Das älteste Systemprogramm des
Deutschen Idealismus aus dem Jahr 1796 umfasst zweieinhalb Seiten. Es zeichnet
die Philosophie der kommenden Jahrzehnte vor und verdient den Namen Manifest,
das ist: Deutlichkeit, Offenbarung. Deutlich und offenbar ist in Maurizio
Ferraris Manifest des neuen Realismus so gut wie gar nichts. Es ist eine
argumentativ schwache Abrechnung mit der Postmoderne, mit Lyotard, Foucault und
Derrida und dem Konstruktivismus, hier Konstruktionismus genannt.
Für die Gattung Manifest ist der Text nicht nur zu lang, es fehlt insbesondere
die Zuspitzung auf zentrale Thesen. Ferraris Grundmotiv ist die Rehabilitierung
der ersten Philosophie, sprich: der Ontologie, die er gegen die aktuellen
Strömungen der Philosophie verteidigt.
Ontologie ist seit alters her die Lehre vom Seienden und seinen
Grundbestimmungen, bei Ferraris bedeutet Ontologie schlicht: »Die Welt hat ihre
Regeln, und die gilt es zu beachten.« Am Beispiel eines Pantoffels müht er sich,
seine Ontologie plastisch zu erklären: Der Pantoffel liegt auf dem Teppich, das
sei eine von allen Beobachtern und möglichen Interpretationen unabhängige
Tatsache: Den Pantoffel gibt es wirklich. Das erinnert ein wenig an das
Fido-Fido-Prinzip, bei dem jedem semantischen Begriff bekanntlich eine reale
Entität entsprechen muss, dem Ausdruck Fido also der real existierende
Hund Fido - der von mir aus dann einen real existierenden Pantoffel holen darf.
Diese Vulgärontologie hat freilich historische Bezugspunkte, die Ferraris jedoch
nicht aufgreift, weil er sich an den Franzosen abarbeitet ohne die vielen
kontroversen Diskussionen der vergangenen Jahrzehnte überhaupt zur Kenntnis zu
nehmen. Er nimmt aber auch die eigenen Stichwortgeber nicht wahr. Etwa
Aristoteles und dessen Realismus, den er in Abgrenzung zu Platons Idealismus
entwarf und bei dem die Verwirklichung der Begriffe in den realen Dingen selbst,
also in ontologisch selbstständigen Entitäten, grundgelegt ist. Oder Nicolai
Hartmanns neue Ontologie (neuer Realismus), die den Aufbau der realen Welt mit
Hilfe von so genannten Seinssphären erklärt. Doch eine Weiterentwicklung
klassischer Ontologien bietet Ferraris neuer Realismus nicht. Seine Vorstellung
der Realien bleibt nebulös und verharrt in Andeutungen. Seine Kritik an
postmodernen Denkern bringt keine neuen Erkenntnisse. Der Stil seines Manifests
ist umständlich. Die Philosophie ist am Ende gar keine? Zweieinhalb Seiten
hätten es auch getan!
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Maurizio Ferraris
Manifest des neuen Realismus
Aus dem Italienischen übersetzt von Malte Osterloh
Recht als Kultur 6
Klostermann Verlag
2014.
90 Seiten
Kt 15,80 €
978-3-465-04214-3
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