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Denken und dann Dekantieren |
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»Was heißt denken?«, fragt Peter Sloterdijk in seinen jüngsten Notizen aus den Jahren 2011-2013. Seine Antwort fasst die Geschichte der Philosophie von der Panchagni vidyā über Heraklit und Platon bis hin zu Jonathan Storm aus Marvels Fantastic Four in einem einzigen, genialen Satz zusammen: Denken heißt »Feuer in Papiertüten transportieren.« In Sloterdijks Transportunternehmung fahren aber auch Hegel, Nietzsche und Heidegger anthropologisches Gefahrengut durch das Treibhaus des Allzumenschlichen. »Vorsicht, entflammbar und hochexplosiv« steht als Warnhinweis auf der Papiertüte seiner Gedanken. In dem vom Cheflektor des Suhrkamp Verlages, Raimund Fellinger, herausgegebenen Band »Polyloquien« zeigt sich Peter Sloterdijk einmal mehr als pyrotechnischer Primus, dessen Feuer mal Lunte und mal Sprengmittel ist. Man kann von Glück sagen, dass Fellinger eine Gebrauchsanweisung für dieses intellektuelle Flammenmeer an die Hand gibt. Polyloquien sei das »Gespräch in einem Kopf, der sich unterschiedlichsten Aktivitäten gleichzeitig« widme und sie anders miteinander »verquirle«. Das Brevier will nicht nur Sloterdijks Haltungen aufzeigen, sondern ebenso zum Wundern, Staunen und Lachen anregen. Es sei »ein Stundenbuch, dessen Lektüre die Gegenwart erhellen mag.« Womit wir wieder beim Feuer wären – sowie beim Energieüberschuss, der gleich zu Beginn des schmalen Bandes ins Zentrum der Reflexionen rückt. Thematisch kreist das Buch aber um weit mehr. Es geht um Ironie, Kopfbedeckungen, Diskurse, Heidi Klum, Zorn, die Religiosität der Musik, Bedienungstasten, Spiegelbilder, Verlierer, das von Andy Warhol ins Gespräch gebrachte It-could-be-you-Syndrom und Erektionen. Über sich selbst sagt der Vulkan der deutschen Philosophielandschaft: »Wenn ich mich von weitem begutachten müßte, dann würde ich sagen, dieser Sloterdijk ist doch ein merkwürdiger Bastard, zusammengesetzt aus einem lyrischen Extremisten und einem verdammten Schulmeister.« Besser kann man es nicht auf den Punkt bringen. Die Kurztexte und Aphorismen, Sloterdijks bereits publiziertem Werk entnommen, brennen ein wahres Feuerwerk ab. Mal Philosoph, mal Phönix, mal Pyromane, leuchtet Sloterdijk den Weg durch die Nacht der Welt. Die Gefahr: »Je heller das Feuer scheint, desto leichter ist es gelöscht«, wie es in Senecas Trostschrift an Marcia treffend heißt. Doch was tun, wenn da nur Asche zurückbleibt? Sloterdijk: »Wenn ich mir´s überlege, ist ein Großteil meiner Arbeit ein Dekantieren. Ich bringe alle Höchstgewächse des Denkens in neue Gefäße, ich habe die Metaphysiker wiedergelesen und umgefüllt, ich lese Heidegger mit neuen Augen und lasse seine Verschrobenheiten ablüften – das sind alles Dekantierpraktiken.«
Proficiat! |
Peter Sloterdijk |
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