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Über den Tellerrand blicken! Die Notwendigkeit einer umfassenden Film-Kritik Von Wolfram Schütte
Einem Artikel auf der Medienseite der SZ vom 9.3.
entnehme ich, dass sich deutsche Kleinverleiher - nach der viel beredeten
Überproduktionskrise der Degeto - an die ARD in einem Brief gewandt und die
Befürchtung geäußert hatten, dass die Sender des 1. Programms nun weniger "Arthouse"-Filme
einkaufen würden - wie diese ja auch "kaum noch im Programm des ZDF" vertreten
seien. Das klingt beruhigend, ist es aber nicht. Zum einen weil die deutschen Kleinverleiher weiterhin befürchten, dass die ARD solche “Arthouse”-Filme “bald nur noch nach Mitternacht zeigen”, was aufgrund des dadurch reduzierten Ankaufspreises das Angebot für Verkäufer unattraktiver macht & damit auf die Verleihersituation zurück, bzw. durchschlägt, also zu einer Reduzierung des Angebots führt. Zum anderen ist das “Sommerkino” eine Ersatzlösung für die Jahreszeit, in der, wegen der weitgehend kollektiven Urlaubszeit, keine der eigenproduzierten Unterhaltungsserien laufen könnten, ohne Ärger beim (abwesenden) Publikum zu erzeugen. Deshalb also laufen da jetzt die europäischen Kinofilme. Manche Leser mögen sich nun fragen, was denn der Film-Ankauf des Fernsehens mit der deutschen Kino-Verleihsituation zu tun hat. Sie wissen nicht, dass schon über Jahrzehnte hin die öffentlich-rechtliche TV-Einkaufspolitik (bisweilen auch ergänzt durch Coproduktionen, wie man sie häufig für französische oder britische Filme in deren Credits für “Channel 4” oder “Kanal +” vermerkt sieht) dafür gesorgt hat, dass es überhaupt noch ein Kinoerlebnis jenseits des weitgehend von Hollywood dominierten Mainstreams in unseren Filmtheatern gab, bzw. gibt. Dort laufen - weil das deutsche Publikum in allen Alterskategorien untertitelte Originalfassungen nicht schätzt - die vom Fernsehen synchronisierten Filme. Z.B. die großen Epen des kürzlich verstorbenen Griechen Theo Angelopoulos. Zumeist sind es französische, selten spanische oder italienische oder usamerikanische Off-Hollywood- oder kanadische Filme, die wir in unseren Kinos sehen können. Aus anderen europäischen Ländern mit beachtlichen einheimischen Produktionen, z.B. in Skandinavien sieht man jedoch bei uns kaum einen Film, trotz deren Qualitäten, weder im TV noch im Kino. Nur auf regionalen Filmfestivals kann man ihnen noch kurzzeitig begegnen.
Einzig die Franzosen haben es aber, qua
Filmproduktion, zustande gebracht, dass ihre regionalen landschaftlichen &
kulturellen Besonderheiten zwischen Provence & Bretagne im Kino (wieder)
erkennbar präsent sind.
Da hat sich etwas radikal verändert in den letzten
Jahrzehnten. Früher fand man die Kritiker zuhauf in den “Arthouse”- Kinos &
-Filmen, an denen sie ihre Urteil bildeten und meistens zugleich für deren
Besuch sie mit ihren ausführlichen Kritiken warben.
Dabei wäre es höchste Zeit dafür, dass sich die deutsche Film- & TV-Kritik
wieder auf den Kenntnistand, den artifiziellen Anspruch & die Wahrnehmung &
Beeinflussung sowohl des öffentlich-rechtlichen TV- als auch des kommerziellen
Verleih- & Kinobereichs mit Entschiedenheit, umfassender Kenntnis und
kritisch-künstlerischem, persönlichen Enthusiasmus kümmert & einlässt. Hier
fehlt als anspornend ein- & widersprechende Instanz einer virtuellen
Öffentlichkeit die Kritik der Presse. Ohne solches kritisches
Gegengewicht verkommt der öffentlich-rechtliche Sektor. In dem eingangs
erwähnten SZ-Bericht wird erwähnt, dass Volker Herres, der ARD-Programmdirektor
kürzlich die sowohl in Frankreich als auch bei uns sehr erfolgreiche Komödie
“Ziemlich beste Freunde” für die ARD eingekauft hat. Er ist womöglich sogar
stolz darauf. Dabei hätte das auch ein Blinder mit Krückstock gekonnt &
gemacht: sich an ein Erfolgsmodell ranschmeißen.
O.K. - et alors? |
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