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Glanz&Elend Magazin für Literatur und Zeitkritik

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Die menschliche Komödie
als work in progress


Ein großformatiger Broschurband
in limitierter Auflage
von 1.000 Exemplaren
mit 176 Seiten, die es in sich haben.

 

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Vom Mythos der Arbeit

Die drastischen Auswirkungen der wirtschaftlichen & moralischen Krise auf die Lebensverhältnisse der Menschen schüren das Unbehagen in der Gesellschaft.

Vier Bücher zur Lage kommentiert von Jürgen Nielsen-Sikora

»Jeden Morgen, mein Brot zu verdienen
Gehe ich auf den Markt, wo Lügen gekauft werden.
Hoffnungsvoll
Reihe ich mich ein zwischen die Verkäufer.«

Diesen »Hollywood« betitelten Vierzeiler schrieb Bert Brecht vor fast siebzig Jahren und nahm mit ihm die nach der geistig-moralischen Wende einsetzende Transformation der modernen Arbeitsgesellschaft vorweg. Denn die gegenwärtige Welt der befristeten Jobs und der Zeitarbeit, der Praktika und ABM-Maßnahmen ist ein auf Lügen errichtetes System neopaternalistischer Beschäftigungsverhältnisse (Gorz), deren Leistungsmaxime die Ungleichheit der Ausgangspositionen auf dem Arbeitsmarkt geschickt zu vertuschen versucht, indem man von den Ausgeschlossenen verlangt, sich wie Macher und Manager zu verhalten.

Aus diesem Grunde stehen wir, wie Robert Castel in seinem Buch über »Die Krise der Arbeit« zu Recht anmerkt, vor einem völligen Verfall von Arbeit. Die Lügen, die wir täglich einkaufen, heißen Mobilität, Anpassungsfähigkeit und Eigenverantwortung, Flexibilität und Projektarbeit für eine ungewisse Zukunft. Das gegenwärtige kapitalistische System kann nicht einmal für die soziale Sicherheit sorgen, schafft es aber, dass Marktkriterien unseren Geist unaufhörlich durchlöchern. Unser Verstand ist auf maximale Unternehmensrentabilität und totale Wirtschaftsliberalisierung gepolt: Der Geiz, und eben nicht der Geist, ist geil in dieser Welt, die eine Erziehung zur Kritiklosigkeit mit allen Mitteln fördert.
Labor ipse voluptas? Weit gefehlt, weil selbst aus den Universitäten, den ehemaligen Freistätten des Geistes, Verwaltungs- und Laboreinheiten gezimmert wurden, die inzwischen wie große, auf Rentabilität getrimmte Unternehmen funktionieren und ein völlig verschultes und vom »McKinsey-Stalinismus« (Beck) infiziertes Ausbildungssystem aus der Taufe gehoben haben. Das mag den Bildungsidealen einer hochkapitalistischen Warenwelt gerecht werden, erstickt jedoch alternative Denkansätze und intelligente Kopfarbeit im Keim.

