesern und Denkern muß ihren eigenen Zugang zu ihren eigenen Themen finden und sich selbst erlesen. Einfacher geht es allerdings mit einem kompetenten und vertrauenswürdigen Lotsen. Also: »Leute, lest gefälligst Safranski!«
Herbert Debes
 

 



Eine kleine Zitatensammlung zum 225. Geburtstag

Die Welt als Wille und Vorstellung

Aber das Leben ist kurz und die Wahrheit wirkt ferner und lange: Sagen wir die Wahrheit.

Aber die Sprache um ein Wort ärmer machen heißt das Denken der Nation um einen Begriff ärmer machen.

Aber Keiner Bilde sich ein, die
»Kritik der reinen Vernunft« zu kennen und einen deutlichen Begriff von Kants Lehre zu haben, wenn er jene nur in der zweiten, oder einer der folgenden Auflagen gelesen hat; das ist schlechterdings unmöglich: denn er hat nur einen verstümmelten, verdorbenen, gewissermaaßen unächten Text gelesen. Es ist meine Pflicht, Dies hier entschieden und zu Jedermanns Warnung auszusprechen.

Aber Optimismus ist, in den Religionen, wie in der Philosophie, ein Grundirrtum, der aller Wahrheit den Weg vertritt.

Aber so ein Gott Jehova, der zum Vergnügen und mutwillig diese Welt der Not und des Jammers hervorbringt und dann noch gar sich selber Beifall klatscht mit »Alles war sehr gut« (Moses, 1,31): Das ist nicht zu Ertragen.

Alle Befreiung, oder was man gemeinhin Glück nennt, ist eigentlich und wesentlich immer nur negativ und durchaus nie positiv.

Alles im Leben giebt kund, daß das irdische Glück bestimmt ist, vereitelt oder als eine Illusion erkannt zu werden.

Alles ist nur so lange schön, als es uns nicht angeht.

Alles Objektive ist Vorstellung, mithin Erscheinung, ja bloß Gehirnphänomen.

Alles Urdenken geschieht in Bildern: darum ist die Phantasie ein so nothwendiges Werkzeug desselben, und werden phantasielose Köpfe nie etwas Großes leisten, - es sei denn in der Mathematik.

Auch behaupte ich schlechthin, daß der Begriff Wechselwirkung durch kein einziges Beispiel zu belegen ist.

Auch hat die Erfahrung gezeigt, daß große Genien in der Kunst zur Mathematik keine Fähigkeit haben: nie war ein Mensch zugleich in beiden sehr ausgezeichnet.

Aus der dargelegten Ursprünglichkeit und Unbedingtheit des Willens ist es erklärlich, daß der Mensch ein Daseyn voll Noth, Plage, Schmerz, Angst und dann wieder voll Langeweile, welches rein objektiv betrachtet und erwogen, von ihm verabscheut werden müßte, über Alles liebt und dessen Ende, welches jedoch das einzige Gewisse für ihn ist, über Alles fürchtet.

Aus jeder Seite von David Hume ist mehr zu lernen, als aus Hegels, Herbarts und Schleiermachers sämtlichen philosophischen Werken zusammengenommen.

Bei keiner Sache hat man so sehr den Kern von der Schaale zu unterscheiden, wie beim Christentum.

Daher deutet Schwerfälligkeit im Gange des Körpers auf Schwerfälligkeit im Gange der Gedanken und wird, so ganz wie Schlaffheit der Gesichtszüge und Stumpfheit des Blickes, als ein Zeichen von Geisteslosigkeit betrachtet, sowohl an Individuen, wie an Nationen.

Daher kommt die wunderliche Thatsache, daß Jeder sich a priori für ganz frei, auch in seinen einzelnen Handlungen, hält und meint, er könne jeden Augenblicke einen andern Lebenwandel anfangen, welches hieße ein Anderer werden. Allein a posteriori, durch die Erfahrung, findet er zu seinem Erstaunen, daß er nicht frei ist, sondern der Nothwendigkeit unterworfen, daß er, aller Vorsätze und Reflexionen ungeachtet, sein Thun nicht ändert, und vom Anfang seines Lebens bis zum Ende denselben von ihm selbst mißbilligten Charakter durchführen und gleichsam die übernommene Rolle bis zu Ende spielen muß.

Daher will Jeder Alles für sich, will Alles besitzen, wenigstens beherrschen, und was sich ihm widersetzt, möchte er vernichten.

Das Bewußtseyn ist die bloße Oberfläche unseres Geistes, von welchem, wie vom Erdkörper, wir nicht das Innere, sondern nur die Schaale kennen.

Das Leben, mit seinen stündlichen, täglichen, wöchentlichen und jährlichen, kleinen, größern und großen Widerwärtigkeiten, mit seinen getäuschten Hoffnungen und seinen alle Berechnung vereitelnden Unfällen, trägt so deutlich das Gepräge von etwas, das uns verleidet werden soll, daß es schwer zu begreifen ist, wie man dies hat verkennen können und sich überreden lassen, es sei da, um dankbar genossen zu werden, und der Mensch, um glücklich zu seyn.

Das Urtheilen, dieser elementare und wichtigste Proceß des Denkens, besteht im Vergleichen zweier Begriffe; das Schließen im Vergleichen zweier Urtheile.

Dazu kommt, daß von der Höhe der Fall am tiefsten ist. Den bürgerlichen Personen fehlt es demnach an Fallhöhe.

Denn, ich wiederhole es, alle Tugend, die irgendwie eines Lohnes wegen geübt wird, beruht auf klugen, methodischen, weitsehenden Egoismus.

Denn Kants Lehre bringt in jedem Kopf, der sie gefaßt hat, eine fundamentale Veränderung hervor, die so groß ist, daß sie für die geistige Widergeburt gelten kann. […] Wer hingegen der Kantischen Philosophie sich nicht bemeistert hat, ist, was sonst er auch getrieben haben mag, gleichsam im Stande der Unschuld, nämlich in demjenigen natürlichen und kindlichen Realismus befangen geblieben, in welchem wir Alle geboren sind und der zu allem Möglichen, nur nicht zur Philosophie befähigt. […] Die Kantische Lehre also wird man vergeblich irgend wo anders suchen, als in Kants eigenen Werken: diese aber sind durchweg belehrend, selbst da wo er irrt, selbst da wo er fehlt.

Denn natürlicher Verstand kann fast jeden Grad der Bildung ersetzen, aber keine Bildung der natürlichen Verstand.

Denn wenn man etwas auf einem falschen Weg sucht; so hat man eben deshalb den rechten verlassen und wird auf jenem am Ende nie etwas Anderes erreichen, als späte Enttäuschung.

Der gewöhnliche Mensch, diese Fabrikware der Natur, wie sie solche täglich zu Tausenden hervorbringt, ist wie gesagt, einer in jedem Sinn völlig uninteressirten Betrachtung, welches die eigentliche Beschaulichkeit ist, wenigstens durchaus nicht anhaltend fähig: er kann seine Aufmerksamkeit auf die Dinge nur insofern richten, als sie irgend eine, wenn auch nur sehr mittelbare Beziehung auf seinen Willen haben.

Der heimliche Prosaiker hingegen sucht zum Gedanken den Reim; der Pfuscher zum Reim den Gedanken.

Der Lebenslauf des Menschen besteht darin, dass er, von der Hoffnung genarrt, dem Tod in die Arme tanzt.

Der Realismus führt, wie gesagt, notwendig zum Materialismus.

Die Geschichte vom Fall eines Apfels ist ein eben so grundloses, als beliebtes Mährchen und ohne alle Autorität.

Die gewöhnlichen Flachköpfe sind nicht ein Mal rechter Freude fähig: sie leben in Dumpfheit dahin.

Die Menschen werden nur scheinbar von vorne gezogen, eigentlich aber von hinten geschoben: nicht das Leben lockt sie an, sondern die Noth drängt sie vorwärts.

