Termine Autoren Literatur Krimi Quellen Politik Geschichte Philosophie Zeitkritik Sachbuch Bilderbuch Filme |
|||
|
Anzeige Glanz&Elend Ein großformatiger Broschurband in einer limitierten Auflage von 1.000 Ex. mit 176 Seiten, die es in sich haben. Ohne Versandkosten bestellen! |
||
|
Helden der anderen
Art
Die Yes Men, der
Programmierer, Autor, Job Hopper und Professor für Design,
|
||
Einige ihrer Aktionen finden sich längst in jedem Theorie- und Praxis-Buch zu
Subversion, Über-Affirmation und eingreifender Kunst. Die Aktion der »Barbie
Liberation Front« etwa, bei der die Sprach-Module der Barbie- und der
GI-Joe-Puppen ausgetauscht wurden, Auftritte als Vertreter der WHO, bei denen
neue Formen des Sklavenmarktes oder Umweltzerstörung als Ziel des Marktes
gefordert wurden (ohne dass dies im Zuhörersaal für nennenswerten Protest
gesorgt hätte), gefälschte Webseiten und Pressekonferenzen, bei denen einer von
ihnen im Second Hand Anzug und Krawatte überzeugend die größten
Ungeheuerlichkeiten im Dienst des »freien Marktes« verkünden etc. Die Yes Men
sind Helden der sozialen Bewegungen ebenso wie der politischen Kunst; wären sie
im »richtigen« Kunstmarkt unterwegs, dann müssten sie aufgrund ihrer Bekanntheit
und ihres medialen Images gewiss schon Multimillionäre sein. Stattdessen sind
alle ihre Unternehmungen Gratwanderungen zwischen juristischem und ökonomischem
Ruin, setzen sie ihre nicht gerade üppigen Professorengehälter ein und ihre
privaten Beziehungen aufs Spiel. Auch davon handelt dieser Film. Sie
sollen den Fluss rüber zu den Vereinten Nationen schwimmen ,wo man zum xten Mal
über Klimaschutz und Umwelt debattiert. Wieder wird nichts geschehen außer ein
wenig Presse-Rummel: die Yes Men werden glattweg verhaftet, die SurvivaBalls mit
Maschinengewehren bedroht. Währenddessen stellen sich die Yes Men vor und
erinnern sich an die fröhlichen Tage vom Beginn ihrer Zusammenarbeit. Aber die
Dinge sind schwieriger geworden, nicht nur, weil man älter wird. Die beiden
haben sich 1996 kennengelernt. Aber die Einschnitte, die die Aktionen für Beziehungen, Beruf und Familie bringen, werden immer krasser. Der eine hat endlich eine stabile Beziehung aufgebaut, der andere wird zum dritten Mal Vater. Die Spannungen zwischen den beiden steigen ebenfalls, schließlich zieht sich Mike mit seiner Frau in deren schottische Heimat zurück, wo es ein Gesundheitssystem und ein friedvolles Leben gibt. Und Andy, etwas von der Rolle, nachdem ihn sein Geliebter wegen der ständigen Aktionen verlassen hat, versucht allein weiter zu machen. Klar, dass die gemeinsame Sache dann doch stärker ist und Mike die schottische Idylle hinter sich lässt, um wieder in eine Aktion gegen die Klimazerstörung durch die Industrie der fossilen Brennstoffe und ihre Lobby zu ziehen. Wäre dies ein Spielfilm, vielleicht mit Woody Harrelson und Ethan Hawke in den Hauptrollen, dann wäre das auch schon das Happy End. Aber so einfach ist es nicht. Das, was wir von den Yes Men »persönlich« erfahren, ist erklecklich und wahrt doch gewisse Grenzen. Beide begleiten wir bei einem Besuch im Elternhaus, und wir erfahren, dass beide Söhne von Holocaust-Überlebenden sind. Außerdem, dass die erfolgreichen Aktionen immer auch zwischen Niederlagen stattfanden und dass die Drohung der »Chamber of Commerce« mit einem Rechtsstreit den Ruin der beiden bedeuten würde. Sie erklärten bei einer Fake-Pressekonferenz, dass man nun hier, in der größten und aggressivsten Lobby-Organisation der Öl- und Kohleindustrie, für eine CO2-Steuer zur Rettung des Klimas beschlossen habe. Zum zweiten Mal erleben wir, wie aggressiv die Reaktionen der Mächtigen sein können, wenn es ums Geld geht. Aber es ist nicht nur diese ständige Bedrohung und der hohe Preis, den man in seinem Privatleben für die Existenz als Aktivist und sozialer Fälschungskünstler bezahlt, es ist auch die Folgenlosigkeit der eigenen Arbeit, es ist die Dreistigkeit, mit der internationale Konzerne noch jeden lokalen Sieg der Umweltschützer in eine globale Niederlage verwandeln, etwa wenn Shell nicht in der Arktis von Alaska bohren darf, was durch einen harten Kampf der Aktivisten verhindert werden konnte, sich dann blitzrasch mit Gazprom zusammentut, um die Zerstörungen eben auf der anderen Seite weiter zu treiben. Es sind schließlich auch die Nachrichten von der »Arabellion«, die mithelfen, wenigstens die Sinnkrise der Aktivisten zu überwinden. Doch das ist nun auch schon wieder eine Zeit her. Einen Absturz in Melancholie oder gar Larmoyanz gibt es in »The Yes Men Are Revolting“ nicht, stattdessen eher eine nüchterne Darstellung eines Dilemmas, in das jeder Mensch früher oder später einmal gerät, der sich, nun ja, der Verbesserung oder der Rettung der Welt verschrieben hat. Die Yes Men machen weiter, aber nicht, als wäre nichts eschehen. Die letzte Sequenz dieses Films ist von umwerfender Absurdität. Ich möchte die Spannung nicht verderben, daher nur so viel: Die Revolte der Yes Men fördert nicht nur die ökonomische Brutalität bei der Ausbeutung der Welt zutage, sondern auch die nahezu grenzenlose Bereitschaft der Leute, sich zum Idioten zu machen, wenn es nur irgendeine Autorität so will. Sollten, was eher wahrscheinlich ist, die Yes Men die Welt nicht retten können, so können wir das Ende wenigstens mit einem grimmigen Lachen über die Menschen hinnehmen, die es verursacht haben.
Artikel
online seit 14.08.15 |
The Yes Men –
Jetzt wird‘s persönlich |
||
|
|||