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Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik

 











Die Traurigkeit der Handlungsreisenden

Frank Jakubziks meisterliche Erzählungen

aus den kapitalistischen Jahren
»In der mittleren Ebene«
 

Von Lothar Struck

 

"Erzählungen aus den kapitalistischen Jahren" wählt Frank Jakubzik als Untertitel für seinen Band "In der mittleren Ebene". Man stutzt ein wenig: Ein Abgesang auf den Kapitalismus, der, wie es scheint, doch keinesfalls dem Untergang geweiht zu sein scheint? Nach der Lektüre des Buches wird die Intention deutlicher. Gezeigt wird eine Welt, die es in dieser Form womöglich bald tatsächlich nicht mehr geben wird. Es ist die Welt der durchorganisierten Unternehmen und starren Hierarchien, der Zielvorgaben, des Fetischs des Wachstums und der feschen Anglizismen. Auch wenn es sich in den Erzählungen um das fiktive Software-Unternehmen McWorthy handelt, ist die Organisation der "Old Economy" dominierend. Die Hauptakteure sind die Angestellten der mittleren Leitungsebene, vom Techniker und Entwickler über den Kunden- bzw. Außendienst bis zum sogenannten "Vertriebler". McWorthy ist ein globales Unternehmen mit Niederlassungen und Kunden nicht nur in Europa sondern auch in den USA, Südamerika und Asien, gilt aber nach der Definition immer noch als Mittelständler. Die Strukturen ähneln jedoch denen eines Großkonzerns. Schon der Deutschland-Chef ist eine unerreichbare, fast mythische Figur. Einmal heißt es, dass sogar seine physische Abwesenheit eine Aura erzeugt. In der ersten Erzählung "Führung" werden kurz die Maßnahmen erläutert, die Schiffner-Sender, der neue Deutschland-Chef, eingeleitet hat, um das Haus gegen einen zunehmenden Wettbewerb erfolgreicher als bisher am Markt zu positionieren.

Jakubziks Protagonisten sind "Saleslemminge" und "klinkenputzende(n) Nomaden", die ihren Kunden, den "Selbstverständlichtuern", Software-Produkte verkaufen müssen Dabei treffen sie oft genug auf Personen, die in ihren Unternehmen gar nicht entscheidungsbefugt sein werden was sich unter anderem darin zeigt, dass sie "im Meer der Kritteleien" dem potentiellen Verkäufer die präzisesten Fragen zum Produkt stellen. (Die Entscheidungen werden nachher auf einer anderen Ebene getroffen; da geht es kaum mehr originär um die Sache.) Oder es sind Serviceleute, die beispielsweise von einem London-Aufenthalt kurzerhand nach Norwegen dirigiert werden (Familie hin oder her) und die Abende in Hotels mit "kantigem Zauber", öden Zimmern mit fehlender Minibar und überfüllten Hotellounges mit Fußballübertragungen fristen. Ihnen gemein ist: Sie sind Empfänger von Weisungen. Aber dieser Terminus taucht nie auf. Stattdessen wird der Euphemismus des Berichtswesens kultiviert: Wer berichtet an wen? Das heißt: Wer ist wem Rechenschaft über sein Tun, seine Zahlen, seine Erfolge und Misserfolge, verantwortlich? Diese Frage ist essentiell für den innerbetrieblichen Status und dementsprechend für die eigene Karriere. Wird etwa jemandem "berichtet", der auf dem absteigenden Ast verortet wird, d. h. in der Gunst der Vorgesetzten aus welchen Gründen auch immer gefallen ist, ist das eigene Ansehen im Haus ebenfalls nur gering.

Neben den enthusiasmierten Enddreißigern, die noch an die Sache, an das Unternehmen, die Parolen und "all die Initiativen, Incentives, Quotierungen" glauben, kommen auch die desillusionierten Businessmen von Mitte 50 vor. In einer der intensivsten Geschichten ("Ein Schwächeanfall") sitzt einer davon in einem Hotel in Braunschweig vor seinem Laptop und spürt, dass er nur noch wenige Minuten zu leben hat. Kaum dass er an die Familie denkt, aber drei große Siemens-Aufträge hatte er einmal binnen kurzer Zeit an Land gezogen. Und die brachten ihm vom "Director Sales Worldwide" ein anerkennendes Nicken in einem Tagungshotel. Dreißig Jahre Arbeit und ein Nicken: Nein, es geht nicht um Geld, sondern um Aufgehobenheit und Anerkennung. Aber dort, wo systematisch monetarisiert ist, sammelt sich am Ende Frustration und Gleichgültigkeit.