Ein mehr als umstrittenes Leistungsprinzip und der damit verbundene Zwang zur Mobilität macht restlos alle beteiligten Bewohner von Wissensräumen zur vagabundierenden Bildungsmasse einer Fast Education. Universitäten leisten sich heute gar ein »Office for Entrepreneurship«, das Mails mit Angeboten zu Workshops in Unternehmensgründung, Business-Plan, Marketing und Vertrieb über den Verteiler jagt. Einführungen in die Strategien des Elevator-Pitch werden mir, kaum habe ich diese Zeilen zu Ende geschrieben, vor dort angeboten. Der »Pitch« ist ein 30-Sekunden Überblick einer Idee für eine Dienstleistung oder ein Produkt, dessen Beherrschung bis dato wohlfrisierten Dummschwätzern vorbehalten war, nun jedoch auch Einzug in den akademischen Betrieb erhalten hat. Wenn Universitäten mit den Instrumenten und Methoden von Banken und Versicherungen operieren, wird ihre einst auf der Zirkulation von Sprache und Diskurs beruhende Idee stereotyp und geistlos wie Fließbandarbeit. Und die Politik verweigert nicht nur hier, sondern vor allem auf dem freien Arbeitsmarkt Regulierungsmaßnahmen, weiß Castel und ergänzt, der Staat könne seine Doppelaufgabe als Rechts- und Sozialstaat auch gar nicht mehr garantieren; diese Leistung, so Castel weiter, sei aber die Grundvoraussetzung zur Regulierung einer Gesellschaft von Individuen. Stattdessen greift eine politisch subventionierte Umschulungsindustrie und zementiert die Diskontinuität individueller Karrieren. Neue soziale Risiken und Prekarisierung treffen hierbei vor allem die so genannten bildungsfernen Schichten, wobei ich mich hin und wieder frage, wer hier in diesem Land eigentlich Bildungsferne zelebriert: Wenn auch die Universitäten inzwischen mehr Wert auf Critical Consulting als auf die Kritik der praktischen Vernunft legen, muss sich niemand über ein Volk von ordinär Ahnungslosen beklagen, deren Sprache nur noch aus Plattitüden ohne Poesie besteht. Und niemand sollte sich dann noch wundern, dass der Fall zu Guttenberg eben keine Ausnahme war, sondern nur eine von vielen Folgeerscheinungen des akademischen Mentalitätswandels. Copy&Paste-Produkte sind nur die logische Konsequenz der Fast Education. Ebenso wie der »Schwindel vor der eigenen Leere«, den Castel treffend in seinem Buch über die Krise der Arbeit beschreibt.

Die Situation auf dem Arbeits-, Bildungs- und Ausbildungsmarkt ist insgesamt außer Kontrolle geraten und wird von Regulationsstörungen begleitet. Wer es immer nur darauf anlegt, die Arbeitskosten zu senken, die Produktivität und das Wachstum zu steigern, wer gleichzeitig Personal abbaut und Prozessabläufe ausgliedert, muss mit der permanenten Unzufriedenheit seiner Kunden und Mitarbeiter rechnen, die angesichts ihres übertriebenen Einsatzes und Leidensdrucks in der transformierten Arbeitswelt in Depressionen verfallen.
So wie Peter Munk, der Protagonist aus Wilhelm Hauffs Märchen »Das kalte Herz«. Auch er ist mit seiner schmutzigen, anstrengenden, schlecht bezahlten und wenig respektierten Arbeit unzufrieden. Er träumt von Reichtum und Anerkennung, die er erhält, als er sein Herz gegen einen kalten Stein eintauscht. Wolfgang Schmidbauer hat dieses Märchen zum Anlass genommen zu zeigen, dass das kapitalistische Regime unsere Gefühlswelt zerstört und unsere Fähigkeit zur Empathie verkümmern lässt.

Wie Peter Munk sind wir in diesem System von Neid zerfressen und von einem krankhaften Kampf um Anerkennung beseelt. Auswirkungen eines solchen Kampfes sind narzisstische Störungen, Angst, Wut und stetig wachsender Leistungsdruck. Gleichwohl scheinen wir unfähig, erlittene Kränkungen in diesem System verarbeiten zu können. Der Drang zum Perfektionismus überfordert unser Ich; wir werden rücksichtslos und im Extremfall erleiden wir einen Realitätsverlust und sehen den Anderen bloß noch als Teil des erweiterten, widerstrebenden Selbst, das gebändigt, gezähmt, bezwungen werden muss. Unsere Inakzeptanz gegenüber dem Scheitern in bestimmten Situationen führt letztlich dazu, dass wir unser Selbst immer nur verteidigen, nicht jedoch reflektieren können.

Wir sind wieder auf Brechts Situation zurückgeworfen: Was sich nicht verkaufen und zu Gold machen lässt, existiert nicht, ist überflüssig. »Spar dich reich« und »Brand yourself« sind die Imperative auf dem Markt der Lügen. Der Ruf nach immer mehr ökonomischem Wachstum ist sein Leitmotiv.

