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Vagabundierend durch Räume und Themen

Zum vorbildlich editierten Band 14 der Kritischen Gesamtausgabe
Walter Benjamins
»Texte über Städte, Berichte, Feuilletons«

Von Jürgen Nielsen-Sikora

 

Der mit seinen rund 1900 Seiten in zwei Abteilungen edierte Band, welcher in Paris, Moskau und Berlin verfasste Texte für Zeitungen und Zeitschriften enthält, präsentiert ein Buch, das nie geschrieben wurde. Denn von Benjamins Essays und Miniaturen, seinen Berichten, Glossen und Rezensionen, von denen die meisten Ende der 20er, Anfang der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts veröffentlicht wurden, sind viele in der „Literarischen Welt“ und der „Frankfurter Zeitung“ erschienen, einige anderswo, doch ein Buch wie den vorliegenden „Texte über Städte, Berichte, Feuilletons“ genannten Band hat Benjamin selbst nie als eigenständiges Werk veröffentlicht – leider, muss man angesichts des vorliegenden Werkes fast sagen.

Die verstreut publizierten Arbeiten, darunter auch vergessene, fast unbekannte, erschweren zwar eine systematische Anordnung und entziehen sich beinahe dem Versuch, sie innerhalb der vorbildlichen Edition in ein Korsett zu zwingen, doch die Art und Weise, wie dies im Korpus dieses Bandes geschieht, ist schon beeindruckend und verleiht den Arbeiten eine ganz eigene Wucht.

Neben den bekannten Städtebildern und Traumtexten sind hier recht unterschiedliche Textsorten versammelt: „kritische Berichte über Theateraufführungen und Filme, über Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen, über Kunst- und thematische Ausstellungen; Interviews, Porträts und Würdigungen …“. Darüber hinaus enthält der Band auch Typoskripte und Handschriften, die zeitlebens nicht publiziert worden sind.

Der Kommentarband kontextualisiert die Arbeiten und gibt jeweils – minutiös –Erläuterungen zur Edition, die die Überlieferung, die Textgeschichte, Lesarten und Nachweise der Texte betreffen. Das Nachwort liest sich wie eine kleine Werksbiografie und stellt die Arbeiten abermals in den Kontext seiner Lebensgeschichte. Das ist äußerst aufschlussreich und eine enorme Hilfe für die Lektüre, da einige der Texte doch wieder neu entdeckt werden müssen.

Benjamin erweist sich in diesen Arbeiten einmal mehr als sehr genauer und kritischer Beobachter seiner Zeit, vagabundierend durch Räume und Themen: Neben den bereits erwähnten Arbeiten über Ausstellungen, rekurriert er auf Literaten und Regisseure; auf Spielsachen, Kriegswaffen; auf Pornografie, Lyrik, die Illustrierte; auf Gärten, Rätsel und vieles mehr.

Die editorische Arbeit, und mit ihr die Mühe der Auswahl und der Recherche, lässt sich nur grob erahnen. Allein der Kommentarband zählt mehr als 1200 Seiten. Die Begründung für die Auswahl der Texte ebenso wie deren Anordnung ist gut nachvollziehbar. Ein echter Gewinn ist die Tatsache, dass sich einige Arbeiten Benjamins wieder- bzw. neu entdecken lassen.


Artikel online seit 11.01.22
 

Walter Benjamin
Werke und Nachlaß
Kritische Gesamtausgabe Band 14:
Texte über Städte, Berichte, Feuilletons
Herausgegeben von Bernhard Veitenheimer in Zusammenarbeit mit Klaus Reichert
Suhrkamp
Halbleinen,
1903 Seiten
98,00 €
978-3-518-58767-6

 

 


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