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Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik |
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Ein Blätterhaus Sekunden vor dem Sturm
Das
neue sprachliche und typographische Meisterwerk des Mark Z. Danielewski Danielewski erzählt die Geschichte von Sam und Hailey, zwei ewig jungen Teenagern, die mit verschiedenen Autos durch die USA und die amerikanische Geschichte rasen. Im ersten Buch schildert Sam seine Version über die Beziehung zu Hailey. Der Text läuft parallel zu einem am Seitenrand eingefrorenen Newsticker zu den wichtigsten historischen Ereignissen von der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung Ende 1863 bis zur Ermordung JFKs einhundert Jahre später. Dies ist zugleich der Beginn von Haileys Geschichte. Sie greift Sams Variante, seine Themen und Gefühle auf, berichtet aber aus einem anderen Blickwinkel. Der mit Haileys Text korrespondierende Zeitstrahl am Seitenrand endet im fiktiven Jahre 2063.
Only Revolutions
hat keinen Anfang und kein Ende. Das Buch kann von beiden Seiten her gelesen
werden, da die Texte der beiden Protagonisten aneinander gegenübergestellt sind
wie die Köpfe von Bube, Dame und König im Skatspiel. In der Mitte des Buches,
auf Seite 180 und 181, ist der Bericht der beiden als Palindrom angelegt. Die
Schriftgröße der Doppelseite ist nur hier identisch.
Das Buch besteht insofern aus zwei Mal 360 Seiten. Jedes der insgesamt 90
Kapitel umfasst acht Seiten, jeder dieser acht Abschnitte besteht aus 90
Wörtern. Liest man nur die Initialen der einzelnen Kapitel, so ergeben sie immer
wieder den Satz: „SAM UND HAILEY UND SAM UND HAILEY bzw. HAILEY UND SAM UND
HAILEY UND SAM usw.
In diesen Cantos werden Sam und Hailey als zwei sechzehnjährige Ausreißer
charakterisiert, die gemeinsam eine wilde Tour quer durchs Land unternehmen.
Ihre Irrfahrt, immer wieder von Einschüben aus der Sprache der Botanik
begleitet, ist geprägt von Sexorgien, Gewalt, Geschwindigkeit und Geldsorgen.
Das Paar versucht, dem vorgezeichneten Lebensweg zu entrinnen und die Geschichte
zu überwinden. Auf ihrem atemberaubenden Trip bleiben sie immer sechzehn im
doppelten Sinn, einerseits altern sie nicht, andererseits greift die Aussage das
acht plus acht Seiten-Prinzip des Buches auf. Gerhard Falkner, der das Buch mit seiner Frau Nora Matocza übersetzt hat, ist ein profunder Pound-Kenner und Poet. Es lag deshalb nahe, ihm anzuvertrauen, dieses unübersetzbare Buch ins Deutsche zu übertragen. Zweifellos ist die Melodie, die das englische Original besitzt, in der Übersetzung eine andere, vor allem funktionieren einige Reime im Deutschen nicht. Aber besser als Falkner und Matocza die Gesänge umgedichtet haben, kann man es kaum machen. Ihre Dichtung ist mitreißend und erstaunlich, da nicht nur der 90-Wort-Rhythmus beibehalten wurde, sondern die vielen Wortneuschöpfungen Danielewskis entsprechende Berücksichtigung in der deutschen Übersetzung gefunden haben. So bleibt beim Lesen der Eindruck erhalten, als hätte Pound im London des frühen 20. Jahrhunderts Jack Kerouac und 50 Cent zu einem Drink in eine verrauchte Bar geladen, um gemeinsam einen abgefahrenen Roman zu schreiben.
Doch ist Danielewskis großer Gesang überhaupt ein Roman? Es ist auf jeden Fall
ein typographisches und sprachliches Meisterwerk: Zwei Mal 360 Sprechgesänge,
die wie die Cantos von Pound die Revolution im doppelten Sinne zum Thema haben.
Einmal die Revolution des Politischen, dann aber auch die Revolution des Wortes,
der Sprache. Wie Atlantik und Pazifik, die, wie eine Stelle des Buches
verkündet, verbunden werden, um nie wieder getrennt zu werden, so verschmelzen
diese beiden Arten der Revolution im Buch miteinander.
Wir sind jedes Extrem
Nach seinem Erfolgsroman
House of Leaves ist Only Revolutions einmal mehr die Neudefinition
der literarischen Gattung „Roman“. Only Revolutions ist eine
intellektuelle Herausforderung und eine Revolution der Wörter; ein Buch für alle
und keinen, ein seltenes Kunstwerk und ein großartiger Gesang. |
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