© R. Reifenrath
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König Herzog –
Der Filmregisseur (& Schriftsteller) Werner Herzog wird am 5. September 80 Jahre
alt. Er hat sich (wie nur noch Herbert Achternbusch neben ihm) immer primär als
bayrischer Künstler verstanden. An seinem 80. Geburtstag läuft im
Bayrischen Fernsehen „Die Lümmel von der ersten Bank“ & keiner seiner u.a. von
den Öffentlich-Rechtlichen Sendern der BRD mitfinanzierten Spielfilme,
geschweige denn einer seiner zahlreichen Dokumentarfilme.
Man muss kein
chauvinistischer Nationalist sein, um in der Programmierung sämtlicher Sender
der ARD & dem ZDF an diesem Tag eine beleidigende Respektlosigkeit in Tateinheit
mit kulturhistorischer Dummheit bei allen zu sehen, die bei den
öffentlich-rechtlichen Sendern ihrer unverdienten Pension entgegenschlummern.
*
By-the-way-discovery
- Sehr gut kann ich mich noch an die Eulenspiegeleien Wolfgang Hildesheimers
erinnern. Nachdem er in seinem „Mozart“ allen geläufigen Biographismus über den
Komponisten unterlaufen & am Ende behauptet hatte, dass wir über Mozart
eigentlich nichts wissen, schickte er seinem damals heftig umstrittenen „Mozart“
5 Jahre später eine veritable Biographie nach: „Marbot“ hieß sie - wie der nur
29 Jahre alt gewordene englische Adlige dieses Namens, der Anfang des 19.
Jahrhunderts gelebt haben soll.
Ihm dichtete
Hildesheimer die persönliche Bekanntschaft mit vielen europäischen Geistesgrößen
seiner Zeit, den Inzest mit seine Mutter, eine psychoanalytische Vorläuferschaft
Siegmund Freuds & einen Selbstmord an. Nicht wenige bundesrepublikanische
intellektuelle Großkritiker & kulturhistorisch hochgebildetee Kenner fielen auf
die Fiktion des genialen Eulenspiegels von Poschiavo herein. Der Verlag hatte
Hildesheimers literarischen Spaß über „Marbot, dessen Namen man in keinem
Lexikon findet“ ohne Augenzwinkern mitgespielt: bis heute.
„Ihr wollt eine
Biographie“- „Da habt ihr eine!“: so könnte man sich ein Selbstgespräch
Hildesheimers nach seinem >Mozart< vorstellen.
Wahrscheinlich aber hatte Wolfgang Hildesheimer den Namen seine fiktiven Helden
in Virginia Woolfs Roman „Mrs. Dalloway“ gefunden. Dessen gleichfalls fiktive
Titelheldin liest mit Vergnügen die englische Übersetzung der nicht-fiktiven
„Memoires du Général Baron de Marbot“ (1782-1854), der, wie es in den
Anmerkungen des eben neu übersetzten Buches bei Manesse heißt, darin u.a. „aus
erster Hand die napoleonischen Kriegszüge und Begegnungen mit großen Männern
seiner Zeit beschrieb“..
Diesen
Marbot gab es wirklich. Er hat seine Biographie ja auch selbst geschrieben, wenn
wir auch von seiner wahren Existenz erst durch eine fiktive Romanfigur erfahren
haben….
*
Münchhausener Glaubensdialektik
– „Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich (zu Dir) in den Himmel komm“.
*
Einmal ist keinmal
– Im Gegensatz zu Malerei & Musik, die durch wiederholte Rezeption (Betrachten,
Anhören) erst eine ästhetische Tiefenerfahrung mit ihren Objekten möglich
machen, gilt es als bizarr – zumindest als ungewöhnlich -, einen Roman zweimal,
gar kurz hinter einander zu lesen. Nur mit Trivial-Literatur soll es häufiger
vorkommen, dass deren Konsumenten ein Buch mehrfach lesen, um den psychischen
Thrill wie eine erste Drogenerfahrung, so schnell wie möglich erneut
heraufzubeschwören.
