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Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik |
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The Meaning of Life as Queen Thomas Kielingers Biographie über Elisabeth II. Von Peter V. Brinkemper Thomas Kielingers Biographie »Elisabeth II. Das Leben der Queen« studiert das Leben der seit 1952, nunmehr 60 Jahre (und damit nur noch vier Jahre vom Rekord Victorias entfernten) regierenden englischen Königin. Eine präzise Bestandsaufnahme einer von Haus aus robusten, langlebig-vitalen, antitheatralischen und unprätentiös-pflichtbewussten Reiter-Persönlichkeit und ihres exakt verplanten Daseins für den Thron. Ihr war und ist kaum eine entspannte Existenz im vermeintlich Privaten erlaubt, von glücklichen Stunden in Pferdeställen einmal abgesehen. Kielinger geht anschaulich, aber nüchtern vor, sparsam im Detail, durchweg politikorientiert, mit epochalem Weitblick für das Selbstverständliche. Elisabeth II. als Tochter, junge Frau, rasch Verheiratete, Mutter, junge Nachfolgerin ihres königlichen Vaters, als unermüdliche Dauer-Diplomatin, aber auch als rätselhaft lächelnde Sphinx mit bunten Hüten im öffentlichen Raum über sechs Jahrzehnte. Kann man die Aura der stummen, ihre Umwelt mit hellwachen Augen taxierenden Queen durchbrechen? Elisabeth II. verkörpert ein Stück symbolischer, postimperialer Kontinuität in einem von Kriegen und Krisen geschüttelten Übergang von einem ins andere Jahrhundert, als Teil eines geordneten und voraussetzungsreichen Verfassungsgeschehens der konstitutionell-parlamentarischen Monarchie in Großbritannien und im intergouvernementalen Rahmen des Commonwealth, mit 54 Staaten und immerhin noch 16 Kronen für die Queen von Kanada bis Tuvalu, und zum Teil verschiedenen Royal-Standard-Flaggen, in einem gobalen Modus überparteilicher, indirekter Politik, im Kontext der Umbrüche der britischen, europäischen und internationalen Geschichte. Politische Reflexion von Parlament und Krone Weder entsteht eine monumentalisierende Biographie, noch eine abgegriffene Postkarten-Illusion von Glanz und Glamour eines Herrscherhauses, noch wird die beliebige Spielwiese der medialen Hysterie und des pausenlosen Entertainment aus Klatsch und Kitsch und Yellow Press bedient, wie es heute immer weiter geschieht, selbst nach der tragischen Soap um die von Paparazzi und Geheimdiensten 1997 zur Strecke gebrachte Diana mit dem endlosen Blumenmeer ihrer Herzens-Untertanen vor dem Buckingham Palace. Mit Hirn und Herz, im behutsam-realistisch räsonierenden Tonfall der alten westorientierten Bonner Republik setzt der Journalist und Korrespondent Kielinger sein profundes Wissen über die Gepflogenheiten auf den Britischen Inseln ein, um das langsam und mühevoll modernisierte Bewusstsein der Royals in zahlreichen Momentaufnahmen und Charakterstudien zu analysieren: die traditionsverhaftete Rückwärtsgewandtheit, die protokollarische Genauigkeit des Lebenswandels, die Grundhaltung der allzu kühlen Distanz zu anderen und zu sich selbst (»stiff upper lip«), die ewigen, sich über Generationen forterbenden Tücken der privaten Familien-Psychologie zwischen Anpassung und Rebellion, Disziplin und Vergnügungssucht, Glücksfindung und Scheidungsvirus, das elitäre Standesbewusstsein bei zunächst schlichter Hauslehrer- und Dienstpersonal-Erziehung oder abgelegenen, für die eigene Brut eröffneten und wieder geschlossenen Kadetten-Schulen und der überfällige, endlose Aufbruch zu mehr Bürgernähe und Sinn für Gefühl, die Eifersucht und Konkurrenz zwischen Adel und angeheirateter Normalität. Kielinger stellt wiederholt die Frage: Wie weit ist es mit der unvermeidlichen Einsicht bestellt, die eigene Lebensführung und die öffentliche Repräsentation im Kontext breiter Bildung, sozialer Integration und Auseinandersetzung mit dem aktuellen politischen und gesellschaftlichen Wandel demokratie-freundlicher zu professionalisieren? Fürsten- und Bürgerspiegel Insofern funktionieren Kielingers Porträts und Gruppenbildnisse aus dem Leben Elisabeths und