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Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik
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Seitwert


Küchenlatein oder Hochmut kommt vor den Fall

Heribert Prantl bringt sich selbst in die Bredouille & Voßkuhle sich in Sicherheit

Von Wolfram Schütte

Der SZ-Redakteur Heribert Prantl gilt als Autor bundesweit im Printjournalismus als eine der sogenannten »Edelfedern« des Blattes, dessen innenpolitischer Ressortleiter und stellvertretender Chefredakteur er ist. Prantl, der fast im Alleingang den Republikanimus & den Föderalismus Deutschlands & seiner obersten Gerichte jederzeit verteidigt & als entschieden linksliberale Stimme kommentierend zu Stelle ist, wenn »Not am Mann« scheint & wieder einmal durch Fehlverhalten der Politik oder Justiz die demokratischen Grundlagen der Bundesrepublik in Erosionsgefahr sind, hat wegen dieser konsequenten, stetigen & mutigen intellektuellen & moralischen Haltung viele Bewunderer, die auf sein Wort warten; aber weil er so herausgehoben als Stimme der SZ erkennbar ist, hat er auch viele Neider, die ihm seine überwiegend positive Resonanz bei den Lesern, die sich von ihm vertreten sehen und ermutigt fühlen, nicht gönnen. Neider nicht nur unter Lesern, sondern auch speziell unter Kollegen - wie üblich, wenn einer primus inter pares ist.

Vermutlich aber ist auch an Prantl seine öffentliche Stellung & sein Resonanz-Erfolg nicht folgenlos vorbei gegangen. Leider tritt in solchen Fällen als Kollateralschaden des beruflichen Selbstgenusses häufig Eitelkeit in Form von Selbstgefälligkeit auf. Anders als mit Eitelkeit scheint mir ein Verhalten nicht erklärbar, das der weidlich berühmte, geschätzte und journalistisch ebenso erfahrene wie hervorragende Autor sich nun hat zuschulden kommen lassen - & über das sich seine neidischen Kollegen insgeheim die Hände reiben.
In einem enthusiastischen SZ-Porträt des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, hat Prantl kürzlich beschrieben, dass vor einem »Arbeitsessen« bei dem Präsidenten des deutschen Gerichts, das derzeit unter starkem Druck der Politik darüber berät, ob die deutsche Regierung bei ihren Euro-Rettungsaktionen gegen das Grundgesetz verstoßen habe, Voßkuhle seine Gäste zur Mitarbeit am Essen in seine Küche bitte.

Der Leser konnte dabei den Eindruck gewinnen, Prantl berichtete bei diesem durchaus sympathischen Zug des von ihm als vollkommen  unabhängig gelobten höchsten deutschen Gerichtspräsidenten aus eigener Erfahrung & Anschauung. Allerdings hätte man die Prantlsche Einschränkung, dass es sich um ein »Arbeitsessen» gehandelt habe (wenn ich mich recht an den spezifischen von Prantl gebrauchten Begriff erinnere, weil mir der Bericht im Augenblick nicht mehr vorliegt) - allerdings hätte man dann diese Einschränkung eine Essens mit Voßkuhle ganz & gar auf Prantls Recherche vor Ort beziehen müssen (statt, wie wohl geschehen, auf ein Arbeitsessen mit Richterkollegen).
Zweifellos hätte der von diesem journalistischen Farbtupfer des Porträts beeindruckte Leser den Autor, der sich scheinbar in der Küche des Gerichtspräsidenten unter dessen Anleitung ans gemeinsame Essen gemacht habe, noch höher geschätzt als ohnehin. Der Eindruck von Prantlscher Küchenarbeit konnte sich übrigens umso naheliegender beim Zeitungsleser einstellen, als ja seit Enzensbergers »Titanic«-Zeiten & heute häufig Reporter in ihre Features die Umstände ihrer Recherchen einfließen lassen - eine hybride Form, die früher in der Reportage verpönt war.

Vor mehr als einem Jahr hatte der "Spiegel"-Journalist René Pfister in seinem Horst-Seehofer-Porträt, das mit dem Henri-Nannen-Preis ausgezeichnet worden war, mit einer ähnlich intimen Szene - im Keller des bayrischen Ministerpräsidenten - geprunkt. Als er jedoch gestehen musste, dass er selbst Seehofer nicht dabei beobachtet hatte, wie dieser mit seiner Modelleisenbahn gespielt habe, wurde Pfister der Preis wieder aberkannt.
In beiden Fällen traf das von den Autoren beschriebene Geschehen faktisch zu; auch führten Seehofer & Voßkuhle nicht an, von ihren journalistischen Porträtisten durch diese intimen, privaten Details unrechtmäßig bloßgestellt oder mißhandelt worden zu sein.

