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Philosophie hat Konjunktur

Wolfram Eilenbergers erzählerischer Ansatz macht Philosophie
einem breiten Publikum zugänglich ohne sie zu trivialisieren.

Von Herbert Debes
 

In unserer Zeit rasanter technischer, gesellschaftlicher und ökologischer Veränderungen erlebt die Philosophie eine überraschende Renaissance. Immer häufiger tauchen  philosophische Themen in den Medien auf, Podcasts und Talkshows mit Philosoph:innen jeglicher Qualität erfreuen sich großer Beliebtheit, und Begriffe wie »Ethik«, »Sinn« oder »Gerechtigkeit« prägen die Debatten. Wir erleben eine nahezu alles umfassende Krise klassischer Sicherheiten. Werte und Normen, die lange Zeit als selbstverständlich galten, verlieren rasant an Verbindlichkeit. Politische Systeme geraten ins Wanken, die soziale Ungleichheit wächst scheinbar unaufhaltsam, und die Zukunft verspricht nichts Gutes. In Zeiten des Umbruchs entsteht das Bedürfnis, die Grundlagen unseres Zusammenlebens neu zu denken. Die Philosophie fragt nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Verantwortung – nach dem, was bleibt, wenn Gewissheiten brüchig werden.
Dazu stellt sie im besten Falle Werkzeuge bereit, um in dieser komplexen und unsicheren Welt Orientierung und Haltung zu finden. Sie hilft, kritisch zu denken, Werte zu prüfen und das eigene Leben bewusster zu gestalten. In diesem Sinne ist sie nicht Luxus des Denkens, sondern eine gesellschaftliche Notwendigkeit. In einer pluralistischen, säkularisierten Gesellschaft, in der traditionelle Deutungsrahmen an Einfluss verlieren, fehlt es Vielen an Orientierung. Philosophie kann hier eine Art geistige Heimat bieten, freilich nicht durch wohlfeile Antworten, sondern durch die Fähigkeit, die richtigen Fragen zu stellen und selbst zu denken.

Einen verständlichen Einstieg in die Welt der Philosoph:innen, die unser Denken und Handeln seit Beginn des 20. Jahrhunderts in Europa maßgeblich beeinflußt haben, bietet uns
Wolfram Eilenberger an. Der langjährige Chefredakteur des »Philosophie Magazins« und der wohl zurzeit auffälligste Vermittler von Geistesgeschichte im deutschsprachigen Raum, erweckt  in seinem Band 1 der Trilogie »Die Explosion des Denkens« die Philosophie der Zwanziger Jahre und mit ihr ein ganzes Jahrzehnt zwischen Lebenslust und Wirtschaftskrise, Nachkrieg und aufkommendem Nationalsozialismus zum Leben:

»Zeit der Zauberer«
Der kometenhafte Aufstieg Martin Heideggers und dessen Liebe zu Hannah Arendt. Der taumelnde Walter Benjamin, dessen amour fou auf Capri mit der lettischen Anarchistin Asja Lacis ihn selber zum Revolutionär macht. Der Genius und Milliardärssohn Wittgenstein der, während er in Cambridge als Gott der Philosophie verehrt wird, in der oberösterreichischen Provinz vollkommen verarmt Grundschüler unterrichtet. Und schließlich Ernst Cassirer, der Jahre vor seiner Emigration in den bürgerlichen Vierteln Hamburgs am eigenen Leib den aufsteigenden Antisemitismus erfährt. In den Lebenswegen und dem revolutionären Denken dieser vier Ausnahmephilosophen findet Wolfram Eilenberger den Ursprung unserer heutigen Welt begründet.

