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Auch wir in Italien Ein Vademecum für den Umgang mit der politischen Kaste Von Christiane Pöhlmann Er starb, als Italien aus der Taufe gehoben wurde: Ippolito Nievo zählte gerade 29 Jahre, als er 1861 bei einem Schiffsunglück auf dem Mittelmeer ums Leben kam. Hundert Jahre später hätte ihn dieser frühe Tod vielleicht als Mythos in die Geschichte eingehen lassen. So aber überschatten auch heute noch zwei Männer sein Leben, die für jene beiden Leidenschaften stehen, denen sich Nievo verschrieben hatte. Die Rede ist von Garibaldi und Manzoni. Mit Garibaldi kämpfte Nievo für die Einigung Italiens, 1860 landete er auf Sizilien. In verschiedenen journalistischen und essayistischen Schriften setzte er sich ebenso für die nationale Einheit ein wie in seinem erzählenden Werk. Zudem verfocht er, wenn auch stets sehr unprätentiös, moralisch-ethische Grundsätze. Damit ist er ein Inbegriff des Risorgimento.
Sein
literarisches Œuvre,
das weit umfassender ist als die beiden auf Deutsch vorliegenden Romane und
verschiedene Gattungen bedient, hat von der Literaturgeschichte nur eine
sekundäre Bedeutung zugewiesen bekommen; Nievo wird meist architektonisch
charakterisiert, als Brückenschläger zwischen Manzoni und Verga. Zu Unrecht!
Die
eigentliche Story im Engel ist recht banal: Der hochbetagte,
unverheiratete Formiani ist impotent, wünscht sich aber nichts sehnlicher, als
vor seinem Tod die Erbfolge gesichert zu sehen. Und solange dieser Stammhalter
legitim, also ehelich, geboren wird, schert ihn die biologische Vaterschaft
gelinde gesagt wenig. So verfällt er auf die Idee, sich die junge Morosina zur
Frau zu nehmen – und Celio, dem Morosina in der Tat sehr zugetan ist, zur
Zeugung aufzufordern.
Vorbehaltlos legt Nievo den Finger auf jedwede Form von Heuchelei, mag diese
sich nun privatim oder gesellschaftlich äußern. Ohne Umschweife konstatiert er
einerseits: "Das
Verhältnis der Lebensalter war allerdings völlig aus den Fugen geraten, abnorme
Erschlaffung bei den Jungen und kindisches Getue bei den Älteren ließen kaum
mehr Unterschiede erkennen, Perücken und Puder taten das Ihrige dazu, den
letzten Unterschied zu verwischen", andererseits eine
weitreichende "Übereinstimmung der Laster bei Regierenden und Regierten". Doch Nievo ist vielzu sehr politisch denkender und handelnder Mann, als dass er den politischen Aufbruch seiner Zeit nicht auch in dem um rund hundert Jahre zurückdatierten Venedig durchschimmern ließe. Er artikuliert die Scheu vor dem Umbruch, die "Ängste, mit denen der Welterfahrene sich gegen feindliche Angriffe wappnet wie mit einem Harnisch und nicht bemerkt, dass die Last der Rüstung ihn weit eher zu Fall bringen kann als die befürchteten Schläge" ebenso wie die Hoffnung auf "neue Baumeister". Frappierend dabei ist, dass Nievo – wie Manzoni in den Verlobten – in einer geschichtlich überbrodelnden Zeit einen historischen Roman vorlegt. Ob er mit dieser Verfremdung seinen Zeitgenossen die Notwendigkeit einer politischen und moralischen Erneuerung verdeutlichen wollte? Zumindest scheint diese Konzeption seinen Blick für jene Verhältnisse und Grundkonflikte geschärft zu haben, die überdauern, die sowohl fürs 18. wie auch fürs 19. Jh. relevant sind. Ja, was Nievo nicht wissen konnte – und in seinem Optimismus wohl nie für möglich gehalten hätte – auch im 21. Jh. noch nicht passé sind. Ein letztes Beispiel? "Folge davon war, dass eine derart verlotterte Justiz den Guten ein Schrecken und den Übeltätern ein Gegenstand des Spotts war."
Dramaturgisch hätte er
vielleicht die eine oder andere Szene noch ausfeilen können, Manches wirkt
burlesk, mitunter fast boulevardesk. Diese Unebenheiten kittet jedoch der
Erzähler mit seinem ironischen Grundton. Damit stellt der Engel an Güte
ein Kleinod dar: Kauzige Figuren, Intrigen und Ränkespiele, Schrullen und eine
Liebesgeschichte fügen sich zu einem rundum amüsanten und spannenden Werk. Und
einem zeitlosen obendrein. |
Ippolito Nievo
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