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© R. Reifenrath |
Geballer ohne Tote
- "Bezeichnenderweise", behauptet Joe Hembus in seinem "Westernlexikon", sei
"der Film im Fernsehen ein größerer Erfolg als im Kino gewesen". Im TV habe ich
ihn nun auch (zum ersten Mal?) gesehen. Oder hatte ich die um mehr als eine
halbe Stunde gekürzte deutsche Fassung von 134 Minuten vollkommen verdrängt? Nicht dass "The „Hallelujah Trail", wie die 167 minütige Originalfassung von 1965 hieß, ein "unbekanntes Meisterwerk" wäre; aber ein Unikat in der gesamten Westerngeschichte dürfte der späte(?) Film der Hollywoodgröße John Sturges nicht nur wegen seiner exorbitanten Länge sein. Hembus' ironisch-abfälliges Urteil trifft das Exzentrische des material-& statistenreiche Monstrums nicht: "Ein sehr langer Witz, über den nur Besucher von geschlossenen Veranstaltungen lachen können, die mit Getränken ausreichend versorgt sind". Eher macht dieses Mixtum Compositum heute den Eindruck, der vielfache Westernregisseur habe sich einen Jux machen wollen: einen kolossalen Witz als Parodist mit sämtlichen Topoi des usamerikanischen Gründungsmythos-Filmgenres ..Der Running gag eines permanent & penetrant auftretenden Geschäftemachers, der für die Goldsucher von Denver im kommenden Winter mehrere Wagenladungen Whiskey ordert & dabei immer wieder lauthals als "Republikaner" & Steuerzahler auftritt & durch persönliche Beziehungen die US-Kavallerie als Schutztruppe anfordert, ist als unmissverständlicher Hohn des "Demokraten" Sturges über die korrupte "grand old party" allein schon bemerkenswert. So offen wagte heute in Hollywood keiner mehr politisch sich zu positionieren. Ebenso wenig wäre die herablassend negative Klischierung der sowohl dumm-dreisten wie raffinierten Indianer noch möglich, schon gar nicht, dass ihre „Feuerwasser“-gierigen Häuptlinge alle von weißen Darstellern als „black-faced“-Indianer gemimt werden. Dass die Rothäute für den Fall ihrer Festnahme mit einem staatlichen Entlastungspapier sich exkulpieren wollen, ist ebenso absurd, wie die in der Hitze raketenhaft hochgehenden Champagner-Flaschen, die statt dem erwarteten Whiskey auf einigen Wagen platziert waren, die von den versoffenen Indianern gekapert worden waren. Neben den zahlreichen parodistischen Anspielungen auf die John-Fordsche Militär-Romantik, die Sentimentalismen im Verhältnis von ranghohen Vätern, heiratswilligen Töchtern & untergebenen Schwiegersöhnen in spe oder schamvoll im Bad überraschten Männern oder Frauen ist der thematisch vollgestopfte Film originell, wo nicht gar einzigartig durch fünf Überraschungen: 1. Die doppelt besetzte, sich selbst ins Wort fallende Voice-over zweier Erzähler, 2. Der Massenauftritt einer weiblichen TemplerenzlerInnen-Gruppe, die den Weste(r)n aufmischen, 3.Das meines Wissens einzige Sumpfgelände in einem Western, in dem die Wagen mit Mann & Pferd versinken & später die Whiskyfässer wieder freigeben, 4.. Eine groteske Schlacht im Nebel & als er sich lichtet, es die Indianer sind, die in einer Wagenburg sich der sie umkreisenden US-Kavallerie erwehren müssen, & 5.last not least, dass trotz des exzessiven Geballers aus allen Gewehren & Pistolen keine Leichen auf dem Schlachtfeld dieser thematisch überladenen, missglückten Komödie zurückbleiben. Aber ein einziges Tohuwabohu ist dieser verrückteste Kehraus des Western denn doch! * Lachnummern-Revue - Der „Freistaat Bayern“ ist auch insofern ein Unikum in der Bundesrepublik Deutschland, als er als einziger über ein Arsenal von Landespolitikern verfügt, die auch in den anderen Bundesländern namentlich (& physiognomisch) bekannt sind. Obwohl gar nicht sicher ist, ob man außerhalb von Bayern das unterschiedlich dialektgewürzte Bayrisch von Stoiber, Söder, Seehofer oder gar Aiwanger immer versteht (von der allen Bayern-Politikern offenbar eigenen Naturbegabung zur Hinterfotzigkeit ganz zu schweigen). Der Bayrische Rundfunk (BR), der zu alten Strauß-Zeiten noch stramm reaktionär den anderen ARD-Sendern hinterherhinkte & notfalls staatsfromm als Zensor auftrat, marschiert nun mit Geschwindschritt allen anderen vorweg. Er hat viel zur extra-bajuwarischen Bekanntheit & zum Ruhm dieser politischen Eigengewächse & deren jeweiligen Eigenarten beigetragen. Weniger die Herrschaften selbst als viel mehr noch ihre Parodien – sofern sie nicht, wie Markus Söder, auf der „Fränkischen Fassnacht in Veitshöchheim“ über Jahre hin seine persönliche politische Ambitionen durch wechselnde Kostümierungen augenscheinlich machte. Es ist schlichtweg bewundernswert, dass es ein Künstler ist – Wolfgang Krebs -, der sie alle vier parodiert; und die elektronische Technik erlaubt es mittlerweile¸ dass alle von Wolfgang Krebs parodierte politische Figuren gleichzeitig, auch im Gespräch miteinander, auf dem Bildschirm anwesend scheinen. Ein visuell-akustisches Zauberkunststück, mit dem wöchentlich das Magazin „quer“ im Bayrischen Fernsehen brilliert: vor allem am Ende, wenn der Moderator Süß scheinbar fassungslos den fiktiven Gesprächen des Ministerpräsidenten Söder mit seinem Stellvertreter Aiwanger zuhört. So fassungslos wie ich, wenn ich jedes Mal diese bajuwarische Eigenart bestaune. So trefflich ist besonders der von Krebs in „quer“ verkörperte Knallkopp der „Freien Wähler in Bayern“, dass ich neulich, als dieser Stellvertretende Ministerpräsident gegen Söders Impfkampagne im morgendlichen DLF-Interview in seinem niederbayrischen Kauderwelsch wetterte, das Interview für der weniger gelungenen Aiwanger-Imitationen von Wolfgang Krebs hielt.
Es dürfte wohl auf der Welt kein zweites staatliches Gebilde geben, in dem, wie
in Bayern, die politische Herrschaft als öffentlich-rechtlich geförderte
Lachnummer Karriere macht. Herbert Achternbuschs Behauptung: „In Bayern sind
60 Prozent Anarchisten, und die wählen alle CSU“ ist in die Jahre gekommen – wie
die CSU, die auf die Mehrheit nur kommt, weil sie sich einen Aiwanger auf der
Nase herumtanzen lassen muss, ohne auch nur einmal nießen zu dürfen. Wandel – Was die pure Existenz Donald Trumps als US-Präsident nicht geschafft hat, könnte mit der Fortdauer der Covid19-Pandemie gelingen: dass Politiker & Politikerinnen den öffentlichen Ritus des Umarmens & Bussi/Bussi-Machens wieder unterlassen - wie der Zungenkuss unter den alten Betonköpfen des real existierenden Sozialismus mit diesem dahinging. Es genügt vollauf, wenn die „Staatenlenker“ respektvoll mit einander umgehen, nur keine Intimitäten unter regierenden Herrschaften!
Artikel online seit 15.08.21 |
»Petits
riens«, |
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