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Glanz&Elend
Literatur und Zeitkritik


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Glanz&Elend
Die Zeitschrift kommt als
großformatiger Broschurband
in einer limitierten Auflage
von 1.000 Exemplaren
mit 176 Seiten, die es in sich haben.

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Max Beckmanns fruchtbarer Trotz

Überlegungen zur Ausstellung und Katalog
»Exil in Amsterdam«

Von Herbert Debes

Die Paradoxie, daß Beckmanns Exil-Jahre in Amsterdam, überwiegend begleitet von elementarsten Ängsten und Entbehrungen, seine werkgeschichtlich schöpferisch reichsten waren, belegt keinesfalls die bei Kritikern beliebte These, daß ein Künstler leiden müsse, um wirklich Großes schaffen zu können.
Der in seiner Heimat als 'entartet' gebranntmarkte deutsche Maler hätte gerne darauf verzichtet, in seinem zum Atelier umfunktionierten ehemaligen Tabaksspeicher, ohne Heizung und die geliebten Zigarren vor der Leinwand stehen zu müssen, während über ihn deutsche und alliierte Bomber- und Jagdgeschwader auf dem Weg zu ihren Einsätzen hinwegdröhnten.
Die Zweizimmerwohnung am Rokin 85 in der Amsterdamer Innenstadt und sein Atelier waren keinesfalls sichere Inseln in den von den Nazis besetzten Niederlanden. Beckmann und seine Frau mußten damit rechnen bespitzelt zu werden, und konnten sich mit Rücksicht auf ihre Familienangehörigen 'daheim im Reich' keine Auffälligkeiten leisten. So skizzieren denn auch Beckmanns lakonische Tagebuchaufzeichnungen eindrucksvoll das in vieler Hinsicht entbehrungsreiche Leben als Mensch und Künstler, das mit dem vergleichsweise beschaulichen Dasein Manns & Brechts in Kalifornien nichts gemein hatte.
»Tagebucheintrag, Freitag. 22.September 1944.
Todesangst? Mais oui – und auch ein etwas groteskes Gefühl wie eine fast fremde Verantwortung für das in mir vorhandene positive Element. Die letzte Position war völlige Verzweiflung an irgendeinem Sinn der Welt.«


Umso erstaunlicher erscheint Beckmanns durchaus erschütterbarer Selbstbehauptungswille, und seine trotzige Lebenslust, die ihn selbst nach »Ladenschluß« (Sperrstunde) und sogar während des Luftalarms seine Stammkneipe, das nahegelegene »Kaperschip« und andere Etablissements aufsuchen ließ, in denen auch während der Besatzung Varieté- und Musikvorstellungen geboten wurden.
»Tagebucheintrag, 02.November 1942.
Abends trotz Verbot mit elektrischem Licht, ohne Verdunkelung gearbeitet.«

Immer wieder taucht in Beckmanns Briefen, Tagebüchern und Reden das Motiv der Selbstbehauptung des Künstlers gegen die Barbarei und das Nichts auf. Für ihn manifestiert in der Rolle des Malers als Illustrator eines absurden Welttheaters.
»Tagebucheintrag, Dienstag 27. Juni 1944.
Vom gelinden Wahnsinn leicht getrieben tänzelt die Menschheit von Blume zu Blume. Andere retten sich durch Zaubersprünge vor dem Entsetzen des Nichts.«


Beckmanns philosophische Kraftquellen, die ihm bei der Überwindung dieser tief empfundenen Absurdität alles Seins in der Vollendung seiner Gemälde zur Seite standen, waren u.a. immer wieder Schopenhauer, buddhistische Schriften und die Kabbala. In seiner Rede »Über meine Malerei«, die er anläßlich der Ausstellung 'Twentieth Century German Art' in den New Burlington Galleries, London am 21. Juli 1938 hielt, offenbart er sein Credo als Maler eindrucksvoll:
 
»Worauf es mir in meiner Arbeit besonders ankommt, ist die Idealität, die sich hinter der scheinbaren Realität befindet. - - - Ich suche aus der gegebenen Gegenwart die Brücke zum Unsichtbaren - - -ähnlich wie ein berühmter Kabbalist es einmal gesagt hat: 'Willst du das Unsichtbare fassen, - dringe so tief du kannst ein – in das Sichtbare' - - -
Es handelt sich für mich immer wieder darum, die Magie der Realität zu erfassen, und diese Realität in Malerei zu übersetzen. - Das Unsichtbare sichtbar machen durch die Realität. – Das mag vielleicht paradox klingen, - es ist aber wirklich die Realität – die das eigentliche Mysterium des Daseins bildet!
Entscheidend hilft mir dabei die Durchtastung des Raumes. – Höhe, - Breite und Tiefe in die Fläche zu übertragen, sodaß aus diesen drei Raumgegebenheiten sich die abstrakte Bildfläche des Raums gestaltet, die mir Sicherheit gibt gegen die Unendlichkeit des Raumes. – Meine Figuren kommen und gehen wie sie mir Glück und Unglück bieten. – Ich aber versuche sie festzuhalten in der Entkleidung ihrer scheinbaren Zufälligkeit. Das einmalige und unsterbliche Ego zu finden – in Tieren und Menschen – in Himmel und Hölle, die zusammen die Welt ergeben, in der wir leben.
Raum - - - - - Raum - - und nochmals Raum - - die unendliche Gottheit, die uns umgibt und in der wir selber sind.«
(Aus: Die Realität der Träume in Bildern, Reclam, Leipzig)

Steht man heute vor Max Beckmanns Gemälden, offenbart sich die Kraft dieses von ihm beschriebenen Raumes unmittelbar. Und das große Publikumsinteresse an den Arbeiten Max Beckmanns belegt, daß es offenbar eine Sehnsucht gibt, mit diesen Raum in Berührung zu kommen und die ebenso verstörende wie tröstende Kraft seiner Bilder zu spüren. Leider, oder Gottseidank ist dieser Raum nicht beliebig reproduzier- und konsumierbar (Hallo, Walter Benjamin).
Den Abbildungen seiner Gemälde fehlt trotz größtmöglicher drucktechnischer Qualität eben jene magische Dimension, die sich nur im Auge und Herzen des Betrachters vor Ort in der Konfrontation mit dem Original einstellt.
Max Beckmann starb am 27. Dezember 1950 während eines Spazierganges in New York an einem Herzschlag. Für mich war und ist er der bedeutendste lebende deutsche Maler, da können andere ihre Bilder drehen und wenden, wie sie wollen. Herbert Debes
 

Copyright für alle Abbildungen Pinakothek der Moderne, München

Katalog zur Ausstellung:

Max Beckmann
Exil in Amsterdam
Hrsg. Pinakothek der Moderne, Munich,
Text von Carla Schulz-Hoffmann, Christian Lenz, Beatrice von Bormann u.a.
Hatje Cantz
440 Seiten, 273 Abb.,
davon 231 farbig, 42 in Duplex
25,00 x 30,70 cm, gebunden mit Schutzumschlag,
ISBN 978-3-7757-1837-0
 


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