Die Physik vermag nicht auf eigenen Füßen zu stehen, sondern bedarf einer Metaphysik, sich darauf zu stützen; so vornehm sie auch gegen diese thun mag.

Die Vernunft ist weiblicher Natur: sie kann nur geben, nachdem sie empfangen hat.

Die Wahrheit ist keine Hure, die sich Denen an den Hals wirft, welche ihrer nicht begehren: vielmehr ist sie eine so spröde Schöne, daß selbst wer ihr Alles opfert noch nicht ihrer Gunst gewiß seyn darf.

Die Welt ist meine Vorstellung.

Dies geht soweit, daß bei monotheistischen Völkern Atheismus, oder Gottlosigkeit, das Synomym von Abwesenheit aller Moralität geworden ist.

Diesem gemäß verheißen alle Religionen für die Vorzüge des Willens, oder Herzens, einen Lohn jenseits des Lebens, in der Ewigkeit; keine aber für die Vorzüge des Kopfes, des Verstandes.
Ein Bewußtseyn ohne Gegenstand ist kein Bewußtseyn.

Eine Allegorie ist ein Kunstwerk, welches etwas Anderes bedeutet, als es darstellt.

Eine gefaßte Hypothese giebt uns Luchsaugen für alles sie Bestätigende, und macht uns blind für alles ihr Widersprechende."

Eine Moral ohne Begründung, also bloßes Moralisiren, kann nicht wirken; weil sie nicht motivirt.

Er [Kant] hat aus der Philosophie den Theismus eliminirt, da in ihr, als einer Wissenschaft, und nicht Glaubenslehre, nur Das eine Stelle finden kann, was entweder empirisch gegeben, oder durch haltbare Beweise festgestellt ist.

Erst durch die Geschichte wird ein Volk sich seiner selbst bewußt.

Es gibt nur einen angeborenen Irrthum, und das ist der, daß wir dasind, um glücklich zu seyn.

Es ist unmöglich, daß eine Zeitgenossenschaft, welche, zwanzig Jahre hindurch, einen Hegel, diesen geistigen Kaliban, als den größten der Philosophen ausgeschrieben hat, so laut, daß es in ganz Europa widerhallte, Den, der Das angesehen, nach ihrem Beifall lüstern machen könnte.

Für das praktische Leben ist das Genie so brauchbar, wie ein Stern-Teleskop im Theater.

Ganz besonders thut dies auch die Anstrengung des noch unreifen Gehirns, in den frühen Kinderjahren: ich glaube, daß das Erlernen der Lateinischen und Griechischen Grammatik vom sechsten bis zum zwölften Jahre den Grund legt zur nachherigen Stumpfheit der meisten Gelehrten.

Genie ist nie ohne hohe, breite, schön gewölbte Stirn; diese aber oft ohne jenes; - von einem geistreichen Aussehen ist auf Geist um so sicherer zu schließen, je häßlicher das Gesicht ist, und von einem dummen Aussehen auf Dummheit desto sicherer, je schöner das Gesicht ist; weil Schönheit, als Angemessenheit zu dem Typus der Menschen, schon an und für sich den Ausdruck geistiger Klarheit trägt, Häßlichkeit sich entgegengesetzt verhält, u.s.w.

Gesetzt es würde uns einmal ein deutlicher Blick in das Reich der Möglichkeit und über alle Ketten der Ursachen und Wirkungen gestattet, es träte der Erdgeist hervor und zeigte uns in einem Bilde die vortrefflichsten Individuen, Welterleuchter und Helden, die der Zufall vor der Zeit ihrer Wirksamkeit zerstört hat, - dann die großen Begebenheiten, welche die Weltgeschichte geändert und Perioden der höchsten Kultur und Aufklärung herbeigeführt haben würden, die aber das blindeste Ungefähr, der unbedeutendste Zufall, bei ihrer Entstehung hemmte, endlich die herrlichsten Kräfte großer Individuen, welche ganze Weltalter befruchtet haben würden, die sie aber, durch Irrtum oder Leidenschaft verleitet, oder durch Nothwendigkeit gezwungen, an unwürdigen und unfruchbaren Gegenständen nutzlos verschwendeten, oder gar spielend vergeudeten: - sähen wir das Alles, wir würden schaudern und wehklagen über die verlorenen Schätze ganzer Weltalter."

Hätte man jemals Kants Lehre, hätte man seit Kant den Platon eigentlich verstanden und gefaßt, hätte man treu und ernst dem innern Sinn und Gehalt der Lehren beider großer Meister nachgedacht, statt mit den Kunstausdrücken des einen ums sich zu werfen und den Stil des andern zu parodieren; es hätte nicht fehlen können, daß man längst gefunden hätte, wie sehr die beiden großen Weisen übereinstimmen und die reine Bedeutung, der Zielpunkt beider Lehren, durchaus derselbe ist.

Ich hege wirklich längst die Meinung, daß die Quantität Lerm, die Jeder unbeschwert vertragen kann, in umgekehrtem Verhältniß zu seinen Geisteskräften steht, und daher als das ungefähre Maaß derselben betrachtet werden kann.

Ich wollte, ich hätte ein authentisches Verzeichniß aller Verbrechen, die wirklich das Christentum verhindernt, und aller guten Handlungen, die es wirklich erzeugt hat, um sie auf die andere Waagschale legen zu können.

In jedem Mikrokosmos liegt der ganze Makrokosmos, und dieser enthält nichts mehr als jener.

Jedoch die größte Frechheit im Auftischen baren Unsinns, im Zusammenschmieren sinnleerer, rasender Wortgeflechte, wie man sie bis dahin nur in Tollhäusern vernommen hatte, trat endlich im Hegel auf und wurde das Werkzeug der plumpesten allgemeinen Mystifikation, die je gewesen, mit einem Erfolg, welcher der Nachwelt fabelhaft erscheint und ein Denkmal Deutscher Niaserie bleiben wird.

Jugend ohne Schönheit hat immer noch Reiz; Schönheit ohne Jugend keinen.

Kants Stil trägt durchweg das Gepräge eines überlegenen Geistes, ächter, fester Eigenthümlichkeit und ganz ungewöhnlicher Denkkraft; der Charakter desselben läßt sich vielleicht treffend bezeichnen als eine glänzende Trockenheit, vermöge welcher er die Begriffe mit großer Sicherheit fest zu fassen und herauszugreifen, dann sie mit größter Freiheit hin- und herzuwerfen vermag, zum Erstaunen des Lesers.

Kein Wille: keine Vorstellung, keine Welt.

Man betrachte z.B. den Koran: dieses schlechte Buch war hinreichend, eine Weltreligion zu begründen, das metaphysische Bedürfniß zahlloser Millionen Menschen seit 1200 Jahren zu befriedigen, die Grundlage ihrer Moral und einer bedeutenden Verachtung des Todes zu werden, wie auch, sie zu blutigen Kriegen und den ausgedehntesten Eroberungen zu begeistern. Wir finden in ihm die traurigste und ärmlichste Gestalt des Theismus

Man soll nicht Judenthum mit Vernunft identificiren.

Mit kleiner Quantität, aber guter Qualität desselben leistet man mehr, als mit großer Quantität, bei schlechter Qualität.

Notwendigkeit ist das Reich der Natur; Freiheit ist das Reich der Gnade.

Religionen sind dem Volke nothwendig, und sind ihm eine unschätzbare Wohlthat.

Schließen ist leicht, urtheilen schwer. Falsche Schlüsse sind eine Seltenheit, falsche Urtheile stets an der Tagesordnung.

Sogar aber läßt sich den handgreiflichen sophistischen Beweisen Leibnitzens, daß diese Welt die beste unter den möglichen sei, ernstlich und ehrlich der Beweis entgegenstellen, daß sie die schlechteste unter den möglichen sei.

Unrecht, das mir Jemand zufügt, befugt mich keineswegs ihm Unrecht zuzufügen.
Viele Wahrheiten bleiben bloß deshalb unentdeckt, weil Keiner Muth hat, das Problem ins Auge zu fassen und darauf los zu gehen.

