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Glanz&Elend
Literatur und Zeitkritik


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Glanz&Elend
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Sex und Macht

Die zwölf neuen Erzählungen von A.L. Kennedy erzählen von den Seltsamkeiten der Liebe.

Von Georg Patzer

 

Nein, romantisch ist das nicht. Viel Gewohnheit ist in diesen Geschichten, die da zwischen Paaren passieren. Oder neben den Paaren. "Weil Mittwoch ist, vögelt er Carmen", heißt es: "Grotesk unpassender Name für eine Putzfrau, Carmen. Passt nicht mal zu ihr als Mensch - wirklich vollkommen unangemessen. Wie natürlich auch das Vögeln. Ich bin ihr Arbeitgeber - berufliche Beziehung, Vertrauensverhältnis und so weiter -, ich sollte mich besser im Zaum haben. Wobei Sex natürlich auch ein Beweis gegenseitigen Vertrauens sein kann. Ich könnte argumentieren, dass ich gewissermaßen eine Ebene zwischenmenschlicher Entspannung etabliere." Oder die Geschichte von Mark, der mit seiner Frau an einem Bahnhof gestrandet ist, wo sie ihn wie so oft runterputzt und er aus alter Gewohnheit die Umgebung abtastet, die Frau, die dort wartet, taxiert, all das im "toten Winkel" seiner Frau. Wobei er eigentlich in seiner Affäre mit der jungen Punkerin Emily die wahre Liebe entdeckt hat, aber das will er sich nicht eingestehen.

In den Romanen und Geschichten der schottischen Autorin A.L. Kennedy geht es immer um Liebe. Aber Liebe hat viele Variationen, kennt viele Spielarten, und bei Kennedy ist die Liebe, oder was ihre Figuren dafür halten, immer etwas seltsam, immer ein wenig aus der Spur geraten. Oder Kennedy macht diese Seltsamkeit, die es in der Liebe gibt, einfach nur deutlich, indem sie nur einen Schritt weitergeht. Uns die Merkwürdigkeiten bewusst macht.

Wie in Philips Erzählung von Carmen, die wie so viele bei Kennedy in einer zärtlichen Geste endet: "Und dann lässt er sie. Er lässt sie seine Haare kämmen – die kleinen Zinken von der Stirn nach hinten fahren, über seine Schläfen, ihn vom Haaransatz bis zum Nacken glatt streichen, und er lässt das Gesicht nach vorn sinken und nickt, zeigt ihr damit an, dass sie weitermachen soll, und manchmal machen sie das zwanzig Minuten, eine halbe Stunde lang, oder bis er vergisst, bis er verblasst, bis er geklärt ist. Es hilft. Es hilft auf jeden Fall.“

Viele ihrer Geschichten haben solche starken Bilder, viele lassen den Leser träumend und nachdenklich zurück. Und erinnernd, an eigene, seltsame Erlebnisse, an zärtliche Annäherungen oder vergebliche Erfüllungen. An Gedanken über Sex und Machtspiele, zu denen die Liebe entweder verkommt oder die ihr immer innewohnt. Und dennoch ist auch bei der Skeptikerin Kennedy immer, auch in diesen zwölf neuen Erzählungen, eine Zartheit und Sanftheit, die aus den manchmal sarkastischen und manchmal bitter humorvollen Passagen hervorleuchten: "Liege ich falsch mit dem Gedanken – wenn ich den Mann berühre, den ich liebe, egal, wie ich ihn berühre, dann geht es nur darum, dass ich ihn berühre und dass es Liebe ist (…) und dort zart zu sein, wo er zart ist, denn das wäre nur recht und am besten und am schönsten und meiner Seele am liebsten, und Lippen an zarten Orten können zart sein."

Artikel online seit 12.11.15
 

A. L. Kennedy
Der letzte Schrei
Erzählungen
Aus dem Englischen von Ingo Herzke
Hanser Verlag
204 Seiten
19,90 Euro

Leseprobe


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