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Superheldenfamilie mit ganz besonderem Talent
Der kürzlich auf Deutsch
erschienene Roman »Der Susan Effekt« |
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Die Protagonistin – man muss vielmehr sagen, Heldin – des Romans ist Susan Svendson, Experimentalphysikerin, schlauer Kopf, Femme fatale und Mutter zweier Kinder. Doch das ist noch nicht alles. Susan besitzt eine besondere Gabe: Auf unerklärliche Weise ruft sie in den Menschen, die ihr begegnen, Aufrichtigkeit hervor. Manchmal legt sie es drauf an, meistens aber eröffnen ihr die Anderen die innersten Gedanken und Gefühle ohne dass Susan das lieb wäre: »Genau das ist das Problem mit der Wirklichkeit. Sie ist keine stabile chemische Verbindung, sie ist eine labile Mischflüssigkeit. Und ein großer Prozentsatz der Mischung besteht aus Leiden«. Der Name zu dieser Gabe ist »der Susan Effekt«, ein Begriff, der aus der Kindheit stammt, etwa wie ein Spitzname, nur für ein Phänomen, das die Erwachsenen bei der kleinen Susan entdeckten. Familie Svendson Der Susan Effekt wirkt nicht immer, aber meistens. Nur wenige bleiben davon unberührt. Zudem wird der Susan Effekt durch die Anwesenheit ihres Noch-Ehemanns verstärkt, die Scheidung ist beschlossene Sache. Laban Svendson ist ein bedeutender Komponist Dänemarks und steht oft und gerne im Rampenlicht. Der Leser kennt ihn ausschließlich durch die Augen der Ich-Erzählerin, seiner Frau, die einerseits weiß, dass sie zusammengehören und andererseits nicht damit klarkommt, die Frau hinter einem großen Mann zu sein. Susan braucht Bestätigung, braucht Männergeschichten und das Gefühl von Selbstständigkeit. Die Zwillinge des Ehepaars Svendson, Thit und Harald, sind 16 Jahre alt. Sie verhalten sich teils kindlich teils altklug und besitzen die Gabe ihrer Mutter. Alle vier befinden sie sich im Zwiespalt von Familienzusammenhalt und den Versuchungen der Welt draußen. Høeg hat mit dieser Personenkombination ein ebenso gelungenes Ermittlerteam wie auch das Soziogramm einer, von dem Effekt einmal abgesehen, gehobeneren dänischen Familie konstruiert. Der eigentlichen Geschichte geht eine verschwommen dargestellte, nur in Fragmenten erzählte, Indienreise voraus, die die Familie zusammen antrat, sich dann aber zersplitterte. Im Moment der Zusammenführung der Svendsons in Dänemark durch den hochrangigen Juristen Thorhild Hegn wird deutlich: Die indische Regierung ist aufgrund angeblicher krimineller Delikte hinter jedem einzelnen Familienmitglied her und der dänische Staat scheint die letzte Rettung. Doch den versprochenen Schutz gibt es nicht umsonst: Wegen ihres Talents soll Susan etwas über die streng geheime Organisation »die Zukunftskommission« in Erfahrung bringen. Wie sieht‘s aus im Staate Dänemark? Um ihre Familie zu schützen, lässt Susan sich auf die Angelegenheit ein und verstrickt sich in politischen Machenschaften. Mit Hilfe von Laban, Thit und Harald macht sie sich an den Versuch, Licht ins Dunkel zu bringen. Die Zukunftskommission war einst ein Zusammenbund junger Wissenschaftler, die durch den Nutzen ihrer kollektiven Intelligenz Geschehnisse vorausgesagt haben, die auch wirklich eintraten. Dabei haben die Mitglieder Zusammenhänge zwischen vergangenen und bestehenden politischen Situationen dargestellt, folglich, und das sickert durch den ganzen Roman, ist das keine hanebüchene Wahrsagerei sondern gesunder Menschenverstand. Nimmt die Geschichte nicht Bezug auf das, was im Moment auf der Welt geschieht und warnt es uns vielleicht auch? Dieser fast 400-seitige Roman setzt sich mit der Frage nach wissenschaftlichem Fortschritt und dessen Missbrauch auseinander und scheint gleichzeitig danach zu fragen, was der Einzelne hört oder sieht und vor was er die Augen und Ohren verschließt. Die Bösen scheitern an der Wahrheit, die sie nicht für immer verleugnen können und aus Susans Mund erfährt man eindeutige Kritik: »Es gibt so eine Art Hintergrundgedudel. Und nicht nur hier, sondern überall in Dänemark, ich habe das immer gehört. Es ist ein Lied, das davon handelt, dass alles in bester Ordnung ist, keine Sorge. Es soll uns einen tieferen Hunger vergessen lassen. Aber nicht mit mir. Verstehst du, ich hab ewig Hunger.« Der meist im Präsenz und aus der Perspektive Susans geschriebene Roman bringt den Leser nahe an das Geschehen, vor allem extrem nahe an die Erzählerin heran, die so unverwüstbar ist, dass es anfangs wirklich nerven kann. Alles gelingt ihr, sie ist selbstbewusst und eine von der coolen Sorte und dann ist sie auch noch eine fühlende Frau und Mutter, die zudem selbst mit 43 Jahren noch das Sexsymbol überhaupt zu sein scheint. So viel ist klar, Susan ist keine Frau Smilla, eher das Gegenteil. Aber dann wirkt der Effekt auch beim Leser und man wirft langsam seine Abneigung gegenüber dieser sich anscheinend so toll findenden Frau über Bord und gibt sich Susan und dieser waghalsigen Geschichte hin. Irgendwie ist es auch erfrischend, dass eine mal so genau weiß, wo’s langgeht. Nicht zuletzt wird das Lesevergnügen durch die Sprache evoziert, die mit genauesten wissenschaftlichen Details der Physik gespickt, auf das Leben Bezug nimmt, das ebenso wie das nordisch-magische Etwas selten mit Fakten erklärt werden kann.Artikel online seit 12.08.15 |
Peter Høeg |
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