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Literatur und Zeitkritik


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»Wie ein Katastrophenfilm«

Donald Trump wird neuer Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.
Daniel Weber, Redakteur der Zeitung Der Sonntag sprach mit Wolfgang Hochbruck,
Professor für Nordamerikastudien an der Universität Freiburg, über diese Wahl und ihre Begleiterscheinungen.

 

Wann haben Sie Donald Trump zum ersten Mal wahrgenommen?

Das muss schon in den neunziger Jahren gewesen sein. Da war Trump ein Wirtschaftsphänomen, das damals schon das Laute und Vulgäre widerspiegelte. Seine Shows im amerikanischen Fernsehen hatte ich lange nicht auf dem Schirm, muss ich zugeben. Aber es passt ins Bild. Als er verkündete, dass er Präsident werden will, schien das erst mal absurd. Dass sich dann etwas anbahnte, was den Rahmen des bekannten politischen Systems sprengen würde, das ist mir erst mit der republikanischen Convention im Juli in Cleveland richtig bewusst geworden. Als er dann tatsächlich zum Kandidat gekürt wurde.  

Nun ist er zum Präsidenten der USA gewählt worden und damit bald mächtigster Mann der Welt. Für viele ist Trump eine menschgewordene Drohkulisse. Zu Recht?

Absolut, ich halte ihn für gemeingefährlich. Wenn man von der politikwissenschaftlichen Seite da drangeht, hat er lauter Sachen gemacht, die ihm die Wahl hätten kosten müssen. Sein Wahlkampf war im Grunde genommen wie ein Katastrophenfilm mit ihm in der Hauptrolle. Ich gehe von einer kulturwissenschaftlichen Seite heran und sage: Er hat alles, was alte Filmhelden machen, gemacht und deshalb ist er im Bild der Leute dringeblieben, das er ja schon seit Jahrzehnten von sich selber zeichnet. Trump mimte die Maverick-Figur, die sich gegen das Establishment und die ja so korrupte Administration stellt. Der Held Trump macht alles besser und greift auch noch die Frauen ab, das Wortspiel ist an der Stelle  unvermeidlich. Der Held darf einfach alles, deshalb blieb auch nichts an dem Mann hängen. Es kommt einem vor, als steige da eine Figur aus dem Bildschirm und mache sich über die reale Politik her. Trump ist Realsatire. Man könnte auch sagen: die Wiederauferstehung von Ronald Reagan als Horrorclown.

Seit seiner Wahl kommen plötzlich versöhnliche Töne aus dem Mund des Krawallmachers.

Ist das der Wolf, der Kreide gefressen hat, oder ist das ein anderer Trump, der sich tatsächlich ähnlich wie Reagan in politische Bahnen wird lenken lassen? Das kann ich schlecht einordnen. Ich frage mich, ob der Mann wirklich so größenwahnsinnig ist, und wir uns ab Januar auf fürchterliche Sachen gefasst machen müssen, oder ob er höchst geschickt und sehr intelligent diese ganze Kampagne auf seinem Bild in der Öffentlichkeit aufgebaut hat. 

War diese Präsidentschaftswahl pro Trump oder letztlich vor allem contra Hillary Clinton und die Politik, für die sie steht?

Es war eindeutig eine Anti-Establishment-Wahl. Hillary war für viele, und das nicht ganz zu Unrecht, die Metapher für das, was in der amerikanischen Politik schiefläuft: Diese enge Verzahnung zwischen wirtschaftlichen und politischen Interessen, dieser Elitismus. Leider hat man gerade auch sie und ihren Mann mehrfach beim Lügen erwischt. Und deren Lügen wurden ganz anders gewertet als die seriellen Lügen von Trump. Eine Menge Leute, die jetzt Trump gewählt haben, haben die letzten acht Jahre in schierem Horror darüber verbracht, dass mit Barack Obama ein eleganter, hochintelligenter Afro-Amerikaner Präsident war. Dass dieser »uppity nigger« wieder verschwindet und einer von ihnen an die Macht kommt, dafür haben die alles geschluckt, was Trump von sich gegeben hat. Seine Aussagen gingen ja auch nicht gegen sie. 