In einer anderen, episodischen Erzählung ("Schrumpfende Margen") entdeckt ein 55jähriger die Eiskugeln in den Eisdielen als Sensorium für die Veränderung in der Welt. Diese würden immer kleiner werden und, vor allem, an Intensität, an Geschmack verlieren. "Man kann nichts dagegen tun. Das Leben wird schneller" und "die Eiskugeln kleiner". Längst empfindet er keine Freude mehr an der Arbeit. Die Sekretärin steht auf, als er den Raum betrat und die Sachen einsammelt. Ist er gefeuert worden? Es bleibt offen. Aber wenn, dann wäre es vielleicht auch eine Befreiung. Aber das muss man erst sehen.

Und dann war da Dr. Wagner, wie sich Kessler erinnert ("Führung"). Beide waren unterwegs zu einer Präsentation und hielten an der Tankstelle. Wagner fragte einen Mechaniker nach dem Wetter. Verlegen putzte sich der Mann die schmutzigen Hände an einem schmutzigen Tuch ab. Sein Wetterbericht wird dann leicht abgeändert später die Marktprognose von Wagners Präsentation vor dem Kunden. Führungsarbeit ist, so weiss Kessler, "pure Intuition, reines Geschwafel, freischwebend eingebildete Visionen".

Aber wie kommt man auf solche Positionen? In "Oben" wird ein Werbefilm mit dem Deutschland-Chef und dem Vorstand McWorthys größtem Kunden gedreht. Gedreht wird vom Dach des Lufthansa-Sky-Chefs-Gebäude. Unten stehen die  auf einem Flecken Grün zwischen heftig befahrenen Autobahnen. Ein spontaner Einfall eines Angestellten. Aber die Einstellungen funktionieren nicht; es ist windig, die Anweisungen über das Funkgerät kommen nicht an. Die Männer unten wirken hilflos. Plötzlich bekommt der "Regisseur" ein Machtgefühl: Er ist oben, die beiden Chefs unten, im Unterholz und Autobahnlärm herumirrend. Geht es ihm, dem Angestellten, vielleicht untergründig darum, die beiden zu demütigen, wenigstens einmal und zwar so, dass sie es nicht merken? Aber er erkennt, dass dies gar nicht möglich ist: "Diese Leute" lassen sich nicht demütigen. "Zu einer Unterwerfung voller Niedertracht gehören immer zwei. Wer sich eine Demütigung anmerken läßt – und damit in letzter Konsequenz: er sie überhaupt nur empfindet -, wird niemals Chef eines Dax-Konzerns".  

Um Herabsetzung geht es auch in "Statement", einer Geschichte in der Pedersen, Geschäftsführer eines mittelständischen Kunden, für einen Auftritt als Referenzkunde in den USA vorbereitet werden soll. Im Subtext wird schnell deutlich, dass er für diesen Auftritt ungeeignet ist. Das zähe Verlassen der Silben aus dem "Geschäftsführermund" (zwischendurch könne man Skat spielen) schildert Jakubzik mit großer Akribie; der Mann ist rhetorisch für diese Aufgabe überfordert. Fast eine Situation wie bei Loriots "Lottogewinner". Aber dennoch erscheint Pedersen in der Erzählung nicht als Trottel – eher diejenigen, die mit ihrer Kamera und dem Equipment unbedingt dieses Video drehen wollen, erscheinen plötzlich als Kleingeister, weil ihr Interesse gar nicht den Aussagen des Kunden gilt, sondern nur dem Mehrwert, mit dem dieser vermarktet werden soll.

