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Artikel online seit 03.12.12

»Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist unglücklich auf ihre eigene Art.«

Keira Kneightley in Hochform

Tolstois »Anna Karenina« grandios verfilmt von Joe Wright

Von Claus Wecker




 

Romanverfilmungen leiden oft darunter, daß sie ihre Vorlage geradezu sklavisch in Bilder umsetzen. Je realistischer, um so besser, scheint ihre Devise zu sein. Doch indem sie Szene für Szene auf die Leinwand übertragen, bleibt die Essenz des Buches oft auf der Strecke. Eine gute Literaturverfilmung muß sich von der Vorlage entfernen, um ihren Kern zu treffen.

In letzter Zeit ist kaum ein Regisseur diesen Weg konsequenter gegangen als Joe Wright bei seiner Adaption von Leo Tolstois Meisterwerk »Anna Karenina«. Ein Musterbeispiel des realistischen Romans hat er in ein Theater verlegt, Originalschauplätze durch Bühnenbilder ersetzt, die sich in Windeseile verändern und von einer extrem beweglichen, aber nie wackeligen Kamera erfaßt werden. Das Drehbuch stammt folgerichtig von einem Theaterautor, von Tom Stoppard, der mit dem Stück »Rosenkranz und Güldenstern« bekannt geworden ist. Stoppard ist zudem ein erfahrener Drehbuchautor, der für seine Mitarbeit an dem Skript zu »Shakespeare in Love« mit dem Oscar ausgezeichnet wurde.

»Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist unglücklich auf ihre eigene Art«, heißt der erste Satz des tausendseitigen Romans. Tolstoi entfaltet darin ein Panorama mit den unterschiedlichsten Beziehungspaaren. Der Weg einer genauen Umsetzung ist also für einen rund zweistündigen Film von vornherein versperrt. Stoppard und Wright haben sich deshalb auf die Haupthandlung konzentriert, jene leidenschaftliche Liebe zwischen der verheirateten Anna Karenina und dem attraktiven, unverheirateten Kavallerie-Offizier Wronskij, über die sich bald die gute Gesellschaft von St. Petersburg aufregt. Ehemann Karenin versucht die Affäre zu ignorieren, verlangt von Anna schließlich, sich entweder für ihn oder für den Liebhaber und somit die gesellschaftliche Ächtung zu entscheiden.

Stand in Clarence Browns Verfilmung von 1935, der bekanntesten Adaption, Greta Garbo im Mittelpunkt, dreht sich in der neuen Version alles um Keira Kneightley in der Titelrolle. Sie erweist sich nach »Stolz und Vorurteil« und »Abbitte« erneut als Joe Wrights erste Wahl für Literaturverfilmungen – und läuft zu schauspielerischer Hochform auf. Kneightleys Tour de Force durch sämtliche Gemütszustände einer um eine Entscheidung ringende, diese Entscheidung wieder verwerfende und dieses Verwerfen erneut revidierende Frau ist allein schon einen Kinobesuch wert.

Dazu kommen die prächtigen Dekors – der Film ist ein wahres Ausstattungswunder –, die in der Summe vielleicht etwas zu protzig geraten sind. Doch Wright verliert nie seinen Tolstoi aus den Augen. Mit all den Oberflächenreizen, mit einem schmachtenden Aaron Taylor-Johnson, der als blonder Jüngling Wronskij an den »Tod in Venedig« denken läßt, und den überzeugenden Auftritten der Nebenfiguren trifft der Film letztendlich doch den Kern des Buches, und das kann man ja auch noch lesen. Claus Wecker
 

Literaturverfilmung:



Anna Karenina
von Joe Wright, GB 2012, 130 Min.
mit Keira Knightley, Aaron Taylor-Johnson, Kelly Macdonald, Jude Law,
Matthew Macfadyen, Emily Watson
nach dem Roman von Leo Tolstoi

Start: 6.12.2012

Leo Tolstoi
Anna Karenina
Roman
detebe 21371
1248 Seiten
€ (D) 16.90 / sFr 24.90* / € (A) 17.40
ISBN 978-3-257-21371-3

Leo Tolstoi
Anna Karenina
Roman
übersetzt von Rosemarie Tietze
Hanser Verlag
Fester Einband, 1288 Seiten
Mit Lesebändchen
39,90 €
 


 

 


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