Der Milliardär Trump als »einer von uns« für Amerikaner vornehmlich aus der unteren Mittelschicht. Wie passt das? 

In den USA ist das so. Aber das bekommen sie hier schlecht erklärt. Als das erste Mal einer vor mir stand, den wir im Soziologendeutsch als proletaroide Kümmerexistenz bezeichnen würden, und der mir erklärte, er sei nicht »poor« sondern »pre-rich«, dachte ich, der hat Wahnvorstellungen. Aber der sah das nicht so. Davon gibt es da ziemlich viele. Trump ist ja eine Linie gefahren von Show und Wirtschaftsbetrügereien. Und viele Amerikaner finden Wirtschaftsbetrüger toll. Im Grunde genommen sind sie neidisch, dass sie nicht selber auf solche Ideen gekommen sind. Von daher ist Trump in seiner Redneck-Primitivität einer von ihnen, und er ist auch noch Milliardär, also somit Projektionsfläche und Vorbild. Das muss man leider so sehen.  

Hillary Clinton hat in der  Gesamtheit über 200.000 Wählerstimmen mehr als Trump auf ihrer Seite.

An einem Punkt hat Trump ja recht. Das amerikanische Wahlsystem ist völlig korrupt. Das ist ein Wahlsystem aus dem 18. Jahrhundert. Es ist das dritte Mal, dass der Kandidat an die Macht kommt, der insgesamt weniger Wählerstimmen hatte. Bei Reagan, George W. Bush und jetzt bei Trump war das der Fall. Die Republikaner werden das System aber nicht ändern, weil sie jedes Mal davon profitiert haben. Und Obama konnte es nicht, weil er den Kongress gegen sich hatte.

»Make America Great Again« lautet das Mantra von Trump. Auf welches »Great« bezieht er sich damit eigentlich? 

Das ist ein völlig metaphorisches »Great«. Ein Selbstwertgefühl, das an Ronald Reagan in den Achtzigern anschließt. Dessen Ideologie hatte seinerzeit weder in der Wirtschaft noch im Politischen irgendeine Deckung. Aber dieses Hingwegkommen über das Trauma des verlorenen Vietnamkrieges war eine höchstgradig psychologische Geschichte, und da hat er die Gefühle bedient. Ebenso macht es Trump. Wir sind nicht in der postfaktischen Gesellschaft, diesen Ausdruck halte ich ehrlich gesagt für Quatsch. Es ist ein in Mode gekommenes Schlagwort, das andere dazu benutzen werden, auch nur noch Mist zu erzählen. Sondern wir leben in der Sentimentsgesellschaft. Es geht um Gefühle, nicht um Fakten. 

Fakt ist auch, dass Trump die Gefühle vieler Republikaner verletzt hat, die sich im Wahlkampf dann von ihm abwendeten. Wie groß ist seine Rückendeckung in der eigenen Partei?

Nun ja, nichts schmeckt ja bekanntlich so süß wie die Macht. Und wenn sich republikanische Abgeordnete und Senatoren gegen ihn stellen würden, müssten sie zusammen mit den Demokraten handeln. Ich habe da keine großen Hoffnungen. Ich glaube auch, dass sich die Republikaner verschätzen, die gemeint haben: Okay, wir wählen ihn jetzt, aber er wird sich innerhalb der ersten sechs Monate so dermaßen selber diskreditieren, dass man an einem Impeechment (Amtsenthebungsverfahren; Anm. d. Red.) nicht drum herumkommt. Dann schmeißt man ihn raus und dann wird Mike Pence Präsident. (macht Pause, atmet durch) Ja, 1933 hatten wir diese Möglichkeit nicht, also insofern kann ich nur hoffen, dass die damit Recht haben und es vielleicht so klappen könnte und man die ganze Geschichte wieder eingefangen kriegt. Aber ich habe so meine Zweifel.   

Eine düstere Analogie ...