"Wie Wasser" ist die Variation und Fortschreibung von "Statement". Dieses Mal sind es die Outtakes einer Videopräsentation, die Versprecher und "fachmännischen Verhaspler" eines Dr. Braune, seines Zeichens Experte für "modulare Systemarchitekturen", die zur Erheiterung vor allem der Vertriebler als Zwischenspiel auf einer Tagung abgespielt werden. Braune hatte zugestimmt, aber das befreiende Lachen über sich selber verwandelt sich als er den Waschraum des Tagungshotels aufsucht in eine Mischung aus Frustration und Zorn. "Was habe ich getan, daß ich so vorgeführt wurde?" Jeden "Scheiß" müsse man mitmachen, so Braune am Waschbecken sinnierend. Am liebsten wäre er auf die Bühne gegangen und "hätte aus dem Stegreif einen Vortrag herhalten – nur, um es ihnen zu beweisen". Stattdessen nutzte Schiffner-Sender die allgemeine Heiterkeit um die ewiggleichen Appelle und Parolen ("Opfer bringen, den entscheidenden Schritt mehr machen, uns noch entschlossener reinhauen…") zu verbreiten.

Es ist dieses "Mittel-zum-Zweck"-Denken und die hieraus entstehende schicksalhaft-verzweifelte Melancholie des Angestelltendaseins, für die Jakubzik stimmige und einprägsame Bilder findet. In "Tanzbär" ist einer während eines Firmenfestes mit Kunden, Live-Band und Sänger angeödet und rekapituliert die falschen Vergnügungen, die sich ihm seit jeher bei solchen Feiern eingestellt haben, bis er plötzlich, sei es aus Resignation oder aus Konformität, trotzdem anfängt sich tanzend in die Masse einzufügen. Wie fragil das Selbstbewusstsein ist zeigt sich auch in "Aus dem internationalen Luftverkehr", als auf einem Transatlantikflug plötzlich jemand von der Stewardess aus der Business Class in den vorderen Teil gerufen wird und noch einen Moment warten soll. Die Maschine ist überbucht und die beiden McWorthy-Leute haben nur mit Glück das Ticket erhalten. Aber was passiert jetzt? Muss er den Flieger wieder verlassen? Das stundenlange Sitzen neben dem Kollegen gefällt ihm eigentlich nicht, daher wäre es nicht schlimm. Aber er möchte Klarheit, wird aber auf einer Art Warteposition alleine gelassen. Schließlich kommt ein anderer, jüngerer Mann an ihm vorbei – und geht in die First Class. Er wird zurück zum Platz neben dem ungeliebten Kollegen begleitet. Ein Upgrade war vorgesehen. Und nun ist er enttäuscht, weil er wieder zurück muss. Da sind sie wieder, die kleinen Demütigungen.

Zuweilen träumen die Protagonisten noch. Etwa ein Mensch namens Bauer, der von der Leitung einer kleinen, aber feinen Filiale in Brasilien träumt, eine mit "Wellblechrollo vor der Eingangstür" und drei oder vier Angestellten, darunter ein engagierter Einheimischer im Außendienst, dem es mehr auf Kundenpflege als auf die Provision ankommt und sich eine hübsche, stolze und doch sinnliche Sekretärin imaginiert (die auch noch so heißen darf), die er vor den Zudringlichkeiten anderer beschützt. "Glühende Augen, funkelnder Optimismus" – so die Sehnsucht, die im Alltag des Frankfurter Haupthauses längst verschwunden ist.

Der Erfolg ist immer ephemer, ein Prozess, der in Zyklen verläuft, denen man ausgeliefert ist. Da stirbt in "Epitaph für Hans-Günter Kremers" ein nur durch Rundschreiben aufgefallener Kollege – und der Erzähler bekommt just die Stelle des Verstorbenen zugewiesen. Ein Vorschlag, der nicht abgelehnt werden kann. Oder, die letzte Geschichte über eine mehr als zwanzigjährige Liebe zwischen Jakob und Elvira, die in einer Mischung aus Gerücht und Märchen erzählt wird. Zwei Angestellte, die hin-und hergeschickt werden, ihr Privatleben durch die zahlreichen Versetzungen kaum gestalten können, sich trennen obwohl sie noch nie längere Zeit zusammen gelebt haben, ihre Liebe wieder entdecken, schließlich sogar heiraten und schließlich endlich gemeinsam in Atlanta, USA,  leben. Das traurige Ende (das Jakubzik etwas vorhersehbar an einer frühen Stelle vorbereitet) soll hier nicht verraten werden.

