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Manchmal glaubt man, Autoren können beim Schreiben in die Köpfe ihrer Leser schauen. In Dietmar Daths neuem Roman ist dies der Moment, als die deutsche Drahtzieherin Cordula Späth dem Amerikaner Christian Winseck erklärt, worin ihre gemeinsame Weltraummission besteht. Als sie fertig ist, sagt Winseck: »Ich weiß gar nicht mehr, ob es für dich überhaupt eine Wahrheit gibt, ob überhaupt irgendwas wahr ist hier, in diesem fucking labyrinth which you constructed for whatever unfathomable fucking purpose … or wether you’re just making shit up as we go along, und ob es dich überhaupt interessiert.« Ein »fucking labyrinth« ist auch Daths neuer Roman »Neptunation«, dessen Handlung durch Raum und Zeit (bis zum Neptun und zurück) sowie zwischen den vielen Figuren hin und her springt. Im Kern erzählt er von einer verborgenen Asteroidenzivilisation, die das Resultat einer gescheiterten Raumfahrtmission aus den letzten Tagen des Kalten Krieges ist. Als einige Eingeweihte auf Erden kryptische Nachrichten empfangen, die vermuten lassen, dass da draußen Seltsames vor sich geht, macht sich ein Team aus Experten auf den Weg. Bei diesem Himmelfahrtskommando folgen nicht wenige Figuren einer verborgenen Agenda, so dass sich hinter jeder vermeintlichen Wahrheit ein neuer Abgrund auftut. In Spiralen führt die Handlung immer tiefer ins Chaos des Universums und seiner natürlichen Gesetzmäßigkeiten – man kennt das aus Daths anderen welt(raum)greifenden Romanen. Es
ist kein Wunder, dass es Dath ist, der uns deutschen Lesern nun auch die
Faszination, Intelligenz und Kulturkritik des Genres aufzeigt, in dem er sich am
wohlsten fühlt. Fiele der erste Deutsche Sachbuchpreis nicht wegen Corona aus,
hätte sich Dath berechtigte Hoffnungen auf diese Auszeichnung machen können.
Denn sein aktueller, alle Dimensionen sprengender Essay »Niegeschichte« ist ein
fakten- und erkenntnisreicher, die Literaturgeschichte durchpflügender
Geniestreich. Science Fiction beschreibt er darin auf fast eintausend Seiten als
Kunst- und Denkmaschine, der es nicht um eine Abbildung der Wirklichkeit,
sondern um Erkenntnis geht.
Artikel online seit 15.05.20 |
Dietmar Dath
Dietmar Dath
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