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Foto: Michael Fennell
Lebenswege
Der in 1952 in Accra Ghana
geborene, schottische Schriftsteller, Drehbuchautor und Regisseur William Boyd erfindet
wunderbare
Romanhelden
&
Heldinnen mit bizarren Lebensläufen.
Von Franz Tunda
Wirklich gute Romanschriftsteller scheren sich nicht um das Geschwätz jener
aufstrebenden Generation junger Feuilletonisten, die ihre Rezensionen in erster Linie verfassen,
um sich auf Kosten der Autoren für ihr eigenes Fortkommen im Literaturbetrieb zu
profilieren, und denen es gilt, strategische Positionen abzustecken und zu festigen,
von denen aus sie floskelreich ihre Allzuständigkeit im Literaturkampf zur Schau
stellen. Also kann es William Boyd auch wurscht sein, wenn ausgerechnet SPON,
das für seine Kompetenz in Angelegenheiten der Literatur und ihres Betriebes hinreichend berüchtigt ist, drei Tage
nach dem Erscheinen seines neuen Romans nichts besseres zu tun hatte, als mit
einem hämischen Seitenhieb auf Ulrich Wickert (warum?), der Boyd anläßlich
seines hinreißenden Tagebuchromans »Eines Menschen Herz« als den »modernen Graham
Greene« bezeichnete, seinen neuen Roman als oberflächlich abzutun und
Boyd vorzuwerfen, er sei »ein Romancier, der mit den Mitteln eines Regisseurs zu
Werke« ginge.
Solcherart Vergleiche sind heute ebenso stupid wie seinerzeit etwa die
Kurzschlüsse Hemingways mit Upton Sinclair oder John Dos Passos.
Und
zudem
ist ja geradezu das Gütesiegel von
William
Boyds Romanen, daß er im inneren Auge seiner Leser Szenarien & Filme evoziert,
in denen es sich trefflich einnisten läßt, um mit seinen Romanhelden & Heldinnen
zu lieben und leiden. Sein Roman »Eines Menschen Herz«, der uns in Form eines
fiktiven Tagebuches das ereignisreiche Leben des Schriftstellers, Liebhabers, Kunsthändlers &
Spions Logan Mountstuart über die Lebensspanne von gut 70 Jahren
durch das 20. Jahrhundert begleiten läßt, mag für hartgesottene Zyniker als
Kitsch gelten. Die allermeisten werden dieses Buch aber als das lesen, was es
ist: die abenteuerliche Odyssee des Logan Mountstuart, eines guten Kerls, der
die Glücksmomente seines Lebens genießt und den zahlreichen Schicksalsschlägen
mit Haltung zu begegnen weiß.
Der Roman wurde inzwischen für Channel 4 verfilmt, läuft als Vierteiler
gelegentlich auf Sky und kommt hoffentlich bald als DVD.
Aber
auch der generationsübergreifende
Spionagethriller »Ruhelos«, der scheinbar harmlos daherkommt, um
dann seine furiose Fahrt aufzunehmen,
hält überraschende Entwicklungen in Sachen Identität bereit, wenn es darum geht, durch
geschickt lancierte
kriegswichtige Desinformationen
die Realität zu fälschen.
Ebenso
lohnenswert
ist die Lesereise hin zu den Menschenaffen in den kongolesischen Dschungel, aus dessen
finstren Herz die unbestechliche Verhaltensforscherin Hope Clearwater nur
knapp nach »Brazzaville Beach« entkommt.
Der
im März dieses Jahres erschienene neue Roman beginnt im Wien des Jahres 1913.
Der britische Schauspieler Lysander Rief begibt sich dort in die Behandlung des
angesehenen Dr. Bensimon, der ihn durch eine innovative psychotherapeutische
Behandlungsmethode (Parallelismus?!) von einem Makel befreien soll, der den kurz
vor der Hochzeit mit einer Kollegin stehenden jugendlichen Helden daran hindert,
ein "normales" Liebesleben genießen zu können. Doch wie immer bei Boyd, so gerät
auch hier der ehrenwerte Lysander Rief unvermittelt in eine verhängnisvolle
Geschichte, deren lebensbedrohliche Dimensionen er zu Beginn seiner Liaison mit der liebestollen Malerin Hettie Bull in Wien
auch nicht ansatzweise absehen kann. Mehr zu verraten würde das Lesevergnügen
trüben. Franz Tunda
ps.
William Boyd wird zum 60jährigen
Jubiläum der ersten James Bond Story »Casino Royal« von Ian Fleming den neuen
Bond-Roman schreiben, der im Herbst 2013 ebenfalls im Berlin Verlag erscheinen
soll.
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Preisrätsel:
Wir verlosen 3 x
den Roman
»Eines Menschen Herz«
von
William Boyd.
Kunst
kommt
vom Autor
Eine
Köpenickiade
Als William Boyd & David Bowie die New Yorker Kunstwelt & Schickeria
am 1. April 1998 zu einer Vernissage in die Galerie von Jeff Koons
einladen, um ein Buch über Leben & Werk des in Vergessenheit
geratenen amerikanischen Expressionisten zu präsentieren, folgt die
sensationslüsterne Szene beider Ruf. Kritiker, Sammler, Galeristen, alle sind da und
erinnern sich plötzlich, schon einmal von Tate gehört, ja sogar ihn
besser oder schlechter gekannt, seine Bilder gemocht oder abgelehnt
zu haben. Als Boyd das Geheimnis um Nat Tate lüftet, sind alle
gleichermaßen angeschmiert, denn Nat Tate hat nie existiert, ist ein
Wesen von Boyds Gnaden.
Was da »im Gewand
einer tragischen Künstlerbiographie daherkommt — früher Tod der
Mutter, Studium bei Hans Hofmann, erste Erfolge in den Fünfzigern,
Erkennen der eigenen Mediokrität, Freitod mit einunddreißig —, ist
in Wahrheit nichts weiter als eine Erfindung des gewieften Erzählers
William Boyd. Fotos präsentiert er, Zeitzeugen, vermeintliche Bilder
des Künstlers (die Boyd selbst gemalt hat), Begegnungen mit Picasso
und Braque fingiert er. So überzeugend ist er, dass die Szene damals
meinte, den Künstler Nat Tate völlig neu bewerten zu müssen. Dieses
Buch ist ein wahres Fundstück, ein Spiel mit Sein und Schein, eine
herrliche Gaunerei.«
Alle Titel sind im
Berlin Verlag
erschienen.
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