Das  journalistische »Skandalon«  war in beiden Fällen, dass die Autoren, in der Rolle des Reporters durch fremde Erfahrungen, die sie als solche nicht kenntlich gemacht hatten, sich eine Nähe zu den Porträtierten zugesprochen & den Lesern suggeriert hätten, die in diesem Fall nicht der Wahrheit & Faktizität & vor allem ihrer Augenzeugenschaft entsprach. Sie hatten sozusagen die Fußnote unterlassen oder nicht deutlich genug gemacht, dass sie bei diesen Szenen aus dem Privatleben ihrer Porträtierten sich »aus zweiter Hand« bedient hatten.

Aber bei aller Problematik sowohl ihres journalistischen Verfahren als auch des daraus erhobenen moralischen Vorwurfs (erschlichener Authentizität): eine Guttenbergerei - also etwas, das in die Nähe eines Plagiats gekommen wäre - ist daraus nicht entstanden.
Prantl selbst hat gegenüber der FR gestanden: »Das war ein Fehler» & die SZ hat »In eigner Sache»  ihre Leser über das Faktum unterrichtet.

Es wäre als solches gar nicht bekannt geworden, wenn nicht Voßkuhle dafür gesorgt hätte. Das macht den journalistischen Fall (& den Flecken auf der bislang weißen journalistischen Weste Heribert Prantls) erst wirklich interessant. Aber nicht der Gerichtspräsident selbst hat sich zu Wort gemeldet, sondern er ließ in einem distenzierenden Hoheitsakt die offenbar sehr ironische Gerichtssprecherin mitteilen, »dass Herr Prantl weder für diesen Artikel noch zu einem anderen Zeitpunkt von Herrn Voßkuhle zu einem privaten Essen eingeladen wurde, geschweige denn aus persönlicher Anschauung mit den Kochgewohnheiten des Präsidenten vertraut sein kann«.

Es gibt zwei mögliche Gründe, die Voßkuhle zu dieser öffentlichen Abfuhr seines düpierten Bewunderers & hochgestimmten Porträtisten motiviert haben könnten. Zum einen wird der Präsident, wenn sein von Prantl entworfenes Porträt einigermaßen mit dem Charakter des Gerichtspräsidenten übereinstimmt, seine kollegialen Neider so gut haben wie die SZ-Edelfeder ihre journalistischen. Man kann sich leichthin vorstellen, was sie gedacht, gesagt & verbreitet haben, nachdem Prantls Großer Gesang auf den Unabhängigen erschienen war & darin sogar jener Passus über gemeinsame Küchendienste im Hause Voßkuhle ein Beweis für den intimen Umgang der beiden zu beweisen schien: nämlich dass der Präsident so unverfroren & sein journalistischer Helfershelfer so dumm gewesen sei, dass nicht nur sein Porträt zum rechten Zeitpunkt ad majorem gloriam erschienen sei, sondern dessen Verfasser dankenswerterweise so dämlich gewesen sei, die Vorgeschichte seines Entstehens auch noch gleich aller Welt mitzuteilen.

In der Tat: wenn das zuträfe, würde ein wirklicher Skandal doppelter Eitelkeit vorliegen. Das ist nicht der Fall. Man würde ein solche monströse Dummheit auch weder Voßkuhle noch Prantl zutrauen - nach ihrem bisherigen beruflichen Lebensweg.  (Nur ihre dümmsten Hasser wären zu dieser Hoffnung in der Lage.)

Aber nicht nur um seinen kollegialen Neider in die Parade einer üblen Nachrede zu fahren, sah Voßkuhle sich zum Handeln gezwungen, sondern auch noch zum anderen deshalb, weil er - ganz im Sinne & Agieren des von Prantl Porträtierten - gegenüber der Politik seine Unabhängigkeit beweisen musste, damit niemand irgendein plausibel erscheinendes, rational schwer widerlegbares Argument gegen den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, dessen endgültige Entscheidung folgenreich sein könnte, durch das Prantlsche Küchenlatein in die Hand gespielt bekäme.

Der »Fehler«, den der doch weidlich erfahrene Journalist gemacht hat, ist genau hier lokalisierbar. Prantl hätte wissen müssen, dass er sich bei seinem Porträt auf heiklem Gelände bewegt. Er ist doch kundig genug, um die Folgen jedes seiner Worte oder jede seiner Aussagen über den von ihm Porträtierten für diesen (& speziell in diesen Tagen) absehen & abschätzen zu können. Davon abgesehen &  nicht die von ihm provozierten Kollateralschäden an Voßkuhles öffentlichem Image vorausgesehen zu haben, muss sich Heribert Prantl vor allem & vor allen anderen vorwerfen, die es ihm nun negativ mit Häme zu Buche schreiben.

Einzig die immer immense Versuchung einer unkontrollierten persönlichen Eitelkeit erklärt sein folgenreiches Versagen & seine nun öffentliche Demütigung. Oder um mit dem ausgewiesenen Kenner & Liebhaber biblischer Spruchweisheiten zu sprechen: So kommt Hochmut vor den Fall.
 


 


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