Liegt das am Narrativen, das auf einen pointierten Schluß zuläuft - & damit der
Weg zu ihm so überflüssig erscheint, wie das Männchen der Gottesanbeterin, die
es noch während des Zeugungsakts verzehrt?
*
„If all cultures are equal, cannibalism is a matter of taste“ (Leo Strauss.
Laut Joseph A.
Tillmann als Perlentaucher-Kommentar am 16.08.22)
*
Private joke -
In einem TV-Feature über eine „Madame Butterfly“-Inszenierung, erzählte &
belegte ein österreichischer Komponist, dass Puccini für seine Oper ein
musikalisches Motiv aus Smetanas Oper „Die verkaufte Braut“ mehrfach verwendet
hat – ähnlich wie er für Pinkertons Auftritte in der Oper das „Star-Sprangled
Banner“ der US-Mariner verwendete, das erst nach der Komposition der „Butterfly“
zur US-Nationalhymne avancierte.
Während die Zitierungen des Marine-Liedes demonstrativen Charakter haben & den
US-Offizier annoncieren, der sich eine japanische Braut pro forma kauft, sind
die Anklänge an ein wirbelhaftes Motiv der tschechischen Nationaloper diskreter
eingearbeitet – aber für jemanden, der die furiose Musik der Komödie „Die
verkaufte Braut“ gut kennt, möglicherweise doch wahrnehmbar.
Nur: was könnte man mit dieser Erkenntnis beim Hören der „Butterfly“ anfangen?
Nichts. Würde Puccinis tragisches Melodram durch diese minimalen Entlehnungen
aus dem komödiantischen (Furiant-)Wirbel Smetanas zweideutig oder transparenter?
Nein. Obwohl der italienische Komponist offensichtlich seine Smetana-Anleihen
bewusst getätigt hat, kommt die mehrmalige Amalgamierung über den „private joke“
nicht hinaus.
Vielleicht hatte ihm das quirlige Motiv einfach zur Charakterisierung einer
Unruhe oder Angst genauso gefallen wie Smetana. Dessen Operntitel könnte
zumindest im Deutschen auch auf „Madame Butterfly“ zutreffen, wenn man das Wort
ironisch-bitter im Sinne der Redeweise „verraten & verkauft“ verstünde.
Artikel online seit 24.08.22
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»Petits
riens«,
nach dem Titel
eines verloren gegangenen Balletts, zu dem der junge Mozart einige pointierte
Orchesterstücke schrieb, hat der Autor seit Jahren kleine Betrachtungen,
verstreute Gedankensplitter, kurze Überlegungen zu Aktualitäten des
Augenblicks gesammelt. Es sind Glossen, die sowohl sein Aufmerken bezeugen
wollen als auch wünschen, die
»Bonsai-Essays«
könnten den Leser selbst zur gedanklichen Beschäftigung mit den Gegenständen
dieser flüchtigen Momentaufnahmen anregen.
»Kleine
Nichtse« eben - Knirpse, aus denen vielleicht doch noch etwas werden kann.
Petits riens (IX)
Horrorfamilien &-feste -
Fürsorgliche Belagerung - Wert, Schätzung
Text lesen
Petits riens (x)
Die
Konkurrenz schläft nicht - Kinospekulation - Reisebekanntschaften - Café de
France, trocken
Text lesen
Petits riens (elf)
Text lesen
Erhellung - Appell -
Calvinisten-Lehre - Fundamentales hier & dort
Petits riens (zwölf)
Text lesen
Privatissime öffentlich / Was tun?
Ahnungslose Nachfolge.
