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Der
literarische Franz Liszt
Ein Hommage:
der solitäre Essayist Joachim Kalka anlässlich seiner jüngsten
»Ehrfurchtsnotizen«
Von Wolfram Schütte
Ein Loblied
möchte ich singen: auf Joachim Kalka.
Nicht auf den Übersetzer, als der er einem zuerst bekannt wurde & als den man
ihn schätzt, sondern auf den Essayisten Joachim Kalka, der nun schon drei Bände
mit seinen fulminanten Eigenarbeiten in dem gleichfalls in höchsten Tönen sowohl
des Vergnügens als auch der Leser-Dankbarkeit zu lobenden Berenberg-Verlags
publiziert hat. (Denn es genügt ja nicht, als Autor originell zu sein, man muss
auch einen wagemutigen Verleger finden.)
Kalkas hier bewunderte & geschätzte Arbeiten sind Sammlungen seiner lustvollen
intellektuellen Ausschweifungen & Spekulationen. Zuletzt seine
»Ehrfurchtsnotizen«
zu »Die Katze, der Regen, das Totenreich«
(u.v.m. 142 Seiten, 20 €).
Zumeist werden diese Essays befeuert von Kalkas ausgiebigen, schier unfassbar
weitreichenden Lektüren oder auch aus- & aufgefüttert von seinen erstaunlichen
Kenntnissen der Malerei & des Films.
Schließlich ist der Autor erst 1948 geboren & also ein vergleichsweise »junger
Mann«!
Wann mag er sich das alles angeeignet haben - umso mehr, als er keineswegs wie
ein verschrobener »Stubengelehrter«,
sondern wie eins wacher Zeitgenosse, auch dessen trivialen Alltags, wirkt?
Seine (kulturhistorischen) Kenntnisse haben sich in einer Fülle
von Destillaten verdichtet. Es sind Zitate & Passagen aus seinen Lektüren, die
Kalka mit intellektueller Beweglichkeit im Fortgang seiner munter-entdecker- &
-erfinderreichen Prosa auflöst &/oder miteinander fusioniert. Daraus entstehen
dann seine schillernden, buntscheckigen Essayfelder, deren Anblick einen sowohl
entzücken als auch aufs Vergnüglichste belehren kann.
Die ihnen zugrunde liegenden literarischen Zitate offenbaren nicht nur einen
eminenten Sammeltrieb des Autors, der seine oft ausgefallenen, d.h.
erstaunlichen & überraschenden Fundstücke aus allen Ecken & Enden des Geistigen
aufgespürt & hergeholt hat; sondern der auch fähig ist, sie Dank seiner
spekulativen Phantasie & seiner fabulatorischen Logistik zu einem feinmaschigen
Netzwerk von neuen Assoziationen & erstaunlichen Verwandtschaften zu verknüpfen.
Joachim Kalka weiß eben sehr viel; und er weiß damit umzugehen.
(Z.B. kennt er, für seine Überlegungen zur »Zauberei der Improvisation« in
obigem Band, ein 1769 erschienenes Buch von einem gewissen Johann Wallbergen,
das von Zauberkunststücken handelt.)
Der Essayist lässt nicht einfach nur seine an- & aufgelesenen
Zitatschätze von historischen Gedanken- & Sprachmomenten gewissermaßen wie die
literarische Sammlung einer barocken Wunderkammer vor unsere staunenden Augen
purzeln; sondern seine spielerische & springlebendige literarische Intelligenz
ordnet die erfischten & entdeckten Gedankensplitter - wie die feinen Eisenspäne
auf einer Metallplatte, wenn sie von einem Violinbogen zum Erzittern gebracht
werden - zu (von ihm gestalteten) Sprach-Mosaiken & Gedankenfigurationen.