Vorzüglich erblich ist der Hang zum Selbstmord.

Was dem Herzen widerstrebt, läßt der Kopf nicht ein.

Weiber können bedeutendes Talent, aber kein Genie haben: denn sie bleiben stets subjektiv.

Wenn man nun endlich noch Jedem die entsetzlichen Schmerzen und Quaalen, denen sein Leben beständig offen steht, vor die Augen bringen wollte; so würde ihn Grausen ergreifen: und wenn man den verstocktesten Optimisten durch die Krankenhospitäler, Lazarethe und chirurgische Marterkammern, durch die Gefängnisse, Folterkammern und Sklavenställe, über Schlachtfelder und Gerichtsstädten führen, dann alle die finstersten Behausungen des Elends, wo es sich vor den Blicken kalter Neugier verkriecht, ihm öffnet und zum Schluß ihn in den Hungerthurm des Ugolino blicken lassen wollte; so würde sicherlich auch er zuletzt einsehen, welcher Art dieser meilleur des mondes possibles ist.

Wenn man, wie so oft geschieht, der Metaphysik vorwirft, im Laufe so vieler Jahrhunderte, so geringe Fortschritte gemacht zu haben; so sollte man auch berücksichtigen, daß keine andere Wissenschaft, gleich ihr, unter fortwährendem Druck erwachsen, keine von außen so gehemmt und gehindert worden ist, wie sie allezeit durch Religion jedes Landes, als welche, überall im Besitz des Monopols metaphysischer Erkenntnisse, sie neben sich ansieht wie ein wildes Kraut, wie einen unberechtigten Arbeiter, wie eine Zigeunerhorde, und sie in aller Regel nur unter der Bedingung toleriert, daß sie sich bequeme ihr zu dienen und nachzufolgen.

Wer nicht zeitlebens gewissermaaßen ein großes Kind bleibt, sondern ein ernsthafter, nüchterner, durch gesetzter und vernünftiger Mann wird, kann ein sehr nützlicher und tüchtiger Bürger dieser Welt seyn; nur nimmermehr ein Genie.
Wie ästhetisch ist doch die Natur!

Wir werden überhaupt ganz und gar nicht von Sollen reden: denn so redet man zu Kindern und zu Völkern in ihrer Kindheit, nicht aber zu denen, welche die ganze Bildung einer mündig gewordenen Zeit sich angeeignet haben.

Wirklich ist jedes Kind gewissermaaßen ein Genie, und jedes Genie gewissermaßen ein Kind.

Zur Logik verhält sich die Grammatik wie das Kleid zum Leibe.

Zur Philosophie verhält sich die Poesie, wie die Erfahrung sich zur empirischen Wissenschaft verhält.

Parerga und Paralipomena

Auch wird unsere Scheu vor jenem kolossalen Gedanken sich mindern, wenn wir uns erinnern, dass das Subjekt des großen Lebenstraumes in gewissem Sinne nur Eines ist […] und dass alle Vielheit der Erscheinungen durch Raum und Zeit bedingt ist. Es ist ein großer Traum, den jenes Eine Wesen träumt: aber so, dass alle seine Personen ihn mitträumen.

Das große gebildete Publikum sucht Wohlleben und Zeitvertreib, legt daher beiseite, was nicht Roman, Komödie oder Gedicht ist. Um ausnahmsweise einmal zur Belehrung zu lesen, wartet es zuvörderst auf Brief und Siegel von denen, die es besser verstehen, darüber, daß hier wirklich Belehrung zu finden sei.

Ein unpersönlicher Gott ist gar kein Gott, sondern bloß ein missbrauchtes Wort, ein Unbegriff, eine contradictio in adjecto, ein Schiboleth für Philosophieprofessoren, welche, nachdem sie die Sache haben aufgeben müssen, mit dem Worte durchzuschleichen bemüht sind.

Es gibt keine andere Offenbarung als die Gedanken der Weisen.

Es gibt nur eine Heilkraft, und das ist die Natur; in Salben und Pillen steckt keine. Höchstens können sie der Heilkraft der Natur einen Wink geben, wo etwas für sie zu tun ist.

Ja, wie bekanntlich jede andere Wissenschaft durch Einmischung von Theologie verdorben wird, so auch die Philosophie, und zwar am allermeisten; wie Solches die Geschichte derselben bezeugt: daß Dies sogar auch von der Moral gelte, habe ich in meiner Abhandlung über das Fundament derselben sehr deutlich dargethan; daher die Herren auch über diese mäuschenstill gewesen sind; getreu ihrer Taktik des passiven Widerstandes.

LESEN heißt mit einem fremden Kopfe, statt des eigenen, denken.

Religionen sind Kinder der Unwissenheit, die Ihre Mutter nicht lange überleben.

Religionen sind wie die Leuchtwürmer: sie bedürfen der Dunkelheit um zu leuchten. Ein gewisser Grad allgemeiner Unwissenheit ist die Bedingung aller Religionen, ist das Element, in welchem allein sie leben können.

Die Hegel'sche Afterweisheit ist recht eigentlich jener Mühlstein im Kopfe des Schülers im Faust. Wenn man einen Jüngling absichtlich verdummen und zu allem Denken völlig unfähig machen will; so giebt es kein probateres Mittel, als das fleißige Studium Hegelscher Originalwerke: denn diese monstrosen Zusammenfügungen von Worten, die sich aufheben und widersprechen, ?o daß der Geist irgend etwas dabei zu denken vergeblich sich abmartert, bis er endlich ermattet zusammensinkt, vernichten in ihm allmälig die Fähigkeit zum Denken so gänzlich, daß, von Dem an, hohle, leere Floskeln ihm für Gedanken gelten. Dazu nun noch die durch Wort und Beispiel aller Respektpersonen dem Jüngling beglaubigte Einbildung, jener Wortkram sei die wahre, hohe Weisheit!

Eine Kunst hat dieser Hegel wirklich verstanden, nämlich die, die Deutschen bei der Nase zu führen.

Als Grundcharakter des Aristoteles ließe sich angeben der allergrößte Scharfsinn, verbunden mit Umsicht, Beobachtungsgabe, Vielseitigkeit und Mangel an Tiefsinn. Seine Weltansicht ist flach, wenn auch scharfsinnig durchgearbeitet.

Auf Schelling folgte jetzt schon eine philosophische Ministerkreatur, der, in politischer, obendrein mit einem Fehlgriff bedienter Absicht, von oben herunter zum großen Philosophen gestämpelte Hegel, ein platter, geistloser, ekelhaft-widerlicher, unwissender Scharlatan, der, mit beispielloser Frechheit, Aberwitz und Unsinn zusammenschmierte, welche von seinen feilen Anhängern als unsterbliche Weisheit ausposaunt und von Dummköpfen richtig dafür genommen wurde, wodurch ein so vollständiger Chorus der Bewunderung entstand, wie man ihn nie zuvor vernommen hatte.

Zu den glänzendesten und verdienstlichen Seiten der Kantischen Philosophie gehört unstreitig die Transcendentale Dialektik, durch welche er die spekulative Theologie und Psychologie dermaaßen aus dem Fundament gehoben hat, daß man seitdem, auch beim besten Willen, nicht im Stande gewesen ist, sie wieder aufzurichten.

Die glänzenden Blätter der Litteraturgeschichte sind, beinahe durchgängig, zugleich die tragischen.

Denn Kant ist vielleicht der originellste Kopf, den jemals die Natur hervorgebracht hat. Mit ihm und in seiner Weise zu denken, ist etwas, das mit gar nichts Anderem irgend verglichen werden kann: denn er besaß einen Grad von klarer, ganz eigenthümlicher Besonnenheit, wie solche niemals irgend einen andern Sterblichen zu Theil geworden ist.

Allein was das Publikum nie erkennt und begreift, weil es gute Gründe hat, es nicht zu erkennen wollen, ist die Aristokratie der Natur.

