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Glanz&Elend
Literatur und Zeitkritik


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Das Glück am tätigen Sein

Eine Hommage zum 90. Geburtstag Hilmar Hoffmanns

Von Wolfram Schütte

 

Wem wie dem jugendlichen Fallschirmjäger Hilmar Hoffmann an der Westfront gelungen ist, lebend den französischen Boden zu erreichen & in den Schutz der amerikanischen Kriegsgefangenschaft zu kommen, der hat 1944 Glück gehabt (wenngleich der junge Mann das womöglich damals noch anders sah). Das frühe Glück ist dem 1925 in Bremen geborenen Hilmar Hoffmann sein ganzes (öffentliches) Leben über treu geblieben.

Er hat jedoch auch stetig dafür etwas getan. Auf seinen Lorbeeren hat der stets aktive »Hilmar« sich nicht ausgeruht, so viele Kränze ihm gewunden, Ehrungen ihm zu Teil  & Preise ihm verliehen wurden. Und das waren einige. Abgesehen davon, dass derlei der Eitelkeit schmeichelt – »Nur Lumpe sind bescheiden« (Goethe) -, bezeugten die mannigfachen Ehrungen ihm auch, dass er wahrgenommen & respektiert wurde. Um mit einem Brecht-Gedicht zu sprechen: »Er hat Vorschläge gemacht. Wir / haben sie angenommen«; zumindest einige, folgenreiche.

Als er 1951 in Oberhausen der jüngster Direktor einer bundesdeutschen Volkshochschule wurde, war gewiss nicht abzusehen, dass die von ihm mit seinem Freund Will Wehling 1954 ins Leben gerufenen »Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen« einmal zum Gründungsort des »Neuen deutschen Films« der Bundesrepublik (!) werden würden. Das »Oberhausener Manifest« war eine nachhaltige Initiative, einen anderen (west)deutschen Nachkriegsfilm zu schaffen. Von seinen damaligen Unterzeichnern sind heute noch Werner Herzog, Alexander Kluge & Edgar Reitz tätig.

Der Kurzfilm, der damals noch bei uns als Zugabe neben der Wochenschau jeden Film im Kino begleitete, war aufgrund der bescheideneren finanziellen Mittel das einzige Arbeits- & Experimentierfeld der jungen deutschen Filmschaffenden. Denn die westdeutsche Filmindustrie lebte von A bis Z aus dem alten personellen (UFA-)Bestand & dichtete sich total ab gegen die Jungen. Umso mehr konzentrierte sich der von der Altbranche unerwünschte Nachwuchs auf den Kurzfilm & dessen mögliche Prämierung als »wertvoll« oder »besonders wertvoll« oder durch einen Festivalpreis.

Denn ein solcher Kurzfilm reduzierte je nach seiner Auszeichnung die Steuer für den Verleih des Films, der ihn ins Beiprogramm genommen hatte. Deshalb war ein Festival wie das von Oberhausen so eminent wichtig für den bundesdeutschen Filmnachwuchs, der zugleich dort mit den großen Dokumentationen & Experimenten des  internationalen Films bekannt wurde.

Die »Internationalen Kurzfilmtage von Oberhausen« waren neben der »Mannheimer Filmwoche« das am weitesten geöffnete Fenster für das internationale Filmschaffen in der provinziellen, strikt antikommunistische BRD der Adenauerzeit, vor allem auch für das erstaunlich vielseitige  Filmschaffen aus dem »Ostblock«, wo der Kurz-& Dokumentarfilm wie in Westeuropa besonders wichtig war für die kreativen & kritischen Cinéasten. Das Kurzfilm-Festival von Oberhausen war neben dem von Mannheim also in der Bundesrepublik der einzige Ort, an dem man als Filmkritiker damals eine erste Bekanntschaft mit Talenten wie Roman Polanski oder Alain Resnais machen konnte.

Dieses Fenster vor allem auch für Filme aus der DDR & den anderen »sozialistischen« Staaten offen zu halten gegen die politische Zensur der BRD, war eine erste große Leistung Hilmar Hoffmanns. Er agierte dabei unter den Fittichen der resoluten Luise Albertz (SPD), deren Vater im KZ ermordet worden war & die (als erste Oberbürgermeisterin der Bundesrepublik) von 1956 bis zu ihrem Tode 1979 Oberhausen geführt hat.

