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Buch des
Übergangs |
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Hannah Arendts „Sechs Essays“ sind ein Buch des Übergangs: Die Texte spinnen
einerseits Gedanken aus ihrem Varnhagen-Buch fort, das sie 1938 fertiggestellt
hat, andererseits nehmen sie Aspekte vorweg, die 1951 in ihrem Werk über die
„Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ (1951) zur Sprache kommen. Dort
hat
Hannah Arendt konstatiert, Konzentrations- und Vernichtungslager dienten „dem
totalen Herrschaftsapparat als Laboratorien, in denen experimentiert wird, ob
der fundamentale Anspruch der totalitären Systeme, daß Menschen total
beherrschbar sind, zutreffend ist.“ Es handele sich darum, „festzustellen, was
überhaupt möglich ist, und den Beweis dafür zu erbringen, daß schlechthin alles
möglich ist.“
Mindestens die
Essays über den Imperialismus und die organisierte Schuld nehmen diese Thesen
vorweg, teilweise sind auch einzelne Passagen in das Elemente-Buch mit
aufgenommen worden. Letztlich finden sich auch in ihrer Auseinandersetzung mit
Eichmann in den frühen 1960er Jahren Gedanken wieder, die sie in dem 1948
erstmals publizierten Werk äußert.
Gewidmet bzw.
zugeeignet ist das Buch ihrem Lehrer Karl Jaspers, mit dem sie über das ganze
Buch hinweg einen Dialog führt. Themen des Buches sind neben dem Imperialismus
und Nazismus u.a. die Rolle der Juden als „Paria“ und die Existenzphilosophie,
die ohne Kant nicht denkbar gewesen wäre. Hierzu schreibt Arendt äußerst
treffend: „Kants Zertrümmerung des antiken Seinsbegriffs hatte zum Ziel die
Etablierung der Eigenständigkeit des Menschen, das, was er selbst die
Menschenwürde nannte. Er ist der erste Philosoph, der den Menschen ganz aus
seinem eigenen Gesetz heraus verstehen will und ihn aus dem allgemeinen
Seinszusammenhang, in welchem er Ding unter Dingen wäre … herauslöst.“ Natürlich richtet sich eine solch penibel erarbeitete Edition an ein Fachpublikum. Man sollte sich trotzdem auch Arendts Aktualität vor Augen führen: Durch die Verrohung von Politik, Anstand und Sitten durch idiotische Machthaber und den geifernden Teil des Volkes ist Hannah Arendt nach wie vor die beste Medizin, um sich gegen jene Anti-Vernunft zu impfen, der wir sonst mehr und mehr hilflos ausgesetzt wären.
Artikel online seit 07.06.20 |
Hannah Arendt
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