»Greed is good«: Unsere Helden sind die Wirtschaftsmagnaten und Tycoons, die Workaholics und Top-Manager; die Leistungsgesellschaft ist zum Fundament der schönen neuen Arbeitswelt, Maßlosigkeit unsere Stärke geworden. Das Vokabular der Protagonisten dieser Warenwelt dreht sich um Begriffe wie Backoffice, Cooke Ratio, Korrelationsrisiko und Notches. Ihre ärgsten Feinde sind der Mindestlohn, die Kreditkrise, der hohe Ölpreis, Attac, Streiks, Neiddebatten, gesenkte Wachstumsprognosen und Übergewicht. Das traditionelle Verhältnis von Angebot und Nachfrage ist im Zuge komplexer Kapitalverflechtungen außer Kraft gesetzt. Die kommerzialisierte Gesellschaftsordnung, deren Superhelden sie sind, gehorcht dem Glaubensbekenntnis zur Profitmaximierung. In ihren Augen schafft diese Ordnung neue Entfaltungsmöglichkeiten und individuelle Chancen, sowie die perfekte Lösung sämtlicher Probleme, die sie selbst bedingt. Berufe gibt es nicht mehr, nur noch Jobs, Ich-AGs und flexible Menschen auf der Suche nach dem Sinn ihrer eigenen, nie enden wollenden Roadshow.

Informelle Beschäftigung prägt längst den Arbeitsmarkt. Selbst die Politik ist nur noch Ware, und der Aktienkurs der Unternehmen ist wichtiger geworden als das Schicksal der Mitarbeiter und ihrer Familien. Haben sie politische Ämter inne, scheuen sie sich nicht, auch die öffentliche Daseinsfürsorge in private Hände zu geben. Politik ist nicht länger eine Frage des richtigen Handelns, sondern des nach Managementmaßstäben erfolgreichen Handels. Deshalb werden das Innen- und Außenministerium dieser Welt von Konzernen, Banken und Versicherungen beherrscht. Und die Medien spielen mit. Die Schmach der schlecht bezahlten Arbeit korrespondiert in dieser Welt mit dem Verfall des öffentlichen Lebens, in dem Schmier- und Bestechungsgelder, Spendenaffären, Insiderhandel und Kartellbildungen an der Tagesordnung sind. Soziale Probleme, das heißt Umstände, die die eigene Lebenssituation so beeinträchtigen, dass sie unter ein hinnehmbares Niveau sinkt, sind ebenso virulent. Doch eine Ungleichverteilung des Wohlstands, Massenarbeitslosigkeit, Migration, Ausbeutung, Entfremdung, Verarmung der Staatshaushalte, Beschaffungskriminalität und andauernde Wirtschaftskrisen sind mittlerweile hinnehmbare Begleiterscheinungen im scheinbar Heil bringenden turbokapitalistischen System. Unter der Rubrik »externe Effekte« werden sie als Nebenfolgen risikobelasteter Gesellschaften verbucht. Ebenso die Subprime-Krise im Sommer 2007 et passim mit globalen Folgen für die Zahlungsfähigkeit vieler Banken.

Hiervon handelt auch Hugues Le Brets Buch über Jérôme Kerviel und dessen Spekulationen in Höhe von rund 50 Milliarden Euro für die französische Société Generale. Le Bret war damals Kommunikationschef der Bank und mit dem Krisenmanagement befasst. Für Kerviel, den Rogue-Trader, war der Betrieb der Bank nur ein virtueller Raum, die Konten und Zahlen Nullen in einem Videospiel. Le Bret gibt Einblicke in die Arbeitswelt der Banker und Henker und ihre Geschäfte. Über seinen früheren Chef, Daniel Bouton, schreibt er: »Alle Karrierestufen hat er durch 16-Stunden-Arbeitstage, dreitägige Reisen rund um die Welt, mit vielen Zigaretten und vielen Flaschen Whiskey absolviert.« Sein Leben hat er der Bank gewidmet, die ihn zu ihrem Chef gemacht hat. Nächtelang wird angesichts der Katastrophe, die Anfang 2008 über die Société Generale hereinbricht, durchgearbeitet. Frauen und Kinder werden zu Nebendarstellern. Kritiker werden als Idioten hingestellt, die sich undifferenziert und apodiktisch äußerten. Die Stammtische hätten die Jagd eröffnet und die »Journalistenmeute« sei wie elektrisiert. Dennoch wolle er »erörtern, was am nächsten Tag in den Zeitungen stehen könnte, und versuchen, auf die schlimmste Berichterstattung … noch Einfluss zu nehmen.« Währenddessen pumpt sich sein Chef mit Tabletten voll, um durchhalten zu können.
Le Brets Bericht bleibt trotz Einblicken in die Chefetage einer großen europäischen Bank reflexionsarm; ein Problem des Systems, das solche Spekulationsblasen gebiert, sieht er nicht. Schuld sei allein Kerviel gewesen.
Überhaupt sind Probleme naturgemäß stets die Probleme des Anderen. Denn Katastrophen spielen den Priestern der Wirtschaftswelt in die Hände, weil sie in Form von Erdbeben, Waldbränden, Kriegen, Tsunamis oder Wirbelstürmen neuen Raum für Investitionen schaffen. Bei Le Bret ist es die Kapitalerhöhung der Bank, die sie schließlich retten wird. Der Kapitalist geht dahin, »wo die Verzinsung seines Kapitals am höchsten ausfällt« schreibt Gabor Steingart entsprechend in seinem viel diskutierten Buch »Weltkrieg um Wohlstand«.