Von diesem Gesichtspunkt aus, läßt sich daher der Traum als ein kurzer Wahnsinn, der Wahnsinn als ein langer Traum bezeichnen.

Dennoch sind aber die Menschen tausend Mal mehr bemüht, sich Reichthum, als Geistesbildung zu erwerben; während doch ganz gewiß was man ist, viel mehr zu unserm Glücke beiträgt, als was man hat.

Ueberhaupt aber beruhen 9/10 unseres Glücks allein auf der Gesundheit.

Demgemäß sehn wir die niedere Volksklasse in einem beständigen Kampf gegen die Noth, also den Schmerz; die reiche und vornehme Welt hingegen in einem anhaltenden, oft wirklich verzweifelten Kampf gegen die Langeweile.

Denn man hat in der Welt nicht viel mehr, als die Wahl zwischen Einsamkeit und Gemeinschaft.

Daher ist, in allen Ländern, die Hauptbeschäftigung aller Gesellschaft das Kartenspiel geworden: es ist der Maaßstab des Werthes derselben und der deklarirte Bankrott an allen Gedanken.

So hat z.B. mir meine Philosophie nie etwas gebracht; aber sie hat mir sehr viel erspart.

Wenn man hingegen sieht, wie fast Alles, wonach Menschen, ihr Leben lang, mit rastloser Anstrengung und unter tausend Gefahren und Mühsäligkeiten, unermüdlich streben, zum letzten Zwecke hat, sich dadurch in der Meinung Anderer zu erhöhen, indem nämlich nicht nur Aemter, Titel und Orden, sondern auch Reichthum und selbst Wissenschaft und Kunst, im Grunde und hauptsächlich deshalb angestrebt werden, und der größere Respekt Anderer das letzte Ziel ist, darauf man hinarbeitet; so beweist Dies leider nur die Größe der menschlichen Thorheit.

Dem entsprechend macht die Eitelkeit gesprächig, der Stolz schweigsam.

Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er verräth in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er stolz seyn könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen theilt.

Wie Geschimpftwerden eine Schande, so ist Schimpfen eine Ehre.

Zeigt etwan in einer Diskussion, oder sonst im Gespräch ein Anderer richtige Sachkenntniß, strenge Wahrheitsliebe, gesünderes Urtheil, mehr Verstand, als wir, oder überhaupt, läßt er geistige Vorzüge blicken, die uns in den Schatten stellen; so können wir alle dergleichen Ueberlegenheiten und unsere eigene durch sie aufgedeckte Dürftigkeit sogleich aufheben und nun umgekehrt selbst überlegen seyn, indem wir beleidigend und grob werden.

Sogar aber lehrt ein unbefangener Blick auf die Natur des Menschen, daß diesem das Prügeln so natürlich ist, wie den reißenden Thieren das Beißen und dem Hornvieh das Stoßen: er ist eben ein prügelndes Thier.

Auf Ehre hat jeder Anspruch; auf Ruhm nur die Ausnahmen: denn nur durch außerordentliche Leistungen wird Ruhm erlangt.

Denn da die Menschen in der Regel ohne eigenes Urtheil sind und zumal hohe und schwierige Leistungen abzuschätzen durchaus keine Fähigkeit haben; so folgen sie hier fremder Auktorität, und der Ruhm, in hoher Gattung, beruht bei 99 von 100 Rühmern, bloß auf Treu und Glauben.

Ruhm und Jugend auf Ein Mal ist zu viel für einen Sterblichen.

Ganz er Selbst seyn darf Jeder nur so lange er allein ist: wer also nicht die Einsamkeit liebt, der liebt auch nicht die Freiheit: denn nur wenn man alleine ist, ist man frei: Zwang ist der unzertrennliche Gefährte jeder Gesellschaft. Demgemäß wird Jeder in genauer Proportion zum Werthe seines eigenen Selbst die Einsamkeit fliehen, ertragen oder lieben.

Was nun andererseits die Menschen gesellig macht ist ihre Unfähigkeit, die Einsamkeit, und in dieser sich selbst, zu ertragen.

Diesem Allem zufolge steht die Geselligkeit eines Jeden ungefähr im umgekehrten Verhältnisse seins intellektuellen Werthes; und »er ist sehr ungesellig« besagt beinahe schon »er ist ein Mann von großen Eigenschaften«.

Dem intellektuell hochstehenden Menschen gewährt nämlich die Einsamkeit einen zweifachen Vortheil: erstlich den, mit sich selber zu seyn, und zweitens den, nicht mit Anderen zu seyn.

Also, wer erwartet daß in der Welt der Teufel mit Hörnern und die Narren mit Schellen einhergehn, wird stets ihre Beute, oder ihr Spiel seyn.

Die Freunde nennen sich aufrichtig; die Feinde sind es: daher man ihren Tadel zur Selbsterkenntniß benutzen sollte, als eine bittre Arznei.

Höflichkeit mit Stolz zu vereinigen ist ein Meisterstück.

Zorn oder Haß in Worten, oder Mienen blicken zu lassen ist unnütz, ist gefährlich, ist unklug, ist lächerlich, ist gemein.

Was aber die Leute gemeiniglich das Schicksal nennen sind meistens nur ihre eigenen dummen Streiche.

Armuth im Alter ist ein großes Unglück.

Die 6 kürzlich noch hinzu entdeckten Planetoiden sind eine Neuerung, von der ich nichts wissen will. Ich mache es daher mit ihnen, wie mit mir die Philosophieprofessoren: ich ignorire sie; weil sie nicht in meinen Kram passen.

Parerga und Paralipomena II

Der Grund und Boden, auf dem alle unsere Erkenntnisse und Wissenschaften ruhen, ist das Unerklärliche.

Wo daher Widerspruch und Lüge ist; da sind Gedanken, die nicht aus objektiver Auffassung entsprungen sind, -z.B. im Optimismus.

Gedanken kommen aber nicht wann wir, sondern wann sie wollen.

Alles wirkliche Dichten und Denken nämlich ist gewissermaaßen ein Versuch, den kleinen Leuten einen großen Kopf aufzusetzen: kein Wunder, daß er nicht gleich gelingt.

Ach, es ist doch ein saures Stück Brod, das Philosophieprofessorenbrod!

In Wahrheit aber giebt es weder Geist, noch Materie, wohl aber viel Unsinn und Hirngespinste in der Welt.

Daher ist die Aufgabe nicht sowohl zu sehen was noch Keiner gesehen hat, als, bei Dem, was Jeder sieht, zu denken, was noch Keiner gedacht hat.

Demnach nun muß jedenfalls der Adam unserer Rasse schwarz geacht werden, und da Jehova ihn nach seinem Bilde geschaffen hat, so ist auf Kunstwerken auch dieser schwarz darzustellen; wobei man ihm jedoch den herkömmlichen weißen Bart lassen kann; da die Dünnbärtigkeit nicht der schwarzen Farbe, sondern bloß der Aethiopischen Rasse anhängt.

Jede menschliche Vollkommenheit ist einem Fehler verwandt, in welchen überzugehen sie droht; jedoch auch umgekehrt, jeder Fehler, einer Vollkommenheit.

Ist doch unsere civilisirte Welt nur eine große Maskerade.

Der Mensch ist im Grunde ein wildes, entsetzliches Thier.

Denn die Moral mittels des Theismus stützen, heißt sie auf Egoismus zurückführen; obgleich die Engländer, wie auch bei uns die untersten Klassen der Gesellschaft, gar nicht die Möglichkeit einer anderen Begründung absehen.

Denn bei mir findet, in England, der rothe Rock mehr Glauben, als der schwarze, und Alles, was daselbst zu Gunsten der Kirche, dieser so reichen und bequemen Versorgungsanstalt der mittellosen jüngern Söhne der gesammten Aristokratie gesagt wird ist mir eo ipso verdächtig.

Demnach ist der ganze empirische Verlauf des Lebens eines Menschen, in allen seinen Vorgängen, großen und kleinen, so nothendig vorherbestimmt, wie der eines Uhrwerks.