Zwei Geschichten driften am Ende ins Surreale ab. Zunächst verfolgt man in "Die Brücke im Wald" mit Interesse dem Erzähler, der unvermittelt zu einem Kundentermin nach Oslo beordert wurde und dort am späten Abend ankommt. Es ist Mittsommer und das Hotel ist am Waldrand gelegen. Ein merkwürdiges Licht. Er spaziert in den Wald hinein und kommt zu einer Brücke. Wenn er über diese Brücke gehe, dann würde er, so urplötzlich das komische Gefühl in ihm, sein bisheriges Leben (Arbeits- wie Privatleben mit Partnerin) unwiderruflich hinter sich lassen. Er würde nicht mehr zurückfinden zum Hotel, müsste sich mit dem, was er bei sich trägt, Peter-Stamm-haft eine neue Existenz in einem wildfremden Land aufbauen. Jetzt sein Leben ändern? Für ein paar Sekunden überlegt er, weil der Gedanke auch eine gewisse Faszination beinhaltet, aber dann siegt der Pragmatismus und er geht wieder zurück zum Hotel. Dabei wird er nun in einer sehr merkwürdigen Szene von einem Mann vergewaltigt, der ihn nach dem Akt wieder freilässt. Zerrupft und müde kommt schließlich an; man bemerkt ihn nicht. Immerhin, so tröstet er sich, hat er für den Termin am nächsten Tag noch ein frisches Hemd und einen gereinigten Anzug im Gepäck. Hat die Vergewaltigung überhaupt stattgefunden? Oder ist sie die Metapher für die Rückkehr in den gewohnten Trott? Ähnlich traumhaft geht es in "Das fliederfarbene Cabriolet" zu. Eine Heimfahrt vom Büro endet in einem phantastisch-rätselhaften Szenario.

Jakubzik kann aus kleinsten Settings meisterhafte Verdichtungen evozieren. In "Regen" verlassen sechs Manager ein Meetinghotel in New York und wollen in ihre Quartiere oder Wohnungen zurück. Sie finden kein Taxi und haben nun einen Weg von rund 25 Minuten durch das nasskalte New York vor sich. Sofort wird die Afterwork-Tristesse der Protagonisten eingefangen: "Sie trugen alle lediglich leichte Jacken über den Busineßanzügen", stellten ihre Kragen hoch um den Regen nicht hineinzulassen."Auf der nassen Straße glänzten Lichtreflexe aus Büroetagen, die erschrocken erloschen, wenn ein Auto hindurchfuhr". Immer noch "fanden [sie] sich prima", aber es ist nur ein Selbstschutz, wie ihre Körpersprache zeigt. Eben noch im Geschäftsgespräch und im Smalltalk der Anekdoten verstrickt, kann man ihnen beim Verlorengehen zusehen. Winzige Menschlein in der Metropole, in der lange Fußwege fast schon exotisch wirken. Dann trennt man sich von den Einheimischen und einer der Deutschen versucht seine Frau anzurufen. Er möchte einkaufen und muss sich von ihr seine Hosengröße erfragen. Was für ein Bild.

Diese Welt der mittleren Angestelltenebene(n) kommt in Literatur und Film kaum vor. Vor vielen Jahren gab es die Abschaffel-Romane von Wilhelm Genazino, wobei die Hauptfigur eher ein Kauz war denn ein Bild eines Angestellten seiner Zeit. Im letzten Jahr erzählte Ulrich Peltzer von der Baby-Boomer- und 68er-Generation, von denen es einige in die gehobene Mittelschicht geschafft hatten und nun kritisch ihre Lebensentwürfe und –träume mit dem Status quo verglichen. Peltzer fand luzide Bilder von Menschen, die ahnen, dass die guten Jahre vorbei sind und eigentlich zu klug geworden sind, den Glücksversprechungen noch Glauben zu schenken. Die meisten fiktionalen Bearbeitungen aus der Welt der Ökonomie zeigen allerdings der Einfachheit halber nur skrupellose Finanzjongleure, hochmütige Vorstandsvorsitzende oder selbstherrliche Inhaber, die am Ende an ihrer Gier scheitern – oder, seltener, das "wahre Leben" noch rechtzeitig erkennen und aussteigen. Die kathartische Wirkung beim Publikum ist beim Fall des Unsympathen garantiert. Der Neid wird durch Schadenfreude neutralisiert und so erscheint das eigene Angestelltendasein irgendwie erträglicher.