Analogien zu Hitler-Deutschland sind immer blöd, und passen meistens auch nicht. Aber was wirklich übel ist, ist diese Parallele, die hier bei der Bewegungsgeschichte anfängt, und wo sie hoffentlich aber auch schon wieder aufhört. Es ging Trump ja nicht um seine Partei, sondern um ein Movement, eine Bewegung, wie er es selbst nennt. Eine Bewegung in dem Sinne wie es auch schon bei Mussolini war und wie überhaupt der Faschismus eine Bewegung war. Faschismus ist vom lateinischen  Wort fasces abgeleitet und meint eine Bündelung von Ideen aus dem linken wie rechten Lager, und das gibt es bei Trump über die Parteigrenzen weg auch. Dieses Monster jetzt, das hat der Frankenstein namens Republikanische Partei in die Welt gesetzt. Das Blödeste, was jetzt sowohl Republikaner als auch Demokraten machen können, wäre die Rückkehr zur Tagesordnung, denn diese Wahl war kein Betriebsunfall, genauso wenig wie Hitler ein Betriebsunfall der Geschichte war. Das konnte man kommen sehen, auch wenn ich wie viele gehofft habe, dass die Umfragen doch stimmen und Hillary die Wahl gewinnt.

Was kommt auf Deutschland und Europa mit Donald Trump als neuem US-Präsidenten zu?

Trump wird Merkel erklären wollen, was sie alles in der Flüchtlingspolitik falsch gemacht hat und was sie gefälligst anders zu machen habe, wenn sie mit den Amerikanern in Zukunft weiter verhandeln will. Und Merkel wird versuchen, das in politisch geordnete Bahnen zu lenken. Ob Trump sich in solchen Bahnen bewegen wird, ist die Frage. Putin dagegen freut sich über Trump, aber möglicherweise unterschätzt er ihn und denkt, er hat einen schwachen, weil unerfahrenen Präsidenten vor sich. Ich sag es mal mit einem japanischen Sprichwort: Der beste Schwertkämpfer der Welt muss nicht den zweitbesten Schwertkämpfer fürchten, sondern den Idioten, der noch nie ein Schwert in der Hand gehabt hat. 

Im Gegensatz zu Merkel, über die sich Trump lustig gemacht hat, hat er sich über Putin lobend geäußert.

Sinngemäß hat er mal gesagt, dass die Russen die Krim doch behalten können. Wenn wir von einer politisch-pragmatischen Sicht da drangehen, dann weiß das auch Angela Merkel, dass sie keine Mittel und Wege hat, die Krim wieder an die Ukraine rückzuüberstellen. Es ist nur so, dass diese pragmatische Einsicht im normalen politischen Diskurs nicht offen gesagt werden kann. Wir reden da auch ständig von einem Diskurs des nicht offen Aussprechens von dem, was alle wissen. Trump fährt da mit seiner Planierraupe quer durch. Das führt zu Begeisterung bei denen, die diesen ganzen Diskurs sowieso nur noch für Gelaber halten. Was er zum Teil auch ist. Aber was nutzt das dann? Dann erkennt er die Annexion der Krim vielleicht an, aber bei der nächsten Gelegenheit missfällt ihm irgendwas, was die Russen machen und dann droht er mit Atomschlägen. Und in dem Moment weiß kein Mensch, wie ernst er das jetzt meint. Und das macht ihn zu dieser unberechenbaren gefährlichen Kraft.

Das Gespräch führte Daniel Weber

Dieses Interview erschien am 13. November in der südbadischen Wochenzeitung »Der Sonntag«

Artikel online seit 23.11.16

 



Zur Person:
Wolfgang Hochbruck ist seit 2003 Professor für Nordamerikastudien an der Uni Freiburg. Er ist Leiter des Praxiskollegs im Freiburg Advanced Center of Education, Direktor des Master-Programms »British and North American Cultural Studies«, sowie Zweiter Vorsitzender des Carl-Schurz-Hauses. Der 57-jährige Vater von zwei Kindern lebt mit seiner Familie in Waldkirch nahe Freiburg.

 


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