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Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik
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Glanz&Elend
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Seitwert


In den dunklen Ecken Edinburghs ...

... ermittelt Gus Dury, einer der Underdogs der Stadt, die sich nur mühsam über Wasser (und Whiskey) halten können.

Von Georg Patzer

Gus Dury ist ein ganz Lieber. Eigentlich. Es sei denn, er trifft einen Politiker. Dann kann es sein, dass der ehemalige Spitzenjournalist ihm schon mal die Nase bricht. Na gut, es war ein Zufall, damals, als Alisdair Cardownie, »dieser konservative Kacker und stellvertretende Minister für Einwanderung« voll auf den Zug »des dumpfen Hasses« aufsprang, um sich zu profilieren. »Ich hatte das schon zigmal erlebt. Ehrlich gesagt, das Geschwafel eines weiteren schwabbelbackigen, inzestuösen, privilegierten Penners interessierte mich einen Furz.« Als der Politiker dann keine Fragen beantworten wollte und seine Bodyguards sich mit Dury anlegten, rastete der einfach aus und schlug zu. Zwar traf er niemanden, aber verlor so das Gleichgewicht, dass er auf Cardownie zuflog, »und ruckzuck stellte meine Stirn sauber Kontakt mit seiner Nase her.« Kann ja mal passieren. »Ich schaffte es in sämtliche Abendnachrichten. Das erste Mal in meiner Karriere. Und das letzte Mal.«

Seither schlägt er sich schlecht und recht durch im kalten Edinburgh. Ist Alkoholiker auf dem absteigenden Ast, lebt in Trennung und vielleicht Scheidung von seiner Frau Deborah und ist beim Kneipenwirt Col untergekommen, der ihm einen Minijob als Sicherheitsmensch angeboten hat inklusive freiem Wohnen. Jetzt ist sein Sohn Billy ermordet worden, ziemlich brutal, und Col bittet ihn, zu ermitteln. Viel Hoffnung auf die Polizei setzt er nämlich nicht. Denn die findet, das könnte doch ein wunderbarer Selbstmord gewesen sein.

Der Fall führt Dury in die dunklen Ecken Edinburghs, abseits der Princess Street: »Eine verunstaltete Einkaufsstraße wie aus dem Bilderbuch. (…) Es wimmelt nur so vor Schickis. Und alle sahen gleich aus. Ich kann Menschen in den Fünfzigern, die sich wie Breakdancer anziehen, einfach nicht verstehen. Egal, wie angesagt es ist, ich werde niemals eine Herrenhandtasche mit mir herumschleppen und auch niemals Schuhe tragen, die sich kringeln wie Ali Babas Pantoffeln. Und an dem Tag, an dem man mich in Kapuzenshirt und mit Kappa-Mütze sieht, werde ich mir eine Kanone an den Kopf halten.« Dury liebt die abgerissenen Hotels, die engen, dunklen Gassen, die ehrlichen Kneipen, die keine blankpolierte Marmortheke haben. Er gehört zu den Underdogs der Stadt, die sich wie er nur mühsam über Wasser (und Whiskey) halten können.

Da geht es natürlich brutal zu, und auch Dury hält sich nicht zurück: »Ich versenkte meine Faust in seinem Gesicht, hörte das Krachen von berstenden Knochen und wusste, dass seine Nase Geschichte war.« (Der Gerechtigkeit halber muss gesagt werden, dass zum einen die Bösen es auch verdient haben und dass auch Dury einstecken muss.) Es ist eine dunkle Welt, in die Dury geht, es gibt einige unschöne Begegnungen und ein paar noch viel unschönere weitere Morde, denn, der geübte Leser ahnt das schon, es geht natürlich um die Verflechtungen von »guter Gesellschaft«, Politik und dem organisierten Verbrechen. Um politische Spitzen, die ihre Finger auch in den übelsten Geschäften haben. Und es geht, schließlich ist es ein schöner Noir-Krimi, um die Moral, die nur noch vom Detektiv verkörpert wird, wie bei den Gründervätern Chandler und Hammett.

Man merkt schon an der Sprache, die wie aggressiv hingerotzt klingt und ein schönes Stück Arbeit für den Autoren gewesen sein muss, dass hier die schöne Fassade, die Edinburgh durchaus auch bietet, nicht aufrechterhalten werden soll: Alles ist dreckig, düster und kaputt, so wie die Stadt ja auch wirklich manchmal ist. Sehr gekonnt erzählt Black von diesen Seiten der Stadt, die immer wieder mit einem harten oder ironischen Humor durchsetzt ist. Immer wieder mit Zitaten aus Hoch- und Popkultur, wie um zu beweisen, wie gebildet man auch auf der »falschen« Seite der Wohlstandsgesellschaft sein kann.

Leider hat auch Dury noch dazu Altlasten aus seiner Kindheit mitzuschleppen – man kennt diese »Dämonen« hierzulande vor allem aus den unsäglichen Krimis von Oliver Bottini. Durys Vater, Fußballer in Edinburgh, wollte auch ihn als Fußballstar aufbauen, war jähzornig und schlug Frau und Kinder, bis er von Dury selbst verprügelt wird. Am Ende des Romans stirbt der Vater: »Ich suchte nach Mitgefühl, konnte aber nichts finden.« Dieser Strang der Geschichte klingt ab und zu an, einmal erzählt Dury vom Pokalendspiel der Schools League, in dem er versagt. Ebenso die Scheidung von seiner Frau – und unwillkürlich sehnt man sich, da diese Privatkümmernisse der Krimihelden inzwischen überhand genommen haben, nach einem normalen Detektiv ohne »Dämonen«.

Wie bei den meisten Noir-Helden spürt man auch bei Dury unter der harten Selbstschutzschale den weichen Kern, die Sensibilität, die sich hinter markigen Sprüchen versteckt. Manchmal gibt es deswegen auch ein paar sprachlich pathetische Ausrutscher, manches ist auch noch etwas holprig. Aber insgesamt ist Black sehr sicher in der Personenführung, im Plot (der in einem skurrilen und sehr schönen Finale endet) und auch in der Zeichnung der Nebenfiguren. Die auf hart getrimmte Sprache, die muss man halt mögen.
Man könnte noch mehr aus dieser Figur machen, einiges ist noch nicht so recht ausgereift, anderes deutet sich schon an. Aber vielleicht macht Black das ja auch  – drei Bände der Dury-Serie sind auf Englisch schon erschienen und auch hier schon angekündigt. Man darf also gespannt sein.
 

Tony Black
Geopfert
Übersetzt von Jürgen Bürger
Wien, Zsolnay 2011
gebunden, 384 Seiten
19,90 Euro
ISBN 978-3-552-05547-6

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