Petits riens (dreizehn)
Text lesen
Die kleine Differenz - Literarische Bodenlosigkeit - Sprich,
Erinnerung, sprich - Mit Mozart zu Boeing
Petits riens (vierzehn)
Text lesen Weniger
ist mehr - Raumflucht - Flensburgisches Berchtesgaden - Wo steht das Klavier? -
Tot zu Lebzeiten
Petits riens (fünfzehn)
Text lesen Aus
zweiter Hand - Alla Calabrese - Noli me tangere - Fanpost
Petits riens (sechzehn)
Text lesen Landläufig
- Die verlassenen Bücher - Ortsfetischismus
Petits
riens (siebzehn)
Text lesen
Eingeweide-Mahnung
- Hase & Igel mit Pedalen - Nachhilfe-Kommentatoren
Petits
riens (achtzehn)
Text lesen
Merkel semper triumphans -
Erkennbare Missgeburt - Kino-Vision
- Findlingstückchen
Petits
riens (neunzehn)
Text
lesen
Brecht/Trump -
Self fulfilling prophecy - Schadenfreude
Petits
riens (zwanzig)
Text
lesen
Zeit haben -
Nachtmahlen
-
Späte Erkenntnis -
Das Gefäß
bestimmt den Inhalt
Petits
riens (21)
Text
lesen
Korrektur - Aus
der Geschichte lernen - Vorsicht & Nachsicht
Petits
riens (22)
Text
lesen
Deutsche Karrieren
(mehrfach) - Teure Bürde
der Verantwortung -
Trumpeln
Petits
riens (23)
Text
lesen
In die Tasche gesteckt - Stumm- & Tonfilm - Feuerwerksverpuffung
Petits
riens (24)
Text
lesen
Wo ich
nichts weiß, macht mich nichts heiß - Verlust-Anzeige -Der kleine Unterschied -
Kniefall -Allein diese beiden - Die Verwandlung
Petits
riens (25)
Text
lesen
Unterlassene
Hausaufgaben - Drakonische Notwehr -
Morbus Trump
Petits
riens (26)
Text
lesen
Zukunft einer
Illusion - »Aber gerne« - Waffen & Bauen -
Kollateralgewinn
Petits
riens (27)
Text
lesen
Noli me tangere - Karriere eines Wortes - Kanonische Spekulationen - Zugebissen
- Studentinnen -
Kleine Nachtmusik mit Primzahl-Kompositionen
Petits
riens (28)
Text
lesen
Vertrauen Sie sich mir
an -
Schwarze Hefte -
Vom Himmel hoch, da komm ich her
Petits
riens (29)
Text
lesen
Eines Rätsels Lösung -
Gender Irritation - PV - Gift-Gaben
Petits
riens (30)
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Wahl-Korrektur -
Sponti Adé Brioche mit Aktien
Petits riens (31)
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Knallerprojekte - Glück gehabt - ... macht mich nicht heiß - Angeführt &
angeschmiert - Gender-Führung - Trauerarbeit
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Münsteraner Rätsel -
Pfäffische SPD - Aufgemerkt also - Kannitverstan -
Versprecher - Noch ne Tasse im Schrank?
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Genre-Szene - Deutschstunden mit Bildern - Klettermaxe -
Rumpelstilzerische
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Spätzündung -
Schlußverkauf -
Abgefüllte Zeit Sprachflüchtiger Literat Ordnung & Amt
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Romänchen - Fernbedienung -
Trübe Aussicht - Posthumes Autodafé
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Selbstverständlichkeit
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Problematisches Privileg
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Rollover Beethoven
(Hellsicht) - Trump was here
Petri-heil-los -
Schottischer Fortschritt
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Vom Gärtner zum Bock
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Zombi
Fröhlicher Selbstmord
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Elektro-Magnetismus - Verlustanzeige - Letzte Mohikaner
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Dänischer Gulliver in Nordkorea
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Geballer ohne Tote
Lachnummern Revue -
Wandel
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Superlativitis - Sturm
abgeblasen - Neueste Pathfinder - Rätsel Lösung -
Kollateral Bonus
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Lagerdenken,
Gespenster-Aura -
Betriebsschaden
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Kurage,
Massenerfahrungsbad,
Schall & Rauch,
Chronik eines angekündigten Todes, Spätfolgen
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Undiplomatische Kollateralschäden -
Das Undenkbare
oder der Ernstfall -
Koinzidenzialer Gipfel
Petits riens (48)
Von
Wolfram Schütte
Text lesen
Voreilige Forderung, Verlustanzeige, Vergeblicher Wunsch,
Definitionshilfe
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