Home

Termine     Autoren     Literatur     Krimi     Quellen     Politik     Geschichte     Philosophie     Zeitkritik     Sachbuch     Bilderbuch     Filme





Glanz&Elend
Literatur und Zeitkritik


Anzeige

Glanz&Elend
Ein großformatiger Broschurband
in einer limitierten Auflage von 1.000 Ex.
mit 176 Seiten, die es in sich haben.

Ohne Versandkosten bestellen!
 



Bücher sind wie Pilze

Ist es möglich, die eigene Vergangenheit in Zeiten des Internets zu vergessen?
Mit Aufstieg und Fall großer Mächte stellt Tom Rachman, Autor von »Die Unbekannten«,
ebendies in Frage.

Von Felicitas Korb

 

Alles ist anders in Tom Rachmans Roman: die Thematik, die Geschichte, die Figuren. Angefangen bei Fogg, einem, seines Erachtens, schwer unterschätzten Mittzwanziger, der sich selbst gerne reden zu hören scheint, über Paul, dem leicht neurotischen Vater der Protagonistin, sowie Venn, Sarah und Humphrey, bis hin zu Tooly, der Hauptfigur in Rachmans Roman. Als Kind eine aufgeweckte, sonderbare kleine Nervensäge, begleitet sie ihren Vater auf dessen Geschäftsreisen, die beide in die verschiedensten Länder verschlägt. Und auch als Erwachsene, gleicht Toolys Leben oft eher einer Hetzjagd: Aus Angst vor ihrer Vergangenheit, die sich erst nach und nach zu einem kohärenten Bild vereint, flüchtet Tooly von einem Land ins nächste, bis sie eines Tages in Wales landet und dort ein kleines, altes und nicht sehr gewinnbringendes Bücher-Antiquariat übernimmt.

Zunächst scheint es, als hätte Tooly dort ihre Bestimmung gefunden. Zwar wird sie mit den Dorfbewohnern nicht wirklich warm, dennoch ist sie dort von der einen Sache umgeben, die sie über alles liebt: Bücher. Paradox, bedenkt man, daß Bücher genau jene Dinge sind, die sie im Prinzip am meisten an ihre Vergangenheit binden. So sehr sich Tooly allerdings in ihre Bücher vertieft, so sehr sie, mehr oder weniger erfolgreich, versucht, in Abendkursen diverse Hobbies zu erlernen oder zu vertiefen: Die Gespenster ihrer Vergangenheit holen sie immer wieder ein, so dass sie schließlich beginnt, die Namen derer zu googeln, die sie im Laufe ihres Lebens begleitet haben.

Obwohl sie sich im Internet immer unter Pseudonym auf die Suche nach ihr bekannten Menschen macht, wird sie eines Tages aufgespürt. Ihr Exfreund Duncan bittet sie in jene Stadt zurückzukommen, in der ihr Leben einst mehr denn je ins Chaos gestürzt worden war. Tooly fliegt prompt nach New York. Dort angekommen beginnt sie, sich nicht nur um ihren „Vater“ zu kümmern, sondern auch mehr über ihre Kindheit und Jugend, und vor allem über den Mann, der einst ihr großes Vorbild war, herauszufinden: Venn.

Doch wie Venn im Roman die Zügel in der Hand zu haben scheint, so spielt Tom Rachman mit dem Leser. Er bringt es fertig, dass man sich insgeheim Fragen stellt und selbst dabei erwischt, über die ein oder andere philosophische oder gesellschaftskritische Behauptung zu sinnieren. Was den Leser vor allem in den Bann zieht, ist die Rasanz mit der die Handlung von Aufstieg und Fall großer Mächte quasi vorbeifliegt.

Am Ende steht eine Aussage Humphreys, die die Leseerfahrung dieses wirklich außergewöhnlichen Romans zusammenfasst: „Bücher […] sind wie Pilze. Sieht man nicht hin, vermehren sie sich. Ihre Zahl wächst nach Regeln von Zinseszins: Ein Interesse führt zu nächstes Interesse, und das verbindet sich mit drittes Interesse. Und schwups, […] hat man mehr Interesse als Platz im Schrank.“ Tom Rachman hat ein solches Kunststück geschafft.

 Artikel online seit 21.05.15
 

Tom Rachman
Aufstieg und Fall großer Mächte
Roman
Aus dem Englischen von Bernhard Robben
Deutscher Taschenbuch Verlag
496 Seiten, (Gebunden)
21,90 €
978-3-423-28035-8


Glanz & Elend
- Magazin für Literatur und Zeitkritik
Home   Termine   Literatur   Blutige Ernte   Sachbuch   Politik   Geschichte   Philosophie   Zeitkritik    Filme   Impressum - Mediadaten