Stets denke man: besser allein, als unter Verräthern.

So hängen die Wahrheiten alle zusammen, fordern sich, ergänzen sich; während der Irrthum an allen Ecken anstößt.

Ein eigenthümlicher Fehler der Deutschen ist, daß sie, was vor ihren Füßen liegt, in den Wolken suchen.

Daß Der, welcher für sich selbst nicht mehr leben mag, nun noch als bloße Maschine zum Nutzen Anderer fortleben sollte, ist eine überspannte Forderung.

Demnach würde zur Milderung des menschlichen Elends das Wirksamste die Verminderung, ja, Aufhebung des Luxus seyn.

Wird nämlich das Unrecht von Einer Seite herausgeworfen, so schleicht es sich von der andern wieder herein; weil eben die Unrechtlichkeit tief im menschlichen Wesen liegt.

Ich bin der Meinung, daß die Weiber nie ganz mündig werden, sondern stets unter wirklicher männlicher Aufsicht stehn sollten, sei es die des Vaters, des Gatten, des Sohnes, oder des Staats, - wie es in Indien ist; daß sie demnach niemals über ein Vermögen, welches sie nicht selbst erworben haben, müßten eigenmächtig verfügen können. Daß hingegen eine Mutter sogar bestellter Vormund und Verwalter des väterlichen Erbteils ihrer Kinder werden könne, halte ich für unverzeihliche und verderbliche Thorheit.

Jedenfalls bedarf ein Weib stets des Vormundes, darf also nie Vormund seyn. - Auch bin ich der Meinung, daß, vor Gericht, das Zeugniß eines Weibes, caeteris paribus, weniger Gewicht haben sollte, als das eines Mannes; so daß z.B. zwei männliche Zeugen etwan drei, oder gar vier weibliche aufwögen. Denn ich glaube, daß das weibliche Geschlecht, in Masse genommen, täglich drei Mal so viel Lügen in die Luft schickt, als das männliche, und noch dazu mit einem Anschein von Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit, den das männliche nie erlangt.

Demnach ist es eine höchst oberflächliche und falsche Ansicht, wenn man die Juden bloß als Religionssekte betrachtet: wenn aber gar, um diesen Irrthum zu begünstigen, das Judenthum, mit einem der Christlichen Kirche entlehnter Ausdruck, bezeichnet wird als »Jüdische Konfession«; so ist Dies ein grundfalscher, auf das Irreleiten absichtlich berechneter Ausdruck, der gar nicht gestattet seyn sollte. Vielmehr ist »Jüdische Nation« das Richtige. Die Juden haben gar keine Konfession: der Monotheismus gehört zu ihrer Nationalität und Staatsverfassung und versteht sich bei ihnen von selbst. Ja, wohlverstanden, sind Monotheismus und Judenthum Wechselbegriffe.

Erkenntniß ist, an sich selbst, stets schmerzlos.

So viel ich sehe, sind es allein die monotheistischen, also jüdischen Religionen, deren Bekenner die Selbsttötung als ein Verbrechen betrachten.

Daß unser Daseyn selbst eine Schuld implicirt, beweist der Tod.

Vom Vater erhält das Kind den Willen, den Charakter; von der Mutter den Intellekt.

Alles, was im Christentum Wahres findet, findet sich auch im Brahmanismus und Buddhismus.

Der Grundunterschied der Religionen liegt darin, ob sie Optimismus oder Pessimismus sind; keineswegs darin, ob Monotheismus, Polytheismus, Trimurti, Dreieinigkeit, Pantheismus, oder Atheismus (wie der Buddhismus.

Das Christentum ist eine Allegorie, die einen wahren Gedanken abbildet; aber nicht ist die Allegorie an sich selbst das Wahre.

Entweder glauben oder philosophiren! was man erwählt sei man ganz.

Die, welche wähnen, daß die Wissenschaften immer weiter fortschreiten und immer mehr sich verbreiten können, ohne daß Dies die Religionen hindere, immerfort zu bestehn und zu floriren, - sind in einem großen Irrthum befangen. Religionen sind Kinder der Unwissenheit, die ihre Mutter nicht lange überleben.

Der Glaube ist wie die Liebe: er läßt sich nicht erzwingen. Daher ist es ein mißliches Unternehmen, ihn durch Staatsmaaßregeln einzuführen, oder zu befestigen zu wollen: denn, wie der Versuch, Liebe zu erzwingen, Haß erzeugt; so der, Glauben zu erzwingen, erst rechten Unglauben.
Im Homer sind die vielen, unendlich oft vorkommenden Phrasen, Tropen, Bilder und Redensarten so steif, starr und mechanisch eingesetzt, als wäre es mit Schablonen geschehen.

Die Fabel von der Pandora ist mir von jeher nicht klar gewesen, ja, ungereimt und verkehrt vorgekommen.

Die Zeitungen sind der Sekundenzeiger der Geschichte. Derselbe aber ist meistens nicht nur von unedlerem Metalle, als die beiden andern, sondern geht auch selten richtig.

Der Neid nämlich ist die Seele des überall florirenden, stillschweigenden und ohne Verabredung zusammenkommenden Bundes aller Mittelmäßigen, gegen den einzelnen Ausgezeichneten, in jeder Gattung. [...] Neid ist das sichere Anzeichen des Mangels, also, wenn auf Verdienste gerichtet, des Mangels an Verdiensten.

Die ganze Litteraturgeschichte, alter und neuer Zeit, hat kein Beispiel von falschem Ruhme aufzuweisen, welches dem der Hegelschen Philosophie an die Seite zu stellen wäre.

Die Barberei kommt wieder, trotz Eisenbahnen, elektrischen Drähten und Luftballons.

Lesen heißt mit einem fremden Kopfe, statt des eigenen, denken.

Wenn nun aber schon die Natur den Menschen zum Denken bestimmt hätte; so würde sie ihm keine Ohren gegeben, oder diese wenigstens, wie bei Fledermäusen, die ich darum beneide, mit luftdichten Schließklappen versehen haben.

Fremden Stil nachahmen heißt eine Maske tragen.

Ueberhaupt zieht das Naive an: die Unnatur hingegen schreckt überall zurück.

Dunkelheit und Undeutlichkeit ist allemal und überall ein sehr schlimmes Zeichen.

Es thäte daher Noth, daß man eine kleine Sprachschule für deutsche Schriftsteller errichte, in welcher der Unterschied zwischen Imperfektum, Perfektum und Plusquamperfekt gelehrt würde; nächstdem auch in einer zwischen Genitiv und Ablativ; da, immer allgemeiner, dieser statt jenes gesetzt und ganz unbefangen z.B. »das Leben von Leibnitz«, statt Leibnitzens Leben und »der Tod von Andreas Hofer«, statt Hofers Tod, geschrieben wird.

Unwissenheit degradirt den Menschen erst dann, wann sie in Gesellschaft des Reichthums angetroffen wird.

Die Konsonanten sind das Skelett und die Vokale das Fleisch der Wörter.

Hoffnung ist die Verwechselung des Wunsches einer Begebenheit mit ihrer Wahrscheinlichkeit.

Aller Eigensinn beruht darauf, daß der Wille sich an die Stelle der Erkenntniß gedrängt hat.

Es gibt keine Absurdität, die so handgreiflich wäre, daß man sie nicht allen Menschen fest in den Kopf setzen könnte, wenn man nur schon vor ihrem sechsten Jahre, anfienge, sie ihnen einzuprägen, indem man unablässig und mit feierlichstem Ernst sie ihnen vorsagte.

Das Delirium verfälscht die Anschauung, der Wahnsinn die Gedanken.

Zu Pflegerinnen und Erzieherinnen unserer ersten Kindheit eignen die Weiber sich gerade dadurch, daß sie selbst kindisch, läppisch und kurzsichtig, mit Einem Worte, Zeit Lebens große Kinder sind: eine Art Mittelstufe, zwischen dem Kinde und dem Manne, als welcher der eigentliche Mensch ist.

