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&Elend
Literatur und Zeitkritik


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Artikel online seit 05.11.12

Kollwitz' ihr Milljöh

Die Ausstellung Käthe Kollwitz und Russland. Eine Wahlverwandtschaft?
versucht, das Spannungsfeld von politischer Vereinnahmung und
künstlerischer Autonomie auszuleuchten

Von Christiane Pöhlmann



 

Es ist eine feine Adresse im alten Westberliner Zentrum, gelegen zwischen dem Literaturhaus und der Villa Grisebach. In den 1920er Jahren wurde dieser Stadtteil als Charlottengrad bekannt, heute trotzt die Fasanenstraße mit großbürgerlichem Flair dem heruntergekommenen Ku'damm, der sich gerade ein paar moderne Glasbauten zulegt. Hier also, im Kollwitz-Museum, sind sie versammelt, die Werke der Künstlerin Käthe Kollwitz, die zu ihren Lebzeiten im damals eher ärmlichen Prenzlberg gewohnt hat – und für ihr Werk meist arme, vom Schicksal geschlagene Menschen zum Sujet wählte. "Ohne jeden Reiz waren mir Menschen aus dem bürgerlichen Leben", hält sie fest.

Rinnsteinkunst

Der Blick für soziales Elend wurde Kollwitz buchstäblich in die Wiege gelegt: Vater wie Großvater hatten eine kritische, engagierte Einstellung. Die Töchter wurden gefördert, durften studieren – wenn sie denn eine Universität bzw. Schule fanden, die sie aufnahm – und genossen große persönliche Selbstständigkeit. Kollwitz' Werk stellt also keinen Bruch mit ihrem Elternhaus dar, sondern wurzelt unmittelbar in diesem. Sie war, von einigen Frühwerken in Öl abgesehen, stets gesellschaftskritisch. Bereits ihre erste Ausstellung 1898 trug ihr von anderen Künstlern und Künstlerinnen Anerkennung ein – sowie von Willhelm II. den Vorwurf der Rinnsteinkunst; damit befand sie sich in illustrer Gesellschaft, wurden doch u. a. auch Baluschek, Liebermann und Zille mit diesem Etikett verunglimpft. 1933 folgte ein inoffizielles Ausstellungsverbot, im Grunde aus besagten, nämlich politischen Gründen.

Das Verhältnis zu Russland. Zwangsehe oder Wahlverwandtschaft?

Während die kleine Käthe noch von "Barrikaden und Revolution" geträumt hatte, sprach sich die erwachsene Frau gegen diese Art gesellschaftlicher Umbrüche aus, bekannte sich zur Evolution und – nach dem Ersten Weltkrieg und dem Tod ihres Sohnes – zu Pazifismus. Gleichwohl verfolgte sie nach 1917 die Ereignisse in Russland mit regem Interesse. 1922 entwarf sie das Plakat "Helft Russland", mit dem zur Unterstützung der hungernden Menschen aufgefordert wurde. Ihre dezidiert engagierte Kunst passte in das Deutschland der Weimarer Republik, sie arbeitete für den Simplicissimus, wurde zu Versammlungen von Arbeitern und Arbeiterinnen eingeladen. Immun zeigte sie sich nicht gegen diese Verehrung, verwehrte sich aber dennoch gegen politische Vereinnahmung und ein Eingreifen in ihre künstlerische Gestaltungsfreiheit.

Als sie dann 1927 zu den Feierlichkeiten anlässlich des zehnten Jahrestages der Oktoberrevolution eingeladen wird, hält sie fest, Russland habe sie berauscht. Es folgen Einzelausstellungen in Moskau, Leningrad und Kasan.

Niedergeschlagen haben sich diese Eindrücke in ihrem Werk indes nicht, der Aufenthalt hat weder in der Technik noch im Sujet einen Widerhall gefunden. Ganz anders da Barlach, der ja erst nach seinem Russlandaufenthalt 1906 zu seinem Stil gefunden hat; sein Frühwerk unterscheidet sich radikal von dem Barlach, wie er heute bekannt ist.

In der damaligen Sowjetunion gab es zwar schon Zensur, Kunst und Literatur wurden jedoch noch nicht in der Weise auf Linie gebracht, wie es von den 1930er Jahren an der Fall war. Eine sozialkritische Künstlerin wie Kollwitz war also ein willkommener Gast – der sich ja womöglich vor den eigenen ideologischen Karren spannen ließ. Künstlerisch scheiterte der Versuch, doch eine Art Schatten blieb: der Ruf.

Das Verdienst der Ausstellung: Was nicht zu sehen ist

In der Sonderausstellung Käthe Kollwitz und Russland ist die Ausstellung von 1928 in Russland anhand des damaligen Katalogs rekonstruiert worden. Besucherinnen und Besucher haben damit die Gelegenheit, sich anzusehen, welche Werke überhaupt ausgewählt wurden. Ergänzt wird sie um Arbeiten, die nicht gezeigt wurden, für das Gesamtbild jedoch aufschlussreich sind. Ein dritter Teil bietet im Kontrast Graphiken russischer Künstler und Künstlerinnen. Sie illustrieren zum Teil anschaulich, wie Kollwitz nicht gearbeitet hat: Pathos war ihr ebenso fremd wie Propaganda.

Im Katalog wird zudem auf die Rezeption in der DDR eingegangen, die der Künstlerin im Zuge der Formalismus-Debatte den Vorwurf machte, nicht radikal genug, dem Bürgerlichen noch verhaftet zu sein. Von der ersten großen Ausstellung bis nach ihrem Tod spannt sich damit der Bogen. Die Politik trug Forderungen an die Künstlerin bzw. ihr Werk heran, gegen die sie ihre Autonomie behaupten musste. Das schaffte sie. Sie blieb sich in Technik und Sujet treu, schuf eindringliche, dabei aber ganz und gar unpathetische Arbeiten.

Der Kollwitz-Platz in Prenzlauer Berg ist heute ein Begriff, der auch außerhalb von Berlin bekannt ist. Die Ausstellung im Kollwitz-Museum bietet jedoch noch bis zum Januar die Gelegenheit, die Namensgeberin dieses touristischen Magneten in Werk und Rezeption kennenzulernen. Man sollte sie nutzen. Es lohnt sich.
 

26.10. 201220.01.2013
Käthe-Kollwitz-Museum
Fasanenstr. 24
10719 Berlin (U9 Kurfürstendamm)
Tägl. 11.00 – 18.00 Uhr

Eintritt: 6,00 €
Katalog: 20,00 €

Begleitprogramm:
http://www.kaethe-kollwitz.de
Zum Katalog gibt es ein russisches Beiheft.

Кете Кольвиц (1867 – 1945) была художницей и скульптором. В своих работах она отражала страдания людей. Одной из главных тем её произведений была тема матери, тяжело переносившей смерть сына, погибшего во время войны, или матери, пытающейся спасти своих сыновей от войны. В её работах совершенно отсутствует пафос. В 1927 г. её пригласили в Москву на празднование 10-тилетия революции, и затем там стали проводиться её выставки. Первая из них, организованная в 1928 г. и восстановленая здесь сейчас, призвана показать, как Кете Кольвиц была воспринята в России тогда и как она видится сегодня. К выставочному катологу предлагается приложение на русском языке, все таблички сопровождаются надписями на русском и немецком языках.

(Перевод с немецкого Натальи Курьянович.)

 


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