Gelegentlich kommt er dabei durchaus dem möglicherweise (geheimen) historischen
Vorbild Michel de Montaigne nahe, wenn auch Kalka nicht wie der Franzose sich
nur auf das Rätsel Mensch bezieht, sondern z.B. »Europa und das Kismet«,
den »Halbschlaf«
oder den »Rauchtabak« zu seinem Thema erwählt & es kunstvoll & geistreich
umzirkelt oder durchquert. Wie er überhaupt bei seinen Explorationen die
Zwischenwelten & das Kurios-Abseitige, Exzentrische oft aufsucht &
kartografierot.
Dabei spielen seine einzelnen thematischen Setzungen für den Liebhaber dieser
literarischen Geistes- & Gemütsergötzungen gar keine Rolle, weil hier die »Wege
alles sind« & die jeweiligen thematischen »Ziele« eher jeweils nur Startrampen
für Ausfahrten ins Unbekannte oder Vorgaben für wunderbare literarische
Improvisationen. Joachim Kalka scheint somit eher einem literarischen
Franz Liszt mit seinem mitreißenden literarischen Virtuosentum nahe als einem
»klassischen« Erzähler, der mit Plot- Fiktionen & menschlichen Charakteren
hantiert & eine zweite realistische Welt kreiert.
Erzähler?
Ja, man kann Kalkas literarische Kompositionskunst auch als episches Erzählen
diskursiver & abstrakter Begriffe oder Befindlichkeiten ansehen & genießen. Man
kann sich daran erfreuen, wie hier einer den Mut & das Vergnügen besitzt, aus
der Fülle der geistigen & künst(ler)ischen Welt zu schöpfen und seine
intellektuellen »Abenteuerromane« zu unterschiedlichen Begriffsfeldern &
Gedankenwäldern aus sich heraus zu spinnen - so gut & souverän wie ein Fiktions-
oder Autobiographie-Erzähler auch.
Der Essayist Joachim Kalka steht dabei unverkennbar auf den
Schultern solcher Riesen wie des einst berühmten Karl Julius Weber
(»Demokritos«), des von Kalka auch übersetzten G. K .Chesterton, des sehr
verehrten H. Chr. Lichtenberg oder von J. L. Borges, Hans Blumenberg oder dem
Ernst Bloch der »Spuren«. Es sind, jeder auf seine Art, Vorläufer; Kalka aber
womöglich ihr solitärer, bescheidener Nachzügler (zumindest im deutschen
Sprachbereich).
Kurz: man kann sich von dem eloquenten Essayisten Joachim Kalka so gut & gern
unterhalten fühlen wie von einem klassischen Erzähler.
Leider aber ist seine Prosa nicht ganz frei von störenden Anglizismen wie z.B.
»zweifelsohne« (statt: ohne Zweifel). Jedoch solche sprachliche
Kollateralschäden des Übersetzers nimmt man - ein wenig zähneknirschend - hin,
weil man doch zu gerne dem Essayisten Kalka auf seinen erhellenden geistigen
Expeditionen in überraschendes Wissen folgt.
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Joachim Kalka
Die Katze, der Regen, das Totenreich
Berenberg Verlag
144 Seiten · Halbleinen
fadengeheftet · 164 x 228 mm
ISBN 978-3-937834-51-1
EUR 20,00
Leseprobe
Das
Triviale in der Hochkultur
Dieses Buch führt in den Keller, wo die Heizöfen
stehen, mit denen die Hochkultur gewärmt und gefüttert wird. Ob
Donald und Dagobert Duck, ob Krazy Kat, Ede Wolf, Alien, Mord und
Totschlag im »Wunderhorn«, Tiefen und Untiefen der Science fiction
oder gleich der Krimi – hier sind die Früchte einer alten
Leidenschaft zu genießen: Joachim Kalka liebt die Welt des
sogenannten Trivialen, und in diesem Buch läßt er jenen Underground
leuchten, ohne den in den kulturellen Obergeschossen die Luft recht
dünn wäre.
Leseprobe
Joachim Kalka
Hoch unten
152 Seiten · Halbleinen · fadengeheftet · 164 x 228 mm
Berenberg Verlag
ISBN 978-3-937834-30-6
EUR 19,00
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