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Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik |
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Die Hölle sind immer die Anderen
Über Georges Batailles
»Henker und Opfer« und noch einiges mehr.
Die Hölle ist jener Ort,
dessen wir uns nicht versichern wollen. Wir weisen ihn mit einer ausholenden
Geste von uns, als wäre er nicht Teil der Welt, als wäre er zumindest nicht
jenes Teiles angehörig, auf den wir Anspruch erheben.
Motive entbinden uns der
Pflicht zur Angst.
In der Erzählung »Die
Schule der Gottlosigkeit« von Aleksandar Tisma geht es an der Hand eines
Foltermeisters frisch ans Werk. Unzumutbar scheint das Geschehen. Dann driftet
die Handlung ab, der Täter verschwindet, telefoniert mit seinem Kind, das krank
im Bett liegt. Die Sorgen ob des Kindes fressen ihn schier auf. Der Täter
entgleitet uns hier rasch. Wir alle, und da revoltiert einer der Gestrigen selbst noch ins Heute hinein, sind Auschwitz. Wir tragen alle Möglichkeiten in uns, sind Henker und Opfer zugleich. Da sollte man nicht zu rasch vorüber eilen, denn auch heute noch schauen wir immer in die eine oder andere Richtung. Hören wir von Foltergefängnissen der USA, dann erheben wir sofort wohlfeil den moralischen Zeigefinger, natürlich nicht ohne ihn vorher noch befeuchtet zu haben. Gutmenschen sind vielleicht die unehrlichsten Teufel unter allen höllischen Plagegeistern, also jene, die sich stets heraus nehmen, sich somit aller Menschlichkeit berauben. Sie sind keine Menschen, so behaupten sie selbst es, denn wären sie es, dann würden sie die Möglichkeiten erkennen, die im Menschen sich behaupten. Sie würden klar ausrufen: Auch ich wäre Henker, auch ich wäre Opfer. Die Möglichkeiten von Lebensläufen vereiteln schlicht den einen oder anderen Gang. Der eine endet am Kreuz, der andere schlägt die Nägel. Wo wir gerade in der Bibel blättern, wollen wir auch rasch noch Nietzsche beizerren (denn an dem hat sich Bataille eindeutig lesbar und leider geschult, muss doch eine solche Schule meist im sprachlichen Desaster enden), der uns den edlen Pontius Pilatus neu vorstellte, als jenen, der eine der wichtigsten Fragen des Denkens stellte: „Was ist Wahrheit?« Eine solche Frage entklammert, entlässt den Menschen in die Unmündigkeit, die wir antreffen, stoßen wir auf den Schmerz. Kehrt der reine Körper in einem Vernichtungslager zu uns zurück, verliert alle Sprache ihre Mächtigkeit, herrscht doch dort nur der Knüppel. Dort kentert der Mensch, er fällt auf sich zurück, wird unmündig, erkennt die Wahrheit als das große Offene des Seins.
Aber Bataille lässt uns
nicht alleine, auch er kehrt zum Mythos, zum Humor und zur Poesie zurück, die
als Verklärungswaffen nötig sind. Sich abzuwenden, darin erkennen wir den
Menschen. Er nötigt den Mythos, will sich Abhilfe verschaffen. Bataille aber
wirft uns einen kalten Mythos vor die Füße. »Nacht ist auch eine Sonne, und die
Abwesenheit des Mythos ist auch ein Mythos: der kälteste, der reinste, der
einzig wahre.« Aber die Sprache verschuldet sich schnell, das merke ich selbst. Ich lese meine Worte, die ich hier gesucht habe und die mich gefunden haben und denke: hätte das nicht besser gehen können. Wo ist der Ärmel, aus dem ich sie mir hätte schütteln mögen. Stattdessen klumpten sie mir aus der Stirn, die für einen Moment durchlässig wurde. Da fällt manches, wohl aber leider keine transparente Sprache. Ob es auch Bataille so gegangen ist? Neigt man zum schwerfällig gravitätischen Duktus, wenn man sich über die Ausgesetztheit des Menschen äußert. Ich denke nicht. Andere tanzen über solche Flächen. Tanzbilder erinnern natürlich gleich wieder an Nietzsche. Der war mehr Evangelist denn Autor. Die Wüste, die er sich wünschte, bannte er stets noch mit einem zuviel an Gestus. Auch da gleicht ihm Bataille.
Aber
man kommt nicht umhin, sich mit Bataille zu beschäftigen. Er öffnet die Augen,
die Poren, den gesamten Körper. Es ist an der Zeit, Bataille neu und vollständig
zu entdecken. Man verlässt seine Textkuren ein Stück weit nackter und das ist
schon viel in der heutigen Textilliteratur, die einen mit immer dichter
verwebten Stoffen umgarnt. Man schwitzt eine Weile mit ihm und geht dann für
Stunden geläutert wieder seines Weges. Da bietet sich an, immer einen Bataille
in der Tasche zu haben. Gerät man in die Gefahr der Hoffnung, dann greift man zu
und entdeckt in ihm die Chance der Hoffnungslosigkeit. Denn wer will schon mit
der schlimmsten aller Plagen, der Hoffnung, leben. Nur Fatalisten rechnen alle
Möglichkeiten der Welt mit ein. Sie springen über den Schatten der eigenen
Gewissheit, springen hinab in die Kühle eines klärenden Nichts. Wir sind nicht
zu erklären. Wir sind nur zu bestaunen. Willkommen im Zoo der Menschheit. |
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