In unserer monogamischen Welttheile heißt heirathen seine Rechte halbiren und seine Pflichten verdoppeln.

Wenigstens sollten Weiber niemals über ererbtes, eigentliches Vermögen, also Kapitalen, Häuser und Landgüter, freie Dispositionen haben.

Daß das Weib, seiner Natur nach, zum gehorchen bestimmt sei, giebt sich daran zu erkennen, daß eine Jede, welche in die ihr naturwidrige Lage gänzlicher Unabhängigkeit versetzt wird, alsbald sich irgend einem Manne anschließt, von dem sie sich lenken und beherrschen läßt; weil sie eines Herrn bedarf.

Auch spricht der Mund nur Gedanken eines Menschen, das Gesicht einen Gedanken der Natur aus.

Denn das Gesicht eines Menschen sagt gerade aus, was er ist; und täuscht es uns, so ist dies nicht seine, sondern unsere Schuld.
Die Schweiz gleicht einem Genie: schön und erhaben, jedoch wenig geeignet, nahrhafte Frucht zu tragen.

Aphorismen zur Lebensweisheit

Aber, im Ganzen genommen, liegt, wie längst gesagt ist, die Welt im Argen: die Wilden fressen einander und die Zahmen betrügen einander, und Das nennet man den Lauf der Welt.

Alle Dinge sind herrlich zu SEHN, aber schrecklich zu SEYN.

Alle Lumpe sind gesellig, zum Erbarmen: aber der Mensch edler und erhabener Art, gelangt, mit den Jahren, zu der Einsicht, daß es, seltene Ausnahmen abgerechnet, in der Welt nur die Wahl giebt, zwischen Einsamkeit und Gemeinheit.

Alles, alles kann einer vergessen, nur nicht sich selbst, sein eigenes Wesen.

Daher ist die wahre, tiefe Friede des Herzens und die vollkommene Gemüthsruhe allein in der Einsamkeit zu finden. Ist dann das eigene Selbst groß und reich; so genießt man den glücklichsten Zustand, der auf diser armen Erde gefunden werden mag.

Das Gehirn denkt, wie der Magen verdaut.

Das Schicksal mischt die Karten, und wir spielen.

Die Freunde nennen sich aufrichtig; die Feinde sind es: daher man ihren Tadel zur Selbsterkenntnis benutzen sollte, als eine bittre Arznei.

Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er verräth in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er stolz seyn könnte, indem er sonst nicht zu Dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen theilt. Wer bedeutende persönliche Vorzüge besitzt, wird vielmehr die Fehler seiner eigenen Nation, da er sie beständig vor Augen hat, am deutlichsten erkennen. Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz seyn könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu seyn: hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit, alle Fehler und Thorheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu vertheidigen.

Die Erinnerung wirkt wie das Sammlungsglas in der Camera obscura: Sie zieht alles zusammen und bringt dadurch ein viel schöneres Bild hervor, als sein Original ist.

Die Gegenwart eines Gedankens ist wie die Gegenwart einer Geliebten.

Durch nichts entziehen wir uns so sehr dem Zwange von außen wie durch Selbstzwang.

Für sein Tun und Lassen kann man keinen anderen zum Muster nehmen.

Gegen das Ende des Lebens nun gar geht es wie gegen das Ende eines Maskenballs, wann die Larven abgenommen werden.

Gerade in Kleinigkeiten, als bei welchen der Mensch sich nicht zusammennimmt, zeigt er seinen Charakter.

Im allgemeinen freilich haben die Weisen aller Zeiten immer dasselbe gesagt, und die Toren, d.h. die unermessliche Majorität aller Zeiten, haben immer dasselbe, nämlich das Gegenteil getan; und so wird es denn auch ferner bleiben.

Ja, es sei herausgesagt: so eng auch Freundschaft, Liebe und Ehe Menschen verbinden; ganz ehrlich meint jeder es am Ende doch nur mit sich selbst und höchstens noch mit seinem Kinde. - Je weniger einer, in Folge objektiver oder subjektiver Bedingungen, nötig hat, mit den Menschen in Berührung zu kommen, desto besser ist er daran.

Jeder steckt in seinem Bewusstsein wie in seiner Haut und lebt unmittelbar nur in demselben.

Meistens belehrt uns erst der Verlust über den Wert der Dinge.

Ruhm muss erworben werden, die Ehre hingegen braucht nur nicht verloren zu werden.

So kommt es denn, daß, obwohl in dieser Welt gar Vieles recht schlecht ist, doch das Schlechteste darin die Gesellschaft bleibt.

Ueberhaupt aber zeigt Der, welcher bei allen Unfällen gelassen bleibt, daß er weiß, wie kolossal und tausendfältig die möglischen Uebel des Lebens sind, weshalb er das jetzt eingetretene ansieht als einen sehr kleinen Theil dessen, was kommen könnte: Dies ist die stoische Gesinnung.

Vergeben und vergessen heißt, gemachte kostbare Erfahrungen zum Fenster hinauswerfen.

Was aber die Leute gemeiniglich das Schicksal nennen, sind meistens nur ihre eigenen dummen Streiche.

Was nun andrerseits die Menschen gesellig macht, ist ihre Unfähigkeit, die Einsamkeit und in dieser sich selbst zu ertragen.

Wer fröhlich ist, hat allemal Ursache, es zu sein. Nämlich eben diese, dass er es ist.

Zu unserer Besserung bedürfen wir eines Spiegels.

Zum Leitstern seiner Bestrebungen soll man nicht Bilder der Phantasie nehmen, sondern deutlich gedachte Begriffe.

Ueber den Willen in der Natur

Besonders, meine wahrheitsdürstigen Jünglinge, laßt euch nicht von den Hofräthen erzählen, was in der Kritik der reinen Vernunft steht; sondern lest sie selbst.


Die Wahrheit kann warten: denn sie hat ein langes Leben vor sich.

In der That beruht auf dem selben Grunde der allen Genies eigene Hang zur Einsamkeit, als zu welcher sowohl ihre Verschiedenheit von den Uebrigen sie treibt, wie ihr innerer Reichthum sie ausstattet: denn von Menschen, wie von Diamanten, taugen nur die ungemein großen zu Solitärs: die gewöhnlichen müssen beisammen seyn und in der Masse wirken.

Ehrwürdig ist die Wahrheit; nicht was ihr entgegensteht.

Genialität ist Objektivität.

Da ergiebt sich, daß Moral-Predigen leicht, Moral-Begründen schwer ist.

Jeder steckt in seinem Bewußtsein, wie in seiner Haut, und lebt unmittelbar nur in demselben: daher ist ihm von außen nicht sehr zu helfen.

Die Unterschiede des Ranges und Reichtums geben jedem seine Rolle zu spielen; aber keineswegs entspricht dieser eine innere Verschiedenheit des Glücks und Behagens, sondern auch hier steckt in jedem derselbe arme Tropf mit seiner Not und Plage...

Weil nämlich alles, was für den Menschen da ist und vergeht, unmittelbar immer nur in seinem Bewußtsein da ist und für dieses vergeht; so ist offenbar die Beschaffenheit des Bewußtseins selbst das zunächst Wesentliche, und auf dieselbe kommt, in den meisten Fällen, mehr an, als auf die Gestalten, die darin sich darstellen.

Die objektive Hälfte der Gegenwart und Wirklichkeit steht in der Hand des Schicksals und ist demnach veränderlich: die subjektive sind wir selbst; daher sie im Wesentlichen unveränderlich ist. Demgemäß trägt das Leben jedes Menschen, trotz aller Abwechslung von außen, durchgängig denselben Charakter und ist einer Reihe Variationen auf ein Thema zu vergleichen.

Aus seiner Individualität kann keiner heraus.