Frank Jakubzik hat alles anders gemacht. Zunächst hat er der Versuchung widerstanden, einen Roman zu schreiben. Stattdessen gibt es siebzehn Erzählungen, die zwar lose miteinander verbunden sind, aber unterschiedliche Personen in den Fokus rücken. Zudem variiert er die Erzählpositionen. Mal auktorial oder personal, dann ein Ich-Erzähler oder, wieder anders, eine Art Anrede an die Figur. Der Autor beherrscht all diese Perspektiven und Rhythmen souverän. Womit allerdings nicht die gleichgültig-geschmeidige Realismusschreibe gemeint ist, die mit ihrer aalglatten, womöglich am Katheder erlernten Makellosigkeit eher Langeweile erzeugt. Zudem weiß der Autor, wovon er schreibt, aber er schreibt eben keine Reportagen oder gar naturalistische Prosa, sondern er verwandelt das, was er vorfindet, in Literatur.

Dabei gibt es weder einen dauerironischen Augenzwinkerton noch werden die Figuren vorgeführt. Und auch wer eine moralinsaure Rollenprosa gegen den bösen globalisierten Kapitalismus erwartet, wird enttäuscht. Und so wird dem Leser sowohl sein eigenes Spiegel-  als auch sein Zerrbild vorgeführt. Er wird gezwungen zwischen Identifikation und Abgrenzung mit den Protagonisten zu balancieren. Aber man wird die Figuren nicht mehr los. Sofern man jemals in der Angestelltenwelt der "Old Economy" gearbeitet hat (oder noch arbeitet) wird man sich zu oft sich selber erkennen und sei es in der schalgewordenen Zuversicht der Formulierung des besseren Umsatzziels (das man in der Prognose für das neue Jahr einfach um 20% höher ansetzt als man es jemals glauben kann), eines neu zu erwartenden neuen Arbeitsfeldes oder der Aussicht auf einen größeren Kundenstamm. All dies obwohl man längst weiß, dass die Zukunft längst nichts mehr mit der Vergangenheit zu tun hat.
 

Frank Jakubziks Erzählungen berühren und bewegen den- oder diejenigen, die in diesen Strukturen gearbeitet und auch gelebt haben oder noch arbeiten und leben. Sie zeigen auf exemplarische Art und Weise, wie die Gesellschaft durch solche Strukturen auch deformiert wird. Der Schock, den der Leser zuweilen bekommt (weil er sich zu ähnlich gezeichnet sieht), sitzt tief. Die Leute der "mittleren Ebene" sind Gefangene: Sie können eigentlich nicht mehr arbeiten, aber aufhören können sie auch nicht, weil sie den Versprechungen des grenzenlosen Konsums gefolgt sind und weitermachen müssen. Emblematisch zeigt sich dies an dem permanenten Blick auf die Uhr, weil sie sofort wieder die abgelesene Uhrzeit vergessen. Eine Übersprunghandlung. "Stümperklitschen stümpern unverändert weiter", heißt es einmal. Und dies gilt nicht nur für die "Stümperklitschen", sondern auch für diejenigen, die hier arbeiten. Dabei hatte man mal Ambitionen und Visionen. Inzwischen ist auch das Wort "Vision" nur als Synonym für Wachstum geworden. Frank Jakubzik evoziert die Leere und Ausweglosigkeit einer Arbeitswelt, in der Millionen Menschen arbeiten müssen. Und das macht er großartig.

Artikel online seit 24.11.16
 

Frank Jakubzik
In der mittleren Ebene
Erzählungen aus den kapitalistischen Jahren
edition suhrkamp 2707, Broschur, 160 Seiten
16,00 €
978-3-518-12707-0

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