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Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik

 



Ein blasses Mädchenbild

Theresias Enzensbergers Roman »Blaupause« bleibt im Belanglosen hängen

Von Jörn Birkholz

Hans Magnus Enzensbergers Tochter Theresia hat ein Buch geschrieben. »Blaupause« heißt es und ist kürzlich im Hanser Verlag erschienen.
"'Ich wollte dieses Buch schreiben, weil ich wollte, dass so ein Buch existiert', sagt Enzensberger in der ZEIT, mit einer Dringlichkeit, die ihr weiches Gesicht scharf zeichnet, und zieht an ihrer Zigarette.
»Blaupause« ist im Deutschland der Weimarer Republik angesiedelt und spielt wechselweise in Weimar und in Berlin, später in Dessau. Die junge Berlinerin Luise Schilling aus wohlhabendem Elternhaus, revoltiert, zuerst zaghaft, dann etwas bestimmter gegen Männerbünde, gegen große Bauhaus-Lehrer wie Walter Gropius und den Naturmystiker Johannes Itten. Die Eltern (eine Großindustriellenfamilie) sind wenig angetan darüber, dass ihre Tochter als einzige Frau Architektur studieren will, auch wenn es sich um das renommierte Bauhaus in Weimar handelt.

Bevor die naive Luise allerdings revoltiert, verliebt sie sich noch unsterblich in den Itten-Jünger Jakob, wird dabei enttäuscht, da der Auserwählte, trotz wiederholter sexueller Kontakte, ihr immer wieder entfleucht, was dann letztendlich zum Ende der Liaison führt. Aber Luise, inzwischen in die Textilwerkstatt verbannt - (»Itten: Keine Sorge Luise, die meisten Frauen haben Defizite im dreidimensionalen Sehen. Ich würde dir empfehlen in die Textilwerkstatt zu gehen.«) - findet bald eine neue Liebe, den Werbetexter Hermann, der quasi genau das Gegenteil von Luises bisherigem Freundeskreis repräsentiert. »Am schlimmsten stelle ich mir diesen Esoterikwahn vor, diese weltvergessenen Spinner, die so hündisch hinter dem großen Herrn Itten hergelaufen sind, verkündet ihr neuer Liebhaber, der aber auch vor Gewalt gegen Frauen nicht zurückschreckt, ja, sie vielmehr als selbstverständlich ansieht, wie es Luise schmerzhaft erfahren muss, woraufhin sie die Beziehung, wenn auch zögerlich, beendet. »Ich fasse mir an die Nase, blicke auf meine nassen, blutigen Finger und begreife sehr langsam, dass die Faust die eben auf mich zugerast ist, mir galt, und dass sie zu Hermann gehört (…) Er scheint wenig berührt von der Verletzung, die er mir zugeführt hat (…) Ich kann nicht glauben, dass Hermann einfach so zur Normalität zurückkehren will. Möglichst sanft sage ich: 'Ich muss mich jetzt erstmal sortieren. Wir reden morgen.' Er nickt ernst (…) Hermann ist der Mann, der mich liebt. Vielleicht ist es alles meine Schuld? Aber egal wessen Schuld es ist: Eine Liebesbeziehung kann so etwas nicht überstehen.«

Im Klappentext heißt es: Theresia Enzensberger hat einen Campusroman geschrieben, der mehr ist als nur ein Campusroman. Nun ja, ein Buch, dem ich diese kühne These zubilligen würde ist Tom Wolfes »Ich bin Charlotte Simmons, aber bei »Blaupause sind wir davon doch ein ganzes Stück entfernt. Enzensbergers Roman erinnert vielmehr über weite Strecken an einen solide produzierten ARD Mittwochsfernsehfilm, mit einem Hauch Anspruch, in dessen Handlung die architektonischen Ambitionen der Heldin mit zwei Liebesgeschichten und einer wohldosierten Prise Zeitgeschehen vermengt sind. So sinniert Luise: »Immer kreisen die Gespräche nur um unsere eigene kleine Welt. Ich glaube, ich bin die Einzige von uns, die regelmäßig Zeitung liest. Letztes Wochenende ist Walther Rathenau von Rechten ermordet worden, das ganze Land spricht über einen möglichen Bürgerkrieg.«
 

Dabei ist die Geschichte – trotz der politischen Wirren der Zeit – beinahe erschreckend spannungsarm, und man vergisst den Plot im Grunde schon, während man ihn liest. Sprachlich wirkt das Ganze zwar glatt, bewegt sich allerdings manchmal an der Grenze zum Kitsch: »Ich habe mich vorhin kurz mit ihr unterhalten. Sie ist unbefangen und freundlich, aber irgendwie strahlt sie gleichzeitig auch etwas Geheimnisvolles aus (...) Der schöne rätselhafte Jakob, der sich sonst immer hinter seiner koketten Fassade versteckt, offenbart sich. Ausgerechnet mir (...) Jedes Mal vergesse ich, wie schön er ist. Mit frisch gestärktem Hemd und glänzenden Locken steht er in einer Ecke und redet mit einem Mädchen.«

Und so weiter und so weiter ...

Artikel online seit 16.11.17
 

Theresia Enzensberger
Blaupause
Roman
256 Seiten
Hanser Verlag
Fester Einband
ISBN 978-3-446-25643-9
ePUB-Format
ISBN 978-3-446-25763-4

Leseprobe

 


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