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Science-Fiction als Erkenntnisquelle? |
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Science-Fiction lebt von wissenschaftlich-technischen Spekulationen über die Zukunft des Menschen in einer durch neue Medien und Technologien veränderten Umwelt. Dietmar Daths „Niegeschichte“ zufolge ist das Genre gerade deshalb so relevant für die Zukunft des Menschen, weil Science-Fiction – auf Streaming-Portalen, im Radio, Comic und Buch – auf ganz besondere Weise und mit dem Anschein wissenschaftlicher Exaktheit davon erzählt, was nie stattfinden wird. Denn die fernen Galaxien, Teleportationen und gigantischen Positronengehirne, die Eloi und Morlocks, die Halb-Vulkanier und Hyperraum-Umgehungsstraßen als auch die Schlachten von Korriban bleiben: Fiktion. Doch als Erkenntnisinstrument schärft Science-Fiction den Blick auf die Gegenwart, weshalb sie für Dath das zentrale literarische Genre ist. Auch die von Charlie Brooker kreierte britische Netflix-Serie „Black Mirror“ buchstabiert die Aus- und Nebenwirkungen moderner Technologien durch und bezieht sich im Titel explizit auf den kalten Bildschirm eines Computers oder eines Smartphones. In 6 Staffeln mit aktuell insgesamt 27 Folgen zeichnet die unkonventionelle und äußerst beliebte Dramaserie alternative Realitäten und übersinnliche Fähigkeiten nach, wobei die einzelnen Episoden an bekannte Entwicklungen im digitalen Zeitalter anknüpfen. Jede Folge ist in sich abgeschlossen, doch hin und wieder gibt es thematische Bezüge und Verweise zu anderen Geschichten der Serie.
Der Wuppertaler Phänomenologe Alexander Schnell hat nun die Serie als Sujet
einer eindringlichen Diskursanalyse ausgewählt und erörtert die Philosophie von
„Black Mirror“, die insbesondere in einer neuartigen Realitätsauffassung
bestünde. Die Handlung ist oftmals furchteinflößend, das Setting düster,
dystopisch. Wie sich diese Auffassung auf Grundaspekte der menschlichen Existenz
auswirkt, ist Kernfrage des Essays. Schnell arbeitet heraus, wie in „Black
Mirror“ verschiedenste philosophische Thesen in Geschichte und Gegenwart
aufgegriffen und in Szene gesetzt werden.
Der These, dass Science-Fiction bereits für sich epistemologisch wirkt, ist
somit eher nicht beizupflichten. Es bedarf vielmehr der philosophischen
Reflexion, wie Schnell sie leistet. Dennoch hat sie einen Mehrwert, weil sie der
Kühle wissenschaftlicher Erkenntnis die Phantasie an die Seite stellt und somit
– wie der Tübinger Erziehungswissenschaftler Markus Rieger-Ladich das einst
formulierte – als eine „Erkenntnisquelle eigener Art“ und als „Archiv
aggregierter Erfahrungen“ fungiert, das den wissenschaftlichen Diskurs immer
wieder zu befruchten versteht. |
Alexander
Schnell
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