Home

Termine     Autoren     Literatur     Krimi     Quellen     Politik     Geschichte     Philosophie     Zeitkritik     Sachbuch     Bilderbuch     Filme





Glanz&Elend
Literatur und Zeitkritik


Anzeige

Glanz&Elend
Ein großformatiger Broschurband
in einer limitierten Auflage von 1.000 Ex.
mit 176 Seiten, die es in sich haben.

Ohne Versandkosten bestellen!
 

Bücher & Themen
Artikel online seit 18.04.14

Leiden in besten Kreisen

Louis Begleys »Erinnerungen an eine Ehe«

Von Patrick Wichmann





 

Altmeister Louis Begley blickt in »Erinnerungen an eine Ehe« 50 Jahre zurück und erzählt von einer zerrütteten Liebschaft. Doch seine Geschichte bleibt blass, brillante Einfälle selten.

Das männliche Altern in der amerikanischen Oberschicht als das literarische Lebensthema Louis Begleys auszumachen, ist ein Kinderspiel: Seit seinem Debüt-Roman »Lügen in Zeiten des Krieges«, der Begley auf einen Schlag international bekannt machte, bediente sich so ziemlich alles Nachfolgende dieses Motivs. Da verwundert es nicht, dass auch Begleys jüngster Roman »Erinnerungen an eine Ehe« in einem solchen Szenario angesiedelt ist.

Genau genommen sind es sogar Erinnerungen an gleich zwei Ehen, die der 80-jährige Begley hier präsentiert. Da wäre zum einen der Erzähler Philip, der seiner verstorbenen Frau Bella gedenkt. Und da wäre zum anderen die Ehe von Lucy de Bourgh und dem gleichfalls verstorbenen Thomas Snow, die sich dem Leser mosaikartig aus den Nachforschungen Philips ergibt. So kommt nicht nur die vor Jahrzehnten von Thomas verlassene und inzwischen verbitterte Lucy selbst zu Wort, sondern auch der gemeinsame Sohn Jamie, Thomas’ zweite Frau Jane und weitere Bekannte aus alten Tagen.

Ostküsten-Oberschicht

Die Wahrheit aus diesem Gespinst aus Lügen, Halbwahrheiten und verzerrten Erinnerungen zu filtern, bleibt dabei Philip und mit ihm dem Leser überlassen. »War es möglich, dass der arglose junge Mann, den sie mir vor gut einem halben Jahrhundert vorgestellt hatte, der mir später bekannt war als ein prominenter, höchst erfolgreicher Bankier mit dem Verdienst, einen wichtigen Beitrag zur Lösung der lateinamerikanischen Schuldenkrise geleistet zu haben, und der als ein sozusagen öffentlicher Intellektueller galt (…), dass dieser Mann im Privatleben ein Monster gewesen war?«

Wie gewohnt ist es die Welt der saturierten amerikanischen Ostküsten-Oberschicht, die Begley porträtiert. Einmal in der Zeit der 1960er-, 1970er-Jahre, einmal ihr heutiges Lebens. Und damit führt er uns eine Welt vor Augen, die dem heutigen Leser beträchtlich fremd anmutet. Denn ihre Protagonisten sind Schriftsteller und Journalisten, sind Verleger und Literaturagenten aus gutem Haus, die zwischen Sommer- und Winterresidenz, zwischen Paris und New York pendeln. Ein aufgestiegener Banker wie Thomas Snow wird da schon skeptisch beäugt. Eine Welt der Extravaganz also wird dem Leser hier vorgeführt. Exzellent in dieses Milieu fügt sich Begleys Sprache ein, Französismen und literarische Anspielungen sind allerorten anzutreffen.

»…ich wusste nicht einmal, ob es mir wichtig war«

Louis Begley ist ein souveräner Stilist, doch bleibt »Erinnerungen an eine Ehe« seltsam blass. Nur schleppend geht es mit der Erzählung um die unglückliche Ehe voran, auch Philips eigene Geschichte wird bestenfalls fragmentarisch erzählt. Bella bleibt genauso eine Randgestalt wie dem Leser auch Erzähler Philip fremd bleibt. Und gar nur zweimal angerissen wird das Schicksal ihrer gemeinsamen, jung verstorbenen Tochter Agnes, über die der Leser nicht viel mehr erfährt – als eben das.

Analog dazu bleibt auch das Kern-Drama des Romans, die Ehe von Thomas und Lucy, letztlich austauschbar: Beide zweifeln an der Beziehung, heiraten trotzdem, ein Kind soll sie retten, macht aber alles schlimmer, sie betrügt ihn, er verlässt sie. Zwar böte diese Konstellation kombiniert mit der Perspektivtechnik durchaus Stoff für einen ansehnlichen Eheroman, doch kommt die Geschichte zu keinem Zeitpunkt richtig in Fahrt, der Verlauf bleibt absehbar, die verschiedenen Blickwinkel berechenbar. Die widerstrebende Faszination, welche die Erzählung auf Philip auslöst, überträgt sich nicht auf den Leser.

Denn Begleys Brillanz blitzt nur selten auf. Dass Philip selbst Romancier ist und mit dem Gedanken spielt, die Geschichte zu einem Buch umzuarbeiten, ist etwa einer dieser Kunstgriffe. Dieser erlaubt Begley, die Erzählung Lucys aus Philips Sicht zu kommentieren: »Wenn ich (…) das Problem nur mit dem Blick des Romanciers betrachtete, musste ich mich fragen: Wie könnte sie ihre Geschichte anders erzählen? Eine überzeugende Antwort fand ich nicht.«

Aber diese doppelbödigen Momente sind in »Erinnerungen an eine Ehe« einfach zu selten, letztlich mag für das Buch gelten, was Philip über die erlauschte Ehe meint: »Nein, ich wusste nicht, ob ich Thomas und Lucy jetzt besser verstand, ich wusste nicht einmal, ob es mir wichtig war.«
 

Louis Begley
Erinnerungen an eine Ehe
Suhrkamp Verlag, Berlin 2013
222 Seiten
19,95 EUR
9783518423929
 

 


Glanz & Elend
- Magazin für Literatur und Zeitkritik
Home   Termine   Literatur   Blutige Ernte   Sachbuch   Politik   Geschichte   Philosophie   Zeitkritik   Bilderbuch   Comics   Filme   Preisrätsel   Das Beste