Bekanntlich
hat der makedonische Kriegsherr Alexander, der später der Grosse
genannt werden sollte, 333 v. Chr. die "Keilerei" bei Issos gegen
den persischen König Dareios III gewonnen, und die weitere
Geschichte nahm den aus unseren Geschichtsbüchern gelernten Verlauf.
"Wonach das antike Griechenland das alte Rom hervorgebracht hat, Rom
wiederum das christliche Europa, das christliche Europa die
Renaissance, die Renaissance die Aufklärung, und die Aufklärung
politische Demokratie sowie die industrielle Revolution. Die
Industrie wiederum soll - nachdem sie sich mit der Demokratie
vermählt hat - die Vereinigten Staaten von Amerika gezeugt haben,
die bekanntlich das Recht auf Leben und Freiheit sowie das Streben
nach Glück verkörpern." (Aus: E.Wolf, Die Völker ohne Geschichte,
Europa und die andere Welt seit 140.)
Das ist der Verlauf der Geschichte, den Generationen von Historikern
uns eingebläut haben: "das Mantra des politischen, kulturellen und
moralischen Triumphs des Westens." Diese Eurozentrische Sichtweise
dominiert seit der Kolonialzeit unsere Einstellung gegenüber dem
"Rest der Welt".
Doch nun hat der Brite Peter Frankopan dieses scheinbar fest gefügte
Fundament gehörig ins Wanken gebracht. Er repräsentiert jene smarte
Generation von Historikern, die tradierte Denkmuster aufbrechen und
alternative Sichtweisen auch wissenschaftlich salonfähig machen. Mit
seinem opulenten wie fundierten Geschichtswerk "Licht aus dem Osten"
verführt er uns, neu auf den Lauf der Geschichte zu blicken. Sein
Ausgangspunkt ist dabei nicht Europa, sondern der Nahe und Mittlere
Osten. Denn dort entstanden die ersten Hochkulturen, die drei
monotheistischen Weltreligionen und ein Überfluß an Gütern, Kultur
und Wissen, der das Alte Europa seit jeher ebenso neidvoll wie
gierig nach Osten blicken ließ.
Frankopans mitreißende Erzählungen basieren auf einem umfangreichen
Quellenmaterial, allein über 170 Seiten Anmerkungen und
Literaturangaben belegen nachdrücklich seine Sicht auf einen anderen
Gang der Geschichte.
In 25 Kapiteln und einem Resümee setzt er die Schwerpunkte seiner
Reise durch gut 2.500 Jahre Weltgeschichte. Er zeigt wie Orient und
Okzident historisch viel enger miteinander verbunden sind, als wir
es bislang wahrhaben wollten.
Ob es darum ging, über riskante Handelswege die begehrte Seide,
chinesisches Porzellan oder Gewürze nach Europa zu bringen, den
westlichen Reichen noch unbekannte Techniken wie die der
Papierherstellung zugänglich zu machen, immer waren es
wirtschaftliche Interessen, die den Okzident mit dem Orient in
Konflikt geraten ließen. Vom Sklavenhandel mit der islamischen Welt,
der Venedig im Mittelalter zum Aufstieg verhalf; von islamischen
Gelehrten, die das antike Kulturerbe pflegten, lange bevor Europa
die Renaissance erlebte; von der Erschließung der Rohstoffe im 19.
Jahrhundert bis hin zum Nahostkonflikt. Schließlich erklärt
Frankopan nachvollziehbar, warum sich die Weltpolitik bis heute in
Staaten wie Syrien, Afghanistan und Irak entscheidet.
"Während wir im Westen noch darüber nachdenken, woher die nächste
Gefahr drohen mag, wie man am besten mit religiösem Fanatismus
umgeht, wie man mit Staaten verhandelt, die bereit sind,
internationales Recht zu mißachten, und wie man Beziehungen zu
Völkern, Kulturen und Regionen aufbaut, die zu verstehen wir uns
bisher kaum oder überhaupt nicht bemüht haben, werden klammheimlich
Netzwerke und Verbindungen entlang des Rückens von Asien geknüpft,
genauer: Sie werden wiederhergestellt. Die Seidenstraßen leben
wieder auf."
Wer sich für wissenschaftlich fundierte und packend erzählte
Geschichtschreibung interessiert, die den Blick für neue
Perspektiven öffnet, muß
dieses Standardwerk gelesen haben.
Artikel
online seit 13.12.16
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Peter
Frankopan
Licht aus dem Osten
Eine neue Geschichte der Welt
Übersetzt von Michael Bayer; Norbert Juraschitz
Rowohlt Verlag
944 Seiten
39,95 €
978-3-87134-833-4
Leseprobe
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