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Biographie mit Makeln

Wilfried F. Schoeller hat für seine Biographie über den großen Alfred Döblin viel recherchiert. Aber den wichtigsten lebenden Zeitzeugen hat er nicht kontaktiert. Ein unverständliches Versäumnis – mit Folgen.  

Von Lothar Struck

 

Durchaus anerkennend und respektvoll ist an einer Stelle in Wilfried F. Schoellers umfang- und detailreicher Biographie vom Schreibimperium Döblin die Rede. Leser, die mit Döblin nur "Berlin Alexanderplatz" assoziieren, werden hier eines Besseren belehrt. Je nach Zählweise kommt man auf ein Gesamtwerk von 35 bis 40 Bänden. Als 1912, mit 34 Jahren, das erste richtige Buch, die Erzählsammlung Die Ermordung der Butterblume erschien, hatte Alfred Döblin bereits zahlreiche andere Erzählungen und mindestens zwei Romane in der Schublade. Zwei Weltkriege, Hyperinflation und Geldentwertungen, mehrere Exilorte, schwere persönliche Schicksalsschläge und Probleme mit Verlagen sollten Döblins Veröffentlichungen oft genug behindern und verzögern. Hierin liegt einer der Gründe, warum der Pan-Epiker Döblin bis heute eher ein Nischendasein in der Literaturgeschichte führt (Schoeller nennt das Versteck).

Alfred Döblin wurde 1878 in Stettin geboren. Sein Vater war Schneider und Konfektionsfabrikant; die Familie bürgerlich. Dass Döblin in einem jüdischen Elternhaus aufwuchs, war nicht unbedingt prägend und galt für wenig. Zwar wurde er auf die Bar Mizwa, die Aufnahme in die jüdische Gemeinde vorbereitet, aber Döblin gefiel dieser Religionsunterricht nicht und bezeichnete ihn als "rhetorische Kanzelgespreiztheit". Er pflegte ein "Subtraktionsjudentum" - man beging die hohen Feiertage, mehr nicht. Döblin beschäftigte sich später, in der "Reise in Polen", intensiv mit jüdischem Leben. Den Zionismus lehnte er ab, wenngleich er einmal kurz mit dem Gedanken der Emigration nach Palästina gespielt haben soll. Aber auch Hitler konnte ihn nicht zum Zionisten machen, bemerkt Schoeller einmal lakonisch. Prägender war für Döblin nicht die Gemeinde, sondern das früh eingebrannte Kainsmal der Nichtzugehörigkeit. Immer wieder wird er mit Antisemitismus konfrontiert. Schoeller suggeriert, dass Döblin mindestens ein Mal eine berufliche Karriere deswegen verbaut war. Dennoch vermittelt die Biographie nicht den Eindruck, dass der evidente Antisemitismus im Kaiserreich und später in der Weimarer Republik Döblin in existenzieller Hinsicht dauerhaft behindert hat. Noch in den 1930er Jahren stritt sich Döblin fast ausschließlich mit Linksintellektuellen um politische Ziele und Utopien, während die Nazis sich anschickten, die