der Windsors auch als Spiegel unserer ganz gewöhnlichen Selbsteinschätzung im Lichte des Außergewöhnlichen. Als Korrektur zu dem heutigen banal mediokratischen Verständnis von Privatem (Facebook) und Politischem, in dem traditionelle Rhythmen des persönlichen Lebens und die demokratisch-gewaltenteiligen Verfahren der repräsentativen Demokratie in der Jetztzeit-Panik von vulgärer Performance, Demographie und Demagogie ausgehebelt und aufgeheizt werden. Die Beschädigung des Amtes des Deutschen Bundespräsidenten durch die Causa Wulff als Subjekt und Objekt von Korruption und Medienkampagnen ist eine Projektionsfigur des aktuellen Standes deutscher Politik. Sie kennt nur noch verdruckste Königsmörder, Bu(e)rgerpräsidenten, rivalisierende Opportunisten und opportunistische Rivalen, aber keine Königsmacher, und sie entspricht nur eingeschränkt gewissen britisch-royalen Krisen, die im Extremfall auch noch das Format eines Royal Tea Tampons haben. Das Problem der Deutschen besteht jedoch nicht allein darin, längst keine Royals mehr vorrätig zu haben oder in der Ein-Mann-Präsidenten-Show den Unterhaltungswert von familial weitverzweigten Thronanwärtern zu vermissen. Die einstmals aristokratisch vorgegebene Standeshöhe und ihr Äquivalent, die bürgerlich-individuell, also meritokratisch aufzubauende Niveau-Distanz, drohen heute vollends verloren zu gehen, nicht nur für geborene und gewählte Volksvertreter, sondern für alle Bürger, um aktiv einen eigenen Ort der (ökonomisch) unabhängigen, selbstständigen, geschützten Reflexion und Lebensplanung zu konstruieren, von dem aus man sich und andere individuell und unnivelliert betrachten könnte, um zu ermitteln, wo alle zusammen stehen, mitten im erhitzten globalen Strom der alles unterspülenden und polarisierenden (Medien-) Ereignisse. Es geht um die Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer stabilen Konstruktion des Politischen und Gesellschaftlichen heute. Und eine sechs Jahrzehnte lang sich im Amtsvollzug bewährende Britische Königin ist für Kielinger ein bemerkenswertes Beispiel für Möglichkeiten, die auch eingefleischte Republikaner und Wahlkämpfer nicht außer acht lassen sollten. Sorgsam erläutert Kielinger die Idee der königlich beschirmten demokratischen Souveränität Großbritanniens als legitimes Verfahren der Arbeitsteilung zwischen demokratischen Institutionen und königlicher Repräsentanz. Herrscherliches Leben und die sonstige politische Welt haben sich durch die Modernisierung der politischen Teilhabe und die wachsende Rasanz der Medienberichterstattung aufeinander zu bewegt und immer stärker ineinander verkeilt. Dies liest sich wie ein nachträglicher Reflex auch auf das ganz normale bürgerliche Leben, da selbst Adels- und Königsfamilien seit dem Einsatz von Fotografie, Radio, Telefon, Film, TV, PC, Internet und Mobiltelefon immer weniger vor der Öffentlichkeit abgeschirmt sind und zunehmend heftiger unter dem nationalen Populismus leiden, der entweder die zeitgemäße Staatsdienlichkeit, die triviale Show oder die ultimative Abschaffung des Königtums einfordert. Die Figuren der unabschließbaren Entmachtung, Reform oder Modernisierung dieser Tradition zwischen halbherziger Selbstverkürzung, missverständlicher Verbiegung und fortschreitender Konservierung motivieren auch Kielingers Argumentationen, um Elisabeths unbeirrbare politische Psychologie hinter offiziellem Schweigen und diplomatischem Verhalten, und hinter allen Irrungen und Wirrungen im Umfeld zu entziffern. Royale Melodie mit Nebennoten der Kritik Im wohlwollendem Tonfall, mit mild-royalistischem Nachglanz und kritischen Nebennoten und nicht zuletzt in festem Vertrauen auf den humanen Kern ihrer patriotischen Haltung wird die allbekannte Geschichte von Elisabeth, ihren Vorfahren, Vorgängern und ihrer Familie in neuen Nuancen erzählt: die autoritäre, militärische Erziehung der Söhne unter George V., der 1917 unter nationalistischem Druck die Namen, Titel und Ansprüche seines deutschen Stammhauses Sachsen-Coburg zugunsten des neuen britischem Familiennamens