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Glanz&Elend
Literatur und Zeitkritik


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Bücher & Themen
Artikel online seit 01.01.14

Sammelsurium von Geschichten

David Abulafias Versuch einer Biographie über das »Das Mittelmeer«

Von Klaus-Jürgen Bremm





 

Hätte das Publikum auf dieses Buch verzichten können? Die Antwort ist ein klares »Ja«! Wieder einmal wurde ein monumentaler Schinken für den Gabentisch produziert, in dem allenfalls der ein oder andere Laie noch etwas für ihn Überraschendes finden könnte.

Da der britische Historiker David Abulafia, sich zudem ausdrücklich von dem Konzept seines berühmten Vorgängers Fernand Braudel distanziert, der immerhin noch den Versuch unternommen hat, eine Einheit des Mittelmeerraumes zumindest für eine begrenzte Epoche zu rekonstruieren, bleibt hier auf mehr als 800 Seiten nichts anderes als ein in chronologischer Reihenfolge präsentiertes Sammelsurium von Geschichten und Geschichtchen. Eine leitende Fragestellung ist im gesamten Text nicht erkennbar und so rauschen die einzelnen Kapitel am Leser vorbei, ohne dass überhaupt ein Ziel der Reise erkennbar wird.

Auch wenn Abulafia, immerhin Professor für mittelalterliche Geschichte an der Universität Cambridge, seinen Stoff durchaus plausibel in fünf »Mediterrane Zeitalter« gegliedert hat, lassen sich seine einzelnen Abschnitte nicht einmal als Handbuchkapitel verwenden. Zu kursorisch und sprunghaft sind seine Schilderungen von Hethitern, Phöniziern und Griechen, von Byzantinern, Arabern und Korsaren, als dass sich daraus zitierfähiges Wissen oder gar etwas Neues herausdestillieren ließe. Weder politische Strukturen noch literarische Entwicklungen werden genau beschrieben und in einen möglichen Zusammenhang gestellt, noch Kriege und Schlachten nachvollziehbar geschildert, eine antiquarische Unterhaltung allenfalls für den ausdauernden Bildungsbürger, falls es den überhaupt noch gibt. Dafür finden sich aber immer wieder ermüdende Schilderungen von erwartungsgemäß bei Seeanrainern regen Handelsbeziehungen, Dank derer Metalle, Holz, Keramiken und sonstige Schätze zu fremden Küsten gelangten. 

Auf beinahe jeder Seite des Textes hat man das Gefühl, dies alles schon einmal und oft viel besser gelesen zu haben, zumal auch Abulafia mit überflüssigen Invektiven nicht geizt. So nennt er den britischen Botschafter in Neapel und Ehegatten von Nelsons Geliebter den »gehörnten Hamilton«, der Duce ist der »skrupellose Mussolini« und Hitlers Oberbefehlshaber Süd im Zweiten Weltkrieg schlicht der »fanatische Kesselring«.

Seine abschließende Behauptung, dass in der Geschichte der menschlichen Zivilisation das Mittelmeer eine größere Rolle spielte als jedes andere Meer, glaubt Abulafia nicht weiter erläutern zu müssen. Für die Geschichte der letzte 500 Jahre gilt sie eindeutig nicht, denn seit den großen Entdeckungen in Übersee, dem europäischen Kolonialismus und schließlich der industriellen Revolution in Westeuropa, die sämtliche Errungenschaften von Griechen, Persern und Arabern zur Bedeutungslosigkeit schrumpfen ließ, hat jedenfalls der Atlantikraum die größte prägende Kraft in der Welt gehabt. Auf die spannende Frage aber, weshalb das Mittelmeer, an dessen Küsten immerhin so beeindruckende multikulturelle Metropolen wie Alexandria, Konstantinopel und Venedig entstanden sind, seine einst dominierende Rolle schließlich an den Westen verloren hat, bleibt Abulafia eine konkrete Antwort schuldig.
 

David Abulafia
Das Mittelmeer
Eine Biografie
Aus dem Englischen von Michael Bischoff
S. Fischer
960 Seiten
34,- €
9783100009043

 


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