Diese Tyrannei der Entrepreneurs und der Global Player droht letztlich zur Maxime unserer Beziehungen selbst zu werden. Unsere sozialen Stellungen werden durch unsere Position im Marktgeschehen bestimmt. Schließlich richtet sich auch die Verteilung von Vermögen nach Marktergebnissen. Der Leitspruch dieser Produktionsmittelethik: Platz schaffen für Neues. Das ewige Steigerungsspiel mitspielend, verausgaben wir uns – und unsere Nächsten. Natürlich sind wir Mängelwesen: Jede Beseitigung von Mangel ruft neuen Mangel hervor. Wir erliegen nahezu täglich dem Overkill an Informationen, Trends, Produkten, Terminen und News. Der Tanz um das goldene Kalb des Kapitals macht aus uns Menschen erfolgsgeplagte und zusehends orientierungslose Konsumenten, deren Leben zwischen den »Heuschrecken« und dem »Prekariat« nur noch den permanenten Wandel kennt. Die Gewohnheit selbst wird zum Luxusartikel.

Es gibt keine Lösung, weil wir uns in einer Welt der kalten Herzen längst von Lösungen verabschiedet haben. Hier herrscht das Prinzip Konkurrenz ohne Chancengleichheit und Fairness, hier herrscht Abhängigkeit statt Freiheit, Standortfetischismus und Billiglöhne dominieren über ökonomische Gerechtigkeit, die es ebenfalls nicht mehr gibt. Schon machen die Phalanx der Globalisierungsgegner und das Heer der Zug-Kurz-Gekommenen allmählich mobil. Nicht nur in Frankreich. Selbst in der revolutionsresistenten Bundesrepublik regen sich erste Pflänzchen des Widerstands gegen die blinde Liebe zu einem Kapitalismus, der seine gesellschaftliche Verankerung verloren hat und gerade deshalb nicht mehr im Spannungsverhältnis zur Gesellschaft und Kultur steht, sondern sich zusehends von ihr entfremdet. Oder umgekehrt. Die Schar der Kritiker wird zumindest physisch begleitet von einer Armee gut ausgebildeter Proleten und den moralisch verwahrlosten Angehörigen der neuen Unterschicht, die das Produkt der Akkumulation von Verwundbarkeiten sind.

Die Elite der Ignoranz

Neben der Elite der Gier bildet sich zusehends eine Elite der Ignoranz heraus. Es sind diejenigen, die das System, in dem sie leben, nicht interessiert. Sie wollen ihre Ruhe, ihr Bier (Work is the curse of the drinking class!), ihre Zigaretten und Daily Soaps. Bild-Zeitung statt Süddeutsche, Bohlen statt Böll; Mario Barth und Dieter Nuhr statt wirklichem Witz und echtem Humor. Ihre Leitbilder entspringen der Springer-Presse und SAT1. Sie vermüllen den öffentlichen Raum und lieben ihren Kampfhund mehr als ihre Mitmenschen. Das neue Proletariat kauft bei Zeeman und Kik, es schlemmt bei McDonald´s, Hauptsache billig und schnell. Nicht unbedingt, weil es sich die Vorreiter der Verrohung nicht leisten könnten, woanders zu kaufen, sondern weil die Philosophien der Unternehmen ihr eigenes Lebensniveau widerspiegeln: »Wir hassen teuer« bedeutet nicht zuletzt: »Wir verabscheuen Niveau«. Sowohl die Kinder der Robber Barons als auch die Elite der Ignoranz ist in ihrem Wesen zutiefst intolerant, egozentrisch und asozial. Ihre kalten Herzen besetzen die Pole des neuen Kapitalismus und bedeuten eine ernst zu nehmende Gefahr für die Demokratie. Denn ein neues Unbehagen macht sich in der Gesellschaft breit. Alain Ehrenberg hat es in einer Vergleichsstudie eindringlich analysiert.