Gewiss hat diese großartige, handlungsstarke Frau, die als Mitglied des Bundestags den Beinamen »Mutter der Bedrängten« erhalten hatte, auch Hilmar Hoffmanns eigene politische Haltung in der linken SPD geprägt. Als Hoffmann 1970 nach Frankfurt wechselte & bis 1990 dort unter zahlreichen SPD-Oberbürgermeistern, aber auch unter den CDU-Politikern Walter Wallmann & der erstmals direkt gewählten Petra Roth (einer Bremerin!) als Kulturdezernent »diente« als sei der Posten einzig für ihn reserviert, wuchs er stetig in die Rolle des dominanten bundesdeutschen Kulturpolitikers von einsamem Rang hinein. Nur der drei Jahre jüngere Kulturhistoriker & Nürnberger Kulturdezernent Hermann Glaser konnte seinem SPD-Genossen eine Zeit lang das Wasser reichen. Bis Hofmann in Frankfurt am Main so richtig loslegte, Michael Gielen & Klaus Zehelein an die Frankfurter Oper holte & daran ging, sowohl das Sachsenhäuser Museumsufer zu entwickeln als auch das Museum für Moderne Kunst & die Schirn mitten in der Stadt bauen zu lassen.

Mit dem Theater hatte er weniger Fortune, wiewohl er es war, der (zeitkonform) im Schauspielhaus ein Mitbestimmungsmodell  installierte & gleichzeitig R.W.Fassbinder mit seiner Truppe im Theater am Turm sesshaft machen wollte. Beides scheiterte: an den Künstlern.

Umso erfolgreicher war Hoffmann mit seinem Lieblingsprojekt: dem »Kommunalen Kino«. Es war 1971 zwar historisch gesehen erst das vierte Kommunale Kino in der Bundesrepublik, musste auch gegen die Frankfurter Kinobetreiber juristisch durchgefochten werden; aber erst mit dem Kino im neu gegründeten »Deutschen Filmmuseum« war der allgemeine Durchbruch für die ebenso notwendige wie unvermeidliche, »rettende« Musealisierung des Films & die Kommunale-Kino-Idee in Deutschland gelungen.

Hilmar Hoffmanns sozial-demokratischer kulturpolitischer Impetus aus seiner Oberhausener Zeit wurde glücklich beflügelt von der Person & den Zielen des größten Sozialdemokraten der deutschen, europäischen Nachkriegszeit: Willy Brandt. Dessen Losung »Mehr Demokratie wagen« übersetzte Hilmar Hoffmann auf  seine Weise in den Imperativ: »Kultur für alle«! Obwohl leicht missbräuchlich, bzw. vielseitig interpretierbar, wurde der Titel seines 1979 erschienenen programmatischen Buchs schnell sprichwörtlich, führte langfristig zu gleichnamigen kulturpolitischen Initiativen & blieb sozusagen das Entreebillet seines Autors zur bundesdeutschen - oder sogar weltweiten Berühmtheit.

Hilmar Hoffmanns kultureller Enthusiasmus & seine stetige »Verliebtheit ins Gelingen« (wie der ihm typologisch verwandte Suhrkamp-Verleger Unseld das für sich reklamierte) haben ihm in seiner öffentlichen Karriere vielfach geholfen. Sein Ziel vor Augen, war er ein eindringlicher Pragmatiker, um ohne Skrupel auch mit dem politischen Gegner erfolgreich & verlässlich, will sagen: ebenso fair wie ehrlich zu paktieren oder mit seinem persönlichen Charme & seiner eloquenten Überzeugungsarbeit materiell mächtigen Wirtschaftlern das notwendige »Spendengeld« für seine öffentlichen Projekte »aus der Tasche zu ziehen«.

Derlei »Nebentätigkeiten«, die sich als öffentlich zugedachte von denen anderer deutscher Politiker radikal unterscheiden, ist er auch in seinem Ruhestand, erst als Präsident der »Stiftung Lesen« & dann als Präsident des Goethe-Instituts (1992/2001) immer wieder lustvoll & freudig nachgegangen. Hilmar Hoffmanns Souveränität & Integrität hat ihm enge persönliche Bekanntschaften, ja sogar Freundschaften mit politischen Weggefährten aus anderen Parteien erlaubt – so z.B. mit Petra Roth, der langjährigen Frankfurter Oberbürgermeisterin. Ebenso offen hat er aber auch seine politische & persönliche Distanz zu den SPD-Kanzlern Helmut Schmidt & Gerhard Schröder geäußert; unnachsichtig in aestheticis, hat er jedoch am Montage-Genie Leni Riefenstahls festgehalten, trotz ihrer bekannten nazistischen Implikationen, die er im Notfall mit Eisensteins stalinistischen Zügen aufgewogen hat..

Wenn Hilmar Hoffmann, der sich als Buchautor bis ins hohe Alter geistig fit gehalten hat, heute seinen 90. Geburtstag feiert – zu dem die Stadt am Main, die ihm sehr viel für ihr kulturelles Ansehen verdankt, einen Empfang ausrichtet -, kann er auf ein großes, folgenreiches öffentliches Wirken & Handeln mit Stolz & Zufriedenheit zurückblicken. Wir alle, seine Zeitgenossen und Wegbegleiter, betrachten mit Freude & auch etwas Wehmut (weil wir seinesgleichen weit & breit in der politischen Landschaft derzeit nicht sehen) das geglückte öffentlich tätige Leben Hilmar Hoffmanns.

Artikel online seit 24.08.15
 

 


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