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Bücher & Themen
Artikel online seit 13.12.12

Verzettelt in Eitelkeiten

Michael Maars Roman »Die Betrogenen«


Von Krisha Kops




 

Wenn der Essayist und Literaturkritiker Michael Maar in seinem Debütroman "Die Betrogenen" über jemanden schreibt, der über jemanden schreiben will, der schreibt, dann geht es, richtig, um das Schreiben. Beziehungsweise um das Schreiben und den Literaturbetrieb.

Wie es manchmal so kommen kann, wenn das Schreiben an sich wichtiger ist als die Geschichte als Ganzes, fällt die Rahmenhandlung eher dünn aus. Anfangs handelt der Roman von dem renommierten Schriftsteller Arthur Bittner und seinem möglicherweise zukünftigen Biografen und Bewunderer Karl Lorentz.
Bittner, der Autor von der "Maske des Todes", ist über seinen posthumen Ruhm besorgt, während der Protagonist Karl alsbald andere Sorgen hat als die Biografie. Nachdem er unter falschem Vorwand, einen Essay über die Galerieszene schreiben zu wollen, auf Bittners Stieftochter und Galeristin Nora trifft, verliebt er sich in sie. Die Biografie ist jetzt nicht nur zweitrangig, sondern steht auch aus rein professionellen Gründen nicht mehr zur Debatte.

Nora verschwindet jedoch in die USA und hinterlässt einen leicht herzunterkühlten Karl. Dieser weiß sich auch zwischen den Schenkeln einer Prostituierten und der davon nicht all zu fern liegenden Literaturszene nicht zu trösten. Viel mehr äußere Handlung gibt es nicht.
Sobald Maar das Treiben der Literaturszene und deren Akteure mit Ironie beschreibt, bleibt keiner wirklich unangetastet. „Was sich da nicht alles tummelt“ und sich mit Handkuss begrüßt, bevor auf „französisch gegurrt“ wird.
Dazu gehören unter anderem eine Literaturagentin Wiedenkopf, die gerne mal gluckst und Bittners Konkurrent Manteuffel. Später wird Manteuffel Karls Nachbar und unterhält ihn von seiner Wohnung aus ungefragt mit seiner Musik. Ganz im Einklang mit den amourösen Nachtkonzerten von Karls anderen Nachbarn.

Nicht einmal Karl ist ein Unschuldslamm. Immer wieder passiert der mit Vorurteilen behafteten Hauptfigur ein Malheur. Alle wollen Anerkennung und sind dafür bereit, die Anderen zu betrügen. Ob es nun Karl ist, Nora, Bittner oder Manteuffel, der Bittner seine Auszeichnung wegschnappt. Auf die eine oder andere Art sind sie alle Betrüger, Betrogene meist gar beides.
Selbst der Leser wird ein wenig betrogen, denn trotz Maars Expertise bleibt letzten Endes von den erhofften Bildern der Szene und der meisten Figuren, bis auf Karl, nichts als schöne Konturen. Wahrscheinlich weil - richtig - das Schreiben an sich für den Autor wichtiger ist als der Rest. So scheint es zumindest.
Mit einer hohen, aber nicht überhöhten Sprache überrascht Maar den Leser immerzu mit ungeahnten Wörtern, Beschreibungen und scharfsinnigen Beobachtungen. Da gehen Mücken „ihrem stochastischem Geschäft nach“, und man sinniert über Foltermethoden ebenso wie über Riesenmarienkäfer.

Leider zerstört diese Liebe für das Detail das Gesamtwerk. Auch die Fäden, die Maar mit seinen wiederkehrenden Randmotiven - wie den verdeckten Buchtiteln, Geschwülsten, Bleistiften und der Mythologie - durch den ganzen Roman zieht, vermögen es nicht, die Geschichte zusammen zu halten.

In dem Roman vorangestellten Gespräch zwischen Autor und Lektor erwähnt Maar, dass die Chancen für einen späten Wechsel des Genres miserabel seien. Nur einer habe es in der deutschen Literaturgeschichte vom Kritiker und Journalisten zum erfolgreichen Schriftsteller geschafft: Theodor Fontane.
Es ist nicht gesagt, dass Maar den Sprung nicht gemeistert hat. Allerdings ist Maar noch nicht dort angekommen ist, wo er wohl möglich vorhatte zu landen. Die Auseinandersetzung mit der Theorie ist eben nicht alles.
Michael Maars Erstlingsroman "Die Betrogenen" ist ein Werk mit Liebe, etwas zu viel Liebe fürs Detail eines Sprachkünstlers, der für diese Kunst alles aufgibt, selbst die anderen Künste.

Michael Maar
Die Betrogenen
Roman
C.H. Beck Verlag 2012
143 Seiten, gebunden
16,95 €
978-3-406-63953-1


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