Windsor aufgab; der Thronverzicht des rebellisch-dekadenten und auch mit Hitlers Nationalsozialismus liebäugelnden Edward VIII. (Rufname: David), aufgrund seiner Skandalbeziehung mit der bereits bürgerlichen, zweimal verheirateten US-Amerikanerin (Bessie) Wallis Simpson, - ein Schritt, der den Status des Königtums in den widrigen Zeiten von 1936 zu ramponieren schien; die unerwartet-abrupte Nachfolge seines sich überlastet fühlenden Bruders George VI. (dem von Colin Firth dargestellten stotternden Abert, gerufen: »Bertie«, aus dem Oscar-Film »The King's Speech«) und sein früher Tod 1952, während seine Gemahlin, liebevoll »Queen Mother« genannt, 101jährig 2002 verstarb; die auch für Elisabeth (Alexandra Mary) rasche Nachfolge an die Staatsspitze im Alter von 26 Jahren (ein Jahr älter als die Tudor-Queen Elisabeth I., acht Jahre älter als die aus der »Hanover«-Linie stammende Queen Victoria) und nach nur fünf Jahren Ehe mit Prinz Philip und mit einem ersten, bereits vierjährigen Sohn Charles und der zweijährigen Tochter Anne. Die Bürde des lebenslangen Amtes legt sich wie ein Schatten auf die junge Familie. Elisabeth und ihre Windsors erweisen sich in den folgenden Jahrzehnten als erfolgsdienliche Service-Figuren und wichtige Schlichter-Persönlichkeiten des New/Old-(British)-Commonwealth / former-Britisch-Empire, und auch im neokonservativen Thatcher-Zeitalter (1979-1990) als sozial integrierende und ökonomisch den Ausgleich zwischen ärmeren und reichen Ländern ansprechenden Stimme. Die Windsors stellen auch Spitzenleister dar in Sachen familialer Kontinuität, trotz, oder gerade wegen der medial maximal ausgebeuteten Eskapaden von Charles, Camilla und Diana, bis in die dritte Generation von Prinz William und seiner Verbindung mit der bürgerlichen Kate, maßgeschneidert synchronisiert mit den bald anstehenden Repräsentations-Erfordernissen. Man habe, so Kielinger, aus dem wahnwitzigen Medienhype der überhasteten Traumhochzeit der 1980er Jahre zwischen der adligen Kindergärtnerin und dem anderweitig dauerverliebten Alt-Prinzen anscheinend gelernt: gute Schulen, berufliche Ausbildung und frühe öffentliche Auftritte statt Palasterziehung durch Domestiken für den Nachwuchs, mehr Freiheit, aber auch mehr Bedenkzeit der jüngeren Generationen bei der Partnerwahl, sorgsame Einübung in Alltag und Staatsgeschäfte, auf der Insel und rund um den Globus, mediengerechtes Verhalten ohne Übertreibungen, realitätsnahe Verbürgerlichung und Bodenhaftung bei Wahrung der aristokratischen Grundhaltung, so in etwa heißen einige der neuen Devisen. Verbürgerlichung oder Vampirismus?
Die Presse weiß zu berichten: Im Scheidungsfall wartet auf Catherine Middleton
nicht Dianas millionenfache Abfindung mit Palastwohnrecht sondern nur ein
geringer Abschlag, Monatsgehälter mit Schweigegebot und die Trennung von den
noch zu zeugenden Kindern. Die Millionenstrafe bei Ausplaudern allein der
Klauseln des Geheimvertrages ließe sich nur mit der Vermarktung einer wirklich
interessanten Autobiographie amortisieren. Statt ehrlicher Verbürgerlichung: die
geadelte Bürgerin doch nur als juristisch eingekreiste Geisel zur
vampiristischen Auffrischung alten Bluts? Das zweite Elisabethanische Zeitalter
ist noch nicht vorbei, bisher war es eine Epoche der harten aufopfernden
Disziplin, bei äußeren und inneren Dauerkrisen, und darauf stellt man sich am
Hofe und in der Regierung wohl auch weiterhin ein. Aber am Ende, dann noch ein
bisschen Yellow Press: »Im Frühjahr 1981,« (wenige Monate vor ihrer überstürzten
Vermählung) »trifft Diana« (20jährig) »anlässlich eines literarischen Abends in
London Grace Kelly,« (ein Jahr vor ihrem Tod) »die Fürstin von Monaco. Auf der
Damentoilette beichtet sie der Gattin Fürst Rainiers ihre ersten Erfahrungen.
>Keine Sorge<, meint die Fürstin sarkastisch, >es wird nur noch schlimmer.<« (Kielinger,
S. 238). Wieviel muss man für ein Rekordjubiläum ertragen? Doch es lohnt sich,
denn noch singen die Commonwealth Realms: God Save the Queen. |
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