Daß für unser Glück und unsern Genuß das Subjektive ungleich wesentlicher, als das Objektive sei, bestätigt sich in allem: von dem an, daß Hunger der beste Koch ist und der Greis die Göttin des Jünglings gleichgültig ansieht, bis hinauf zum Leben des Genies und des Heiligen. Besonders überwiegt die Gesundheit alle äußeren Güter so sehr, daß wahrlich ein gesunder Bettler glücklicher ist, als ein kranker König.

Ein aus vollkommener Gesundheit und glücklicher Organisation hervorgehendes, ruhiges und heiteres Temperament, ein klarer, lebhafter, eindringender und richtig fassender Verstand, ein gemäßigter, sanfter Wille und demnach ein gutes Gewissen, dies sind Vorzüge, die kein Rang oder Reichtum ersetzen kann. Denn was einer für sich selbst ist, was ihn in die Einsamkeit begleitet und was keiner ihm geben, oder nehmen kann, ist offenbar für ihn wesentlicher, als alles, was er besitzen, oder auch, was er in den Augen anderer sein mag.

... eigentlicher Reichtum, d. h. großer Überfluß, vermag wenig zu unserm Glück; daher viele Reiche sich unglücklich fühlen; weil sie ohne eigentliche Geistesbildung, ohne Kenntnisse und deshalb ohne irgendein objektives Interesse, welches sie zu geistiger Beschäftigung befähigen könnte, sind. Denn was der Reichtum über die Befriedigung der wirklichen und natürlichen Bedürfnisse hinaus noch leisten kann, ist von geringem Einfluß auf unser eigentliches Wohlbehagen: vielmehr wird dieses gestört durch die vielen und unvermeidlichen Sorgen, welche die Erhaltung eines großen Besitzes herbeiführt.

Dennoch aber sind die Menschen tausendmal mehr bemüht, sich Reichtum, als Geistesbildung zu erwerben; während doch ganz gewiß was man ist viel mehr zu unserm Glücke beiträgt, als was man hat. Gar manchen daher sehn wir, in rastloser Geschäftigkeit, emsig wie die Ameise, vom Morgen bis zum Abend bemüht, den schon vorhandenen Reichtum zu vermehren. Über den engen Gesichtskreis des Bereiches der Mittel hiezu hinaus kennt er nichts: sein Geist ist leer, daher für alles andere unempfänglich. Die höchsten Genüsse, die geistigen, sind ihm unzugänglich: durch die flüchtigen, sinnlichen, wenig Zeit, aber viel Geld kostenden, die er zwischendurch sich erlaubt, sucht er vergeblich jene andern zu ersetzen.

Also, was einer an sich selber hat, ist zu seinem Lebensglücke das Wesentlichste. Bloß weil dieses, in der Regel, so gar wenig ist, fühlen die meisten von denen, welche über den Kampf mit der Not hinaus sind, sich im Grunde ebenso unglücklich, wie die, welche sich noch darin herumschlagen. Die Leere ihres Innern, das Fade ihres Bewußtseins, die Armut ihres Geistes treibt sie zur Gesellschaft, die nun aber aus eben solchen besteht; weil: jeder erfreut sich an seinesgleichen.

Kapitel II
Immer kommt es darauf an, was einer sei und demnach an sich selber habe: denn seine Individualität begleitet ihn stets und überall, und von ihr ist alles tingirt, was er erlebt. In allem und bei allem genießt er zunächst nur sich selbst: Dies gilt schon von den physischen; wieviel mehr von den geistigen Genüssen.

Ist nun aber die Individualität von schlechter Beschaffenheit, so sind alle Genüsse wie köstliche Weine in einem mit Galle tingirten Munde.

Was nun aber, von jenen allen, uns am unmittelbarsten beglückt, ist die Heiterkeit des Sinnes: denn diese gute Eigenschaft belohnt sich augenblicklich selbst. Wer eben fröhlich ist hat allemal Ursache es zu sein: nämlich eben diese, daß er es ist. Nichts kann so sehr, wie diese Eigenschaft, jedes andere Gut vollkommen ersetzen; während sie selbst durch nichts zu ersetzen ist.

Ohne tägliche gehörige Bewegung kann man nicht gesund bleiben: alle Lebensprozesse erfordern, um gehörig vollzogen zu werden, Bewegung sowohl der Teile, darin sie vorgehen, als des Ganzen.

Das Leben besteht in der Bewegung und hat sein Wesen in ihr. Im ganzen Innern des Organismus herrscht unaufhörliche, rasche Bewegung: das Herz, in seiner komplizierten doppelten Systole und Diastole, schlägt heftig und unermütlich; mit 28 seiner Schläge hat es die, gesamte Blutmasse durch den ganzen großen und kleinen Kreislauf hindurch getrieben; die Lunge pumpt ohne Unterlaß wie eine Dampfmaschine; die Gedärme winden sich stets im motus peristalticus; alle Drüsen saugen und secerniren beständig, selbst das Gehirn hat eine doppelte Bewegung mit jedem Pulsschlag und jedem Atemzug.

Wenn nun hierbei, wie es bei der ganz und gar sitzenden Lebensweise unzähliger Menschen der Fall ist, die äußere Bewegung so gut wie ganz fehlt, so entsteht ein schreiendes und verderbliches Mißverhältnis zwischen der äußeren Ruhe und dem inneren Tumult.

Sogar die Bäume bedürfen, um zu gedeihen, der Bewegung durch den Wind.

Nicht was die Dinge objektiv und wirklich sind, sondern was sie für uns, in unserer Auffassung, sind, macht uns glücklich oder unglücklich: Dies eben besagt Epiktets: Nicht die Dinge, sondern die Meinungen über die Dinge erregen die Menschen.

Abnormes Übergewicht der Sensibilität wird Ungleichheit der Stimmung, periodische übermäßige Heiterkeit und verwaltende Melancholie herbeiführen.

Alle diejenigen, die Ausgezeichnetes leisten, sei es nun in der Philosophie, der Politik, der Dichtkunst, oder den bildenden Künsten, scheinen Melancholiker zu sein.

Der Gesundheit zum Teil verwandt ist die Schönheit.

Schönheit ist ein offener Empfehlungsbrief, der die Herzen zum Voraus für uns gewinnt.

Der allgemeine Überblick zeigt uns, als die beiden Feinde des menschlichen Glückes, den Schmerz und die Langeweile.

... je mehr einer an sich selbst hat, desto weniger bedarf er von außen und desto weniger auch können die Übrigen ihm sein. Darum führt die Eminenz des Geistes zur Ungeselligkeit. Ja, wenn die Qualität der Gesellschaft sich durch die Quantität ersetzen ließe; da wäre es der Mühe wert, sogar in der großen Welt zu leben: aber leider geben hundert Narren, auf einem Haufen, noch keinen gescheiten Mann.

... man hat in der Welt nicht viel mehr, als die Wahl zwischen Einsamkeit und Gemeinheit.

Die gewöhnlichen Leute sind bloß darauf bedacht, die Zeit zuzubringen; wer irgend ein Talent hat, - sie zu benutzen. - Daß die beschränkten Köpfe der Langweile so sehr ausgesetzt sind, kommt daher, daß ihr Intellekt durchaus nichts weiter, als das Medium der Motive für ihren Willen ist.

Weil sie nämlich keine Gedanken auszutauschen haben, tauschen sie Karten aus und suchen einander Gulden abzunehmen. O, klägliches Geschlecht!

Der Geist des Spiels nämlich ist, daß man auf alle Weise, durch jeden Streich und jeden Schlich, dem andern das seinige abgewinne.

Was einer dem andern sein kann, hat seine sehr engen Grenzen: am Ende bleibt doch jeder allein; ...

Das Beste und Meiste muß daher jeder sich selber sein oder leisten. Je mehr nun dieses ist, und je mehr demzufolge er die Quellen seiner Genüsse in sich selbst findet, desto glücklicher wird er sein.

Ist doch in der Welt überall nicht viel zu holen: Not und Schmerz erfüllen sie, und auf die, welche diesen entronnen sind, lauert in allen Winkeln die Langeweile.

