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Glanz&Elend
Literatur und Zeitkritik


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Glanz&Elend
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Ist Gott eine Maschine?

Nick Bostroms Szenarien einer kommenden Revolution

Von Jürgen Nielsen-Sikora




 

Der Physiker und Philosoph Nick Bostrom diskutiert in seinem Buch »Superintelligenz« die Möglichkeiten, Chancen und Gefahren der starken Künstlichen Intelligenz. Schwache künstliche Intelligenz gibt es bereits zuhauf: Schachcomputer, Suchmaschinen und Spracherkennungssoftware, Navigationsgeräte, Autopiloten, PC-Spiele und Industriemaschinen, die nach bestimmten Algorithmen ablaufen und teils über extrem hohe Rechenkapazitäten verfügen. Sie alle funktionieren auf Knopfdruck, rechnen in einem bestimmten Aufgabenfeld und ruhen, wenn sie keinen Strom bekommen. Sie sind ein Produkt von Mathematikern, Informatikern und Ingenieurswissenschaftlern und dienen der Bewältigung des hochkomplexen menschlichen Alltags. Auch die Fußball spielenden Roboter oder das Equipment der ISS gehören in diese Kategorie.

Die starke künstliche Intelligenz, die Superintelligenz, gibt es nicht. Sie ist ein Phantasieprodukt derer, die von autonomen Maschinen träumen. Diese Forscher diskutieren, ob und wie es möglich ist, Intelligenzen zu schaffen, die mindestens die gleiche Leistung wie ein menschliches Gehirn haben. Ihr Forschungsziel ist es, den Weg für eine technologische Singularität zu ebnen. Das heißt, einen Zustand herbeizuführen, in dem Maschinen in der Lage sein werden, sich selbst weiter zu entwickeln und zu verbessern. Ab diesem Zeitpunkt, dem menschlichen Kontrollverlust über die Technik, wären dem Fortschritt der Intelligenz keine Grenzen mehr gesetzt, eine Art Maschinengott wäre denkbar.

Vertreter der starken Intelligenz wie Bostrom halten diese Entwicklung für realistisch und stellen sich in ihren Schriften nicht nur technischen, sondern auch moralischen Fragen. Bostrom zeigt einige Szenarien eines posthumanen Zeitalters auf, die relevant sein könnten, sollte das Problem einer technologischen Singularität wirklich jemals auftreten. Voraussetzung wäre allerdings, dass Intelligenz grundsätzlich unabhängig von den Leistungen des menschlichen Gehirns ist. In einer Zeit, in der selbst die Gehirnforschung weit davon entfernt ist, das menschliche Gehirn vollkommen zu verstehen, ist das zumindest eine sehr gewagte These. Hinzu kommt das Problem, dass zwar im Bereich der schwachen künstlichen Intelligenz erhebliche Fortschritte erzielt werden, die starke künstliche Intelligenz aber inzwischen ein nahezu toter Forschungszweig ist, weil in den vergangenen Jahrzehnten kaum Erfolge erzielt worden sind. Fragen, wie es möglich sein soll, dass Maschinen eines Tages über Autonomie verfügen, einen freien Willen, Bewusstsein, Reflexions- und Urteilskraft besitzen und nicht bloß Rechenleistungen erbringen, sind nicht wirklich zu beantworten.

Bostrom resümiert selbst ein wenig resigniert: »Wir befinden uns inmitten eines Dickichts aus strategischer Komplexität, das von einem dichten Nebel der Ungewissheit umgeben ist. Obwohl wir zahlreiche Betrachtungen angestellt haben, bleiben die Einzelheiten und Zusammenhänge unklar und zweifelhaft.« Das hindert ihn aber zum Schluss nicht daran, für weitere Forschungen nach potenziellen Geldgebern Ausschau zu halten: »Von Nutzen wäre ein Netzwerk von Spendern, die der rationalen Philantropie zugetan sind sowie über existenzielle Risiken und die verschiedenen Möglichkeiten, diese zu reduzieren, Bescheid wissen. Es ist besonders wünschenswert, dass die Gründer dieses Netzwerks scharfsinnig und altruistisch sind, weil sie die Chance haben dürften, die Kultur des Feldes zu prägen, bevor die übliche korrupte Interessenpolitik dort Fuß fassen kann.«

Fazit: Bostroms Buch ist Technikphilosophie im Konjunktiv. Der Erkenntniswert all seiner Ausführungen tendiert, wie auch die Fortschritte der gesamten Forschung zur starken künstlichen Intelligenz der letzten 30 Jahre, gen Null. Die von Bostrom entwickelten Szenarien kennen Cineasten bereits aus einigen Science-Fiction-Filmen. Der einzige Unterschied: Terminator, I Robot, Real Humans oder Transformers sind weitaus unterhaltsamer als die Lektüre von »Superintelligenz«.

Artikel online seit 16.12.14
 

Nick Bostrom
Superintelligenz
Szenarien einer kommenden Revolution
Aus dem Englischen von Jan-Erik Strasser
Suhrkamp
480 Seiten
28,00 €
978-3-518-58612-9

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