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Snobs
in allen Kategorien erforscht Von Georg Patzer Wie schrecklich diese Lordolatrie doch ist. Aber es liegt quasi im Blut: Kaum hat sich ein Mann Verdienste erworben, als Helfer eines Ministers oder Gewinner einer Schlacht, belohnt ihn das Land »durch eine kleine Krone aus Gold (mit mehr oder weniger Kugeln oder Laub), durch einen Titel und den Rang des Gesetzgebers. ‚Deine Verdienste sind so groß’, sagt die Nation, ‚dass es deinen Kindern gestattet sein soll, gewissermaßen über uns zu herrschen. Es hat nicht die geringste Bedeutung, dass dein ältester Sohn ein Trottel ist; wir finden deine Dienste so bemerkenswert, dass deine Ehrungen ihm zufallen sollen, wenn einst der Tod deine edlen Schuhe leert.’« Und was folgt daraus: die Anbetung der Lords, der Adeligen. Die natürlich nichts dafür können, wenn sie zu Snobs werden: gänzlich überzeugt von sich und ihrer Bedeutung. Zu seinem 200. Geburtstag wurde endlich einmal wieder das »Buch der Snobs« von William Makepeace Thackeray (1811-1863) neu übersetzt und (erstmals vollständig) herausgegeben, eine Sammlung von Artikeln für die Satirezeitschrift »Punch«, die 1846/47 erschienen: eine einzige boshafte, spöttische Serie von 52 Kritiken an diesem Menschenschlag, der bis heute nicht ausgestorben ist und der in allen Schichten vorkommt: unter Adeligen ebenso wie unter City-Bankern und Intellektuellen. Sie alle haben etwas gemeinsam: Sie sind keine wahren Gentlemen, sondern arrogante, aufgeblasene Angeber. »Snobs sind zu erforschen wie andere Gegenstände der Naturwissenschaften«, schreibt Thackeray im Vorwort. Und es kommen wirklich alle vor: Fabrikantengattinnen, hochherrschaftliche Partylöwen oder ihre Diener in kreischgelben Livrees. Alle Kategorien buchstabiert Thackeray durch: Clubsnobs, kontinentale und militärische Snobs, literarische und Universitätssnobs, auswärts dinierende und Country-Snobs. Sein »Buch der Snobs« ist deshalb nicht nur ein geistreiches satirisches Meisterwerk der viktorianischen Epoche, sondern auch eine treffende Analyse dieser Gesellschaft.
Das gelingt ihm vor allem
deswegen so gut, weil er, wie das englische Original zugibt, einer der ihren war
(»The Snobs of England, by One of Themselves« lautet der Titel): Gerade
volljährig geworden, hatte er seine nicht gerade kleine Erbschaft durch
Glücksspiel, Börsenspekulation und törichte Investitionen durchgebracht und war
schon ruiniert – wie sich das gehört: Man kann halt nicht mit Geld umgehen… Und
so musste Thackeray Geld verdienen und schrieb über die Menschen, die er am
besten kannte: Gesellschaftsmenschen und ihre Zerrbilder, die Snobs. Das liest
sich wie eine Vorübung zu seinen großen Gesellschaftsromanen »Jahrmarkt der
Eitelkeiten« und »Barry Lyndon«, aber es ist noch sehr viel amüsanter
geschrieben, elegant und lässig und jeder Abschweifung mit Wonne nachgebend. |
William
Makepeace Thackeray |
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