Das Schicksal ist grausam und die Menschen sind erbärmlich. In einer so beschaffenen Welt gleicht der, welcher viel an sich selber hat, der hellen, warmen, lustigen Weihnachtsstube, mitten im Schnee und Eise der Dezembernacht.

Es ist eine große Torheit, um nach außen zu gewinnen, nach innen zu verlieren, d.h. für Glanz, Rang, Prunk, Titel und Ehre, seine Ruhe, Muße und Unabhängigkeit ganz oder großenteils hinzugeben. Dies aber hat Goethe getan. Mich hat mein Genius mit Entschiedenheit nach der andern Seite gezogen.

Muße ohne geistige Ausfüllung ist Tod und lebender Menschen Grab.

Reichtum des Geistes allein verdient als Reichtum zu gelten ...

Des Narren Leben ist ärger denn der Tod!

Wo viel Weisheit ist, da ist viel Grämens.

Das große Leiden aller Philister ist, daß Idealitäten ihnen keine Unterhaltung gewähren, sondern sie, um der Langenweile zu entgehen, stets der Realitäten bedürfen.

Der Reichtum gleicht dem Seewasser: je mehr man davon trinkt, desto durstiger wird man. - Dasselbe gilt vom Ruhm.

Die Quelle unserer Unzufriedenheit liegt in unsern stets erneuerten Versuchen, den Faktor der Ansprüche in die Höhe zu schieben, bei der Unbeweglichkeit des andern Faktors, die es verhindert.

Eine wohlhabende Frau, die den Umgang mit Geld gewöhnt ist, verwendet es auf kluge Art; aber eine Frau, die nach ihrer Heirat zum ersten Male über Geld verfügt, hat so starkes Gefallen am Ausgeben, daß sie es mit großer Verschwendung wegwirft.

Vielzuviel Wert auf die Meinung anderer zu legen, ist ein allgemein herrschender Irrwahn: mag er nun in unserer Natur selbst wurzeln, oder infolge der Gesellschaft und Zivilisation entstanden sein; ...

Der Unverschämtheit und Dummdreistigkeit der meisten Menschen gegenüber, tut jeder, der irgendwelche Vorzüge hat, ganz wohl, sie selbst im Auge zu behalten, um nicht sie gänzlich in Vergessenheit geraten zu lassen: denn wer, solche gutmütig ignorierend, mit jenen sich geriert, als wäre er ganz ihresgleichen, den werden sie treuherzig sofort dafür halten.

Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er verrät in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er stolz sein könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen teilt.

Wer bedeutende persönliche Vorzüge besitzt, wird vielmehr die Fehler seiner eigenen Nation, da er sie beständig vor Augen hat, am deutlichsten erkennen. Aber jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein: hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu verteidigen.

Übrigens überwiegt die Individualität bei weitem die Nationalität, und in einem gegebenen Menschen verdient jene tausendmal mehr Berücksichtigung als diese. Dem Nationalcharakter wird, ehe er von der Menge redet, nie viel gutes ehrlicherweise nachzurühmen sein. Vielmehr erscheint nur die menschliche Beschränktheit, Verkehrtheit und Schlechtigkeit in jedem Lande in einer anderen Form und diese nennt man den Nationalcharakter. - Jede Nation spottet über die andere, und alle haben recht.

Orden sind Wechselbriefe, gezogen auf die öffentliche Meinung: ihr Wert beruht auf dem Kredit des Ausstellers.

Der Mensch für sich allein vermag gar wenig und ist ein verlassener Robinson: nur in der Gemeinschaft mit den andern ist und vermag er viel.

Aus den verschiedenen Beziehungen, in denen der Mensch zu andern stehen kann, und in Hinsicht auf welche sie Zutrauen zu ihm, also eine gewisse gute Meinung von ihm zu hegen haben, entstehen mehrere Arten der Ehre.

Wer Treu und Glauben bricht, hat Treu und Glauben verloren, auf immer, was er auch tun und wer er auch sein mag: die bittern Früchte, welche dieser Verlust mit sich bringt, werden nicht ausbleiben.

Die Geschlechtsehre der Männer wird durch die der Weiber hervorgerufen, als der entgegengesetzte esprit de corps, welcher verlangt, daß jeder, der die dem Gegenpart so sehr günstige Kapitulation, die Ehe, eingegangen ist, jetzt darüber wache, daß sie ihm gehalten werde, damit nicht selbst dieses Paktum, durch das Einreißen einer laxen Observanz desselben, seine Festigkeit verliere und die Männer, indem sie alles hingeben, nicht einmal des einen versichert seien, was sie dafür erhandeln, des Alleinbesitzes des Weibes.

Ja es ist ein Trost im Alter, daß man die Arbeit des Lebens hinter sich hat.

... die Genüsse sind und bleiben negativ: daß sie beglücken ist ein Wahn, den der Neid, zu seiner eigenen Strafe, hegt. Die Schmerzen hingegen werden positiv empfunden: daher ist ihre Abwesenheit der Maßstab des Lebensglückes. Kommt zu einem schmerzlosen Zustand noch die Abwesenheit der Langenweile; so ist das irdische Glück im wesentlichen erreicht: denn das Übrige ist Chimäre.

Mit großem Rechte also singt der Dichter der Lebensweisheit:
Wer den goldenen Mittelweg liebt, der meidet,
um sicher zu sein, das schmutzig zerfallene Haus
ebenso wie den Palast, den neiderweckenden. -
Sehr oft peitschen die Winde die nächtigen Tannen, die hohen Türme stürzen in wuchtigem Fall,
und gerade die höchsten Berge treffen die Blitze.

Was jedoch die Erlangung dieser heilsamen Einsichten besonders erschwert, ist die schon oben erwähnte Gleißnerei der Welt, welche man daher der Jugend früh aufdecken sollte. Die allermeisten Herrlichkeiten sind bloßer Schein wie die Theaterdekoration, und das Wesen der Sache fehlt.

Überhaupt aber ergeht es uns im Leben wie dem Wanderer, vor welchem, indem er vorwärts schreitet, die Gegenstände andere Gestalten annehmen, als die sie von ferne zeigten, und sich gleichsam verwandeln, indem er sich nähert. Besonders geht es mit unseren Wünschen so. Oft finden wir etwas ganz anderes, ja, besseres, als wir suchten; oft auch das Gesuchte selbst auf einem ganz anderen Wege, als den wir zuerst vergeblich danach eingeschlagen hatten.

Ein ander Vergnügen, als das zu lernen, laß ich nicht gelten.

Wie der Arbeiter, welcher ein Gebäude aufführen hilft, den Plan des Ganzen entweder nicht kennt, oder doch nicht immer gegenwärtig hat, so verhält der Mensch, indem er die einzelnen Tage und Stunden seines Lebens abspinnt, sich zum Ganzen seines Lebenslaufes und des Charakters desselben.

Wie der Wanderer erst, wenn er auf einer Höhe angekommen ist, den zurückgelegten Weg, mit allen seinen Wendungen und Krümmungen, im Zusammenhange überblickt und erkennt; so erkennen wir erst am Ende einer Periode unseres Lebens, oder gar des ganzen, den wahren Zusammenhang unserer Taten, Leistungen und Werke, die genaue Konsequenz und Verkettung, ja, auch den Wert derselben.

Viele leben zu sehr in der Gegenwart; die Leichtsinnigen. Andere zu sehr in der Zukunft: die Ängstlichen und Besorglichen. Selten wird einer genau das rechte Maß halten.

Denn die Ferne, welche dem Auge die Gegenstände verkleinert, vergrößert sie den Gedanken. Die Gegenwart allein ist wahr und wirklich: sie ist die real erfüllte Zeit, und ausschließlich in ihr liegt unser Dasein.

Tausend heitere, angenehme Stunden lassen wir, mit verdrießlichem Gesicht, ungenossen an uns vorüberziehen, um nachher, zur trüben Zeit, mit vergeblicher Sehnsucht ihnen nachzuseufzen.
 


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