Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik

 

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Heribert Prantl
Die Kraft der Hoffnung
288 Seiten
Süddeutsche Zeitung Edition
24,00 €
978-3-86497-423-6


Niederauffahrt einer Edelfeder

Heribert Prantl erreicht die Altersgrenze & verdreifacht sich

Von Wolfram Schütte

Scheinbar erst im allerletzten Moment, Ende Februar, überraschte die »Süddeutsche Zeitung« ihre Leser mit der Meldung, dass ihr bundesweit bekanntestes Redaktionsmitglied, das linksliberale »Aushängeschild« Heribert Prantl, »ab März alle seine Ämter bei der SZ« aufgebe; schob aber zur sofortigen Verhinderung einer Panikattacke der Prantl-Follower beruhigend hinzu, dieser vielseitig-dauerpräsente Kommentator bleibe dem SZ-Publikum mit einer samstäglichen Kolumne, einem sonntäglichen Newsletter & einem Videoblog, mithin wie Gottvater, Sohn & Heiliger Geist, gleich dreifaltig erhalten.
Als »Mitglied der Chefredaktion« & zuletzt stilistischer Oberputzmeister der Meinungsseite tritt er zwar zurück, aber nur, um noch mehr Zeit & Raum zu haben, von nun an lustvoll in allen Publikationsmedien der SZ wöchentlich seine individuelle Kür zu laufen. (Dafür wurden die bisherigen Samstagskolumnisten aus dem nobilitierten Wochenendprodukt entfernt & auf den Freitag umgetopft.: eine kleine journalistische Gentrifizierung vom Feinsten.)

Einerseits hatte der umtriebige Hans-Dampf-in-allen-Gassen schon seit einiger Zeit seinen klandestinen Rückzug aus den zeitraubenden »niederen« Redakteurs-Arbeiten der Zeitung vorbereitet: indem er das jahrelang von ihm nominell geführte Innenressort der SZ an Ferdos Ferudastan ab- & damit auch gleichzeitig seine regelmäßige sonntägliche Präsenz im »Internationalen Frühschoppen« der ARD aufgab.

Dafür wurde er in der SZ, nicht ohne Murren in der Redaktion (wo der Stolze nicht nur Freunde hat), als stilistischer Schulmeister der Kommentarseite bestallt. Mit seinem, von ihm selbst so genannten Diamant-Ressort sollte Prantl »künftig den Meinungsbeiträgen noch mehr Glanz und Schliff verleihen«, indem er alle redaktionellen Äußerungen rhetorisch zuspitzend auf sein stilistisches Niveau erhob & damit veredelte. Es fragt sich allerdings, ob dieser redaktionelle Aufstieg Prantls im vergangenen Jahr bloß von temporärem Erfolg gekrönt war oder nur (auch) kollegialen Missmut über den schier unangreifbar Populären & allzeit bereiten Meinungsfreudigen provoziert hatte.

Andererseits ist der edelsten der »Edelfedern« der SZ jetzt möglicherweise »eine Laus über die Leber gelaufen« & Prantl hat, aus Ärger darüber, dass er ja Ende Juli üblicherweise hätte in Pension gehen müssen, ultimativ gefordert, dass man ihn ein halbes Jahr früher einerseits von den redaktionellen Verpflichtungen freistellt, andererseits ihm zeitgleich die drei eigenen Verlautbarungsmöglichkeiten (s.o.) bereitstellt.

Dabei wurde seine »Erreichung der Altersgrenze« mit der Vollendung des 65. Lebensjahrs Ende Juli 2019 so weit wie nur möglich verschleiert. Mir fällt da vergleichsweise die einmal geläufige & auch manchmal selbst noch von heutigen Feministinnen geforderte Courtoisie ein, das Alter einer (älteren) Frau zu verschweigen.  

Jedenfalls konnte Prantl, wie wohl kein zweiter im derzeitigen deutschen Journalismus, die Verleger der SZ nach seiner Pfeife tanzen lassen, & sie waren doch so klug, will sagen in diesem Fall »geschäftstüchtig« genug, um mit dem journalistigen Pfund(skerl) zu wuchern!

P.S. Heribert Prantls wundersam geheime Verabschiedung in die Pensionierung & seine vorzeitig eingetretene dreifache Wiederauferstehung als SZ-Kolumnist ist zugleich ein aktuelles Zeichen dafür, dass auch der seriöse deutsche Printjournalismus in der andauernden Geschäfts-Krise auf die Attraktivität individueller Meinungskolumnisten setzt. Prantl hat sich sein Renommee & das damit so wichtige Vertrauen bei seinen Lesern durch die strukturelle Kontinuität seines argumentierenden
Urteil(en)s jahrzehntelang erschrieben & bindet als »wiedererkennbare« Person zumindest seine »Follower« innerhalb der Leserschicht. Da die Wahl eines regelmäßig erscheinenden Printmediums immer häufiger zu einer bewussten, wo nicht sogar existenziellen Entscheidung für Leser wird, werden solche, ihre eigene Tradition bildende journalistische Solitäre immer überlebensnotwendiger für die Printmedien.


Artikel online seit 14.03.19
 

 


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