In seinem Buch betrachtet er die Rede von der seelischen Gesundheit als ein neues Sprachspiel mit eigener Grammatik und Rhetorik, das es ermögliche, persönliches Unheil und gestörte soziale Beziehungen in Relation zu setzen. Seelische Gesundheit werde spätestens seit dem Ende des 20. Jahrhunderts als Phänomen des Kollektivlebens begriffen. Die immer zahlreicher werdenden Darstellungen seien der Ausdruck der Sorge um den Substanzverlust des Sozialen.

Gegenstand von Ehrenbergs Untersuchung sind dementsprechend Sprachspiele über die Vorstellungen sozialer Beziehungen sowohl in Frankreich als auch in den USA. Charakteristisch für beide Gesellschaften sei, dass die Psychoanalyse als Sprachspiel in das Feld der Soziologie migriert sei. Eine psychoanalytisch geprägte Soziologie habe sich jedoch bereits in den 1950er Jahren herausgebildet, als erstmals Beschreibungen von Pathologien aufkamen, »bei denen das soziale und moralische Ideal des Individuums«, sprich: Identitätsstörungen und Störungen des Selbstbildes auf dem Spiel gestanden hätten. Seither beherrsche der psychologische Mensch im Zustand der Selbstanbetung die Welt. Das Psychologische wird zur Kompensationsform für den Substanzverlust des Sozialen, die Psychoanalyse erfährt eine Transformation zur Gesellschaftskritik, in der zwei Berufsgruppen besondere Aufmerksamkeit widerfährt: Dem Manager und dem Therapeuten.

Der Manager handhabt seine Beziehungen ausschließlich zwecks Arbeitseffizienz und Steigerung des Produktabsatzes; der Therapeut steigert hingegen die Beziehungsfähigkeit, die im Berufsleben verloren gegangen ist und heilt die mangelnde Anpassungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Manager und Therapeut, so Ehrenberg, manipulierten Gefühle und Beziehungen und mobilisierten menschliche Ressourcen. Insbesondere aber die Therapie ziele auf eine Verwandlung des Menschen ab und sei eine Art Weltanschauung im Zeitalter des allgemeinen Unbehagens geworden. Habe der religiöse Mensch noch Erlösung verlangt, so verlange der psychologische Mensch allein Befriedigung und versuche, die Kosten zu vermeiden, die die gesellschaftliche Organisation im Kapitalismus mit sich bringe: Hoffnungsvoll reiht er sich ein zwischen die Verkäufer der Lügen, die täglich feilgeboten werden.


 

Robert Castel
Die Krise der Arbeit
Neue Unsicherheiten und die Zukunft des Individuums
Aus dem Französischen von Thomas Laugstien
hamburger edition
383 Seiten
€ 32,00, Gebunden
ISBN 978-3-86854-228-8

Wolfgang Schmidbauer
Das kalte Herz
Von der Macht des Geldes und dem Verlust der Gefühle
Murmann
220 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
19,90 €
ISBN: 978-3-86774-124-8

Hugues Le Bret
Die Woche, in der Jérôme Kerviel beinahe das Weltfinanzsystem gesprengt hätte
Ein Insiderbericht
Übersetzt von Ursel Schäfer, Enrico Heinemann
Kunstmann Verlag
296 Seiten
18,00 €
ISBN 978-3-88897-722-0

Leseprobe

Alain Ehrenberg
Das Unbehagen in der Gesellschaft
Aus dem Französischen von Jürgen Schröder
Suhrkamp
Gebunden, 531 Seiten
29,90 €
ISBN: 978-3-518-58561-0

Leseprobe

 


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