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»Die
Begeisterung des Schlachtviehs für seine Metzger«
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»Die letzten Tage der Menschheit« lautete der dramatisierende Titel eines Schauspiels in fünf Akten in dem der Wiener Journalist und Kritiker Karl Kraus in den Jahren 1915 - 1922 seine Erfahrung des Ersten Weltkrieges verarbeitet hatte. Kraus wertete jedoch nicht die materiellen Schäden und die millionenfache Vernichtung menschlicher Existenzen als den eigentlichen Skandal seiner Zeit. Weitaus ungeheuerlicher erschien ihm das große geistige Trauma, das seit 1914 die Massen ebenso wie die meisten Intellektuellen befallen hatte. Es war der allgemeine Verlust von Vernunft und kritischem Denken, der wie auf einen Knopfdruck die Kriegsgesellschaften Europas vier lange Jahre lang prägte, ehe die allgemeine Erschöpfung und auf Seiten der Mittelmächte das Eingeständnis der Niederlage dem geistigen Ausnahmezustand ein Ende bereiteten. Genau in diesem Sinn sah Kraus im Ersten Weltkrieg auch den Untergang einer Menschheit symbolisiert, die vier Jahre lang eindrucksvoll bewiesen hatte, dass sie sich jederzeit wieder in den Abgrund stürzen könnte.
Der
Österreichische Fotohistoriker Anton Holzer hat nun in seiner dritten
Publikation über den Ersten Weltkrieg eine Auswahl von Texten seines Landsmannes
mit über 130 Fotos zu einem attraktiven Bildband kombiniert. Nach einer kurzen
Einleitung über Leben und Werk des Satirikers stellt Holzer die wichtigsten
Topoi der Kriegspropaganda vor. So sollte auch in der Habsburgermonarchie die
anfängliche Kriegsbegeisterung durch einen konstanten Fluss von Meldungen über
Siege, Heldentaten und die eigene kulturelle Überlegenheiten gegenüber Russen,
Serben und Italienern möglichst lange konserviert werden. Die dazu passenden
Texte von Kraus zeigen jedoch nicht allein die Meinungsmacht staatlicher
Stellen, sondern dokumentieren auf oft drastische Weise, wie sehr das Gift der
Propaganda längst schon die gewöhnlichen Akteure des Krieges kontaminiert hatte.
Die Gestalten in seinem Drama, allen voran die »wackere« –Kriegsjournalistin -
Alice Schalek agieren in einer typischen Mischung aus Gutgläubigkeit und
Zynismus. Kraus brauchte seine Protagonisten nicht zu erfinden, er musste nur
die Zeitungen aufschlagen. Nicht als bewusste Lügner, sondern eher als selbst
überzeugte Multiplikatoren verbreiteten Politiker, Militärs, Journalisten und
sogar einfache Menschen die Botschaften der Propaganda. Wie bei allen
Kriegsparteien griff sie nur die tief sitzenden Überzeugungen und Ressentiments
der Zeitgenossen auf und übersteigerte sie in verzerrender Form. Die
Manipulation im Kriege war somit immer auch eine Selbstmanipulation. |
Anton Holzer |
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