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Keine
Urlaubsfahrten Martha Gellhorn berichtet von ihren fünf Höllenfahrten Von Georg Patzer Martha Gellhorn & Ernest Hemingway inmitten chinesischer Offiziere in Chungking, China, 1941 »Das waren keine Straßen, das waren Ströme von Schlamm, mit tiefen Fahrspuren, ausgelatscht und mit Steinen übersät. Man hielt nach jedem rückgratbrechenden Aufprall den Atem an. Die Reifen explodierten wie Feuerwerkskörper.« Eine schöne Reise, diese Fahrt durch China. Auch die Hotels: »Mr. Ma hatte uns versichert, es sei ein elegantes Hotel, und folglich waren wir gleich ein bisschen entmutigt. Wir hatten ein Zimmer mit zwei Podesten aus Planken als Betten, einem wackeligen Bambustisch, einer Messingschüssel (…), zwei Spielzeugkerosinlampen, Malariamücken sowie ein Stehplumpsklo am Ende des Flurs. Das Klo muss wohl einzigartig gewesen sein, da ich es nicht hasserfüllt erwähne; vielleicht gab es einen Krug mit Wasser zum Spülen.« Warum tut man sich das an? Martha Gellhorn konnte wohl nicht anders, sie musste reisen. 1908 in St. Louis geboren, berichtete sie häufig von epochalen Weltereignissen, war mit Hemingway im Spanischen Bürgerkrieg, fuhr 1945 nach Dachau, berichtete vom Eichmann-Prozess in Israel und aus Vietnam. 1998 nahm sie sich in London das Leben, fast blind und schwerkrank. Spät in ihrem Leben hat sie mal versucht aufzuzählen, in welchen Ländern sie gewohnt hat und kam darauf, dass es wohl einfacher war, zu schauen, in welchen Ländern sie nicht war. Bequem war es selten, aber das gehörte für die amerikanische Journalistin und Kriegsreporterin dazu, es sollten ja auch keine Urlaubsfahrten sein: Gellhorn wollte die Welt erkunden und nicht lesen, was passierte. Sie wollte es erleben, selbst beschreiben. Es war meistens wie das Wetter in China: »Es regnete überhaupt immer, und es war kalt, aber Kälte schien die Mücken nicht zu stören.« Ja, fast kann man sagen, dass sie Lust auf Unannehmlichkeiten hatte: auf uninteressante Landschaften, inkompetente Bürokraten, schlechtes Essen, beinah abstürzende Flugzeuge, die mitten im Japanisch-Chinesischen Krieg 1941 durch die Schluchten rasten. Aber als sie dann Tschou En-lai trifft und mit ihm Tee trinkt, zeigt sie, dass sie vom chinesischen Kommunismus, der vier Jahre später die Macht übernimmt, nicht das Geringste weiß. »Fünf Höllenfahrten« beschreibt sie in ihrem gleichnamigen Buch: durch China, Afrika und die Karibik (wo sie deutsche U-Boote aufspüren wollte), in eine Hippie-Kommune in Israel und nach Russland zu Nadeschda Mandelstam, der Witwe des Dichters Ossip. Meist ist sie allein gereist, nach China nahm sie UB mit, den »Unwilligen Begleiter«, ihren Ehemann Ernest Hemingway, den sie für seine Höflichkeit und Geduld lobte: »keine seiner bekanntesten Qualitäten«. Noch unhöflicher schreibt sie über die »Einheimischen«, ohne die alles viel besser und schöner wäre. China: dreckig und übelriechend, und alle spucken ständig aus. Den Afrikanern empfiehlt sie den Gebrauch von Seife: »Hätte nie gedacht, dass die Nase das größte Hindernis brüderlicher Gemeinschaft sein kann.« Und doch: Auch das ist ein möglicher Blick auf die Welt, nicht verstellt von Vorurteilen und politischer Korrektheit, ein Mittel gegen die allgemeine Romantisierung in der Reiseliteratur, in der jedes fremde Volk einfach nur wunderbar ist. Warum also nicht nörgeln und die einheimischen Reiseführer als Trottel bezeichnen – vielleicht waren sie’s ja wirklich. Am schönsten war es für Gellhorn sowieso immer dort, wo es keine Menschen gab: in der Serengeti oder in der Wüste.
Der Zürcher
Dörlemann-Verlag, der ihre Schriften nach und nach herausgibt, hat auch dieses
ironische, lakonische und oft boshafte Buch, schön gestaltet und gut übersetzt,
in seine stetig wachsende Gellhorn-Edition aufgenommen. |
Martha
Gellhorn |
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