»Feuer der Freiheit«
Die Jahre 1933 bis 1943 markieren das schwärzeste Kapitel der europäischen Moderne. Es ist ein Jahrzehnt der politischen Extreme. Die Weltwirtschaftskrise setzt die Demokratien des Westens unter Druck. Aus der Angst und Verarmung der Massen erwächst die Sehnsucht nach starken Führungsgestalten. In Deutschland ergreift Hitler die Macht und führt die Welt in einen weiteren Weltkrieg. Der Sog des Totalitarismus bestimmt das Alltagsleben. Kein Individuum kann sich dem entziehen. Unterdrückung und Flucht sind die Folge. Zuerst stirbt die Freiheit, dann die Menschen. In dieser Zeit legten vier Philosophinnen, auf je eigene Weise, das gedankliche Fundament für eine wahrhaft freie, emanzipierte Gesellschaft. Bis heute steht ihr Wirken beispielhaft für die erneuernde Kraft des Denkens in finsterer Zeit: Simone de Beauvoir, Simone Weil, Ayn Rand und Hannah Arendt, ihre visionären Ideen: zum Verhältnis von Individuum und Gesellschaft, von Mann und Frau, von Sex und Gender, von Freiheit und Totalitarismus, von Gott und Mensch. Ihr abenteuerlicher Weg führt sie von Stalins Leningrad bis nach Hollywood, von Hitlers Berlin und dem besetzten Paris bis nach New York; vor allem aber zu revolutionären Gedanken, ohne die unsere Gegenwart nicht dieselbe wäre. Ihre Existenzen als Geflüchtete, Aktivistinnen und Widerstandskämpferinnen erweisen sich dabei als gelebte Philosophie und legen eindrucksvoll Zeugnis von der befreienden Kraft des Denkens ab.
Ein mitreißendes Buch über vier globale Ikonen, die am Abgrund des 20. Jahrhunderts beispielhaft und mit bis heute weltweiter Wirkung verkörperten, was es heißt, ein wahrhaft freies Leben zu führen.

»Geister der Gegenwart«
Welche Philosophie kann uns heute noch leiten? Auf den Spuren von Theodor W. Adorno, Susan Sontag, Michel Foucault und Paul K. Feyerabend entwirft »Geister der Gegenwart» ein großes Ideenpanorama der westlichen Nachkriegszeit. Wolfram Eilenberger führt uns vom Aufbruch der Nachkriegszeit in eine neue, kritische Aufklärung, direkt zu den Bruchlinien unserer Zeit. Im Winter 1949 kehrt Theodor W. Adorno aus den USA ins zerstörte Frankfurt zurück, Paul K. Feyerabend kriegsversehrt nach Wien. Wunderkind Susan Sontag besucht Thomas Mann in Los Angeles. Der junge Michel Foucault begeht in Paris einen weiteren Selbstmordversuch. Als Folge der Weltkriegskatastrophe suchen diese vier Selbstdenker ihren Weg in ein neues Philosophieren. Über die kommenden Jahrzehnte revolutionieren sie die Art und Weise, wie wir über unsere Gesellschaft, Kultur und Wissenschaft nachdenken.

Für Wolfram Eilenberger ist Philosophie keine realitätsferne Disziplin, sondern ein Medium der Selbstverständigung einer Epoche. »Vermittels Philosophie« -durch das Denken selbst wird das Zeitalter sichtbar – Philosophie als Spiegel und Motor kultureller Transformation. Mit seinem erzählerischen Ansatz macht er Philosophie einem breiten Publikum zugänglich ohne sie zu trivialisieren.

Artikel online seit 02.11.25

 

Wolfram Eilenberger
Die Explosion des Denkens
Philosophie im 20. Jahrhundert
Dieses E-Book enthält die GOLDEDITION –
Limitierte Sonderausgabe
»Zeit der Zauberer«
»Feuer der Freiheit«
»Geister der Gegenwart«
Klett-Cotta
1328 Seiten
epub 19,99 €
978-3-608-12547-4

Wolfram Eilenberger
Zeit der Zauberer

Das große Jahrzehnt der Philosophie 1919 - 1929
Klett-Cotta
432 Seiten, broschiert, mit zahlreichen s/w-Abb.
15,00 € TB 25,00 € (Hardcover)
978-3-608-96451-6 / 978-3-608-94763-2

Wolfram Eilenberger
Feuer der Freiheit

Die Rettung der Philosophie in finsteren Zeiten (1933–1943)
396 Seiten, Taschenbuch, mit Bildtafel
14,00 € TB 25,00 € (Hardcover)
978-3-608-98512-2 / 978-3-608-96460-8

Wolfram Eilenberger
Geister der Gegenwart

Die letzten Jahre der Philosophie und der Beginn einer neuen Aufklärung 1948 – 1984
Klett-Cotta
496 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, mit Tafelteil
28,00 € (Hardcover) 16,00 € TB
978-3-608-98665-5 / 978-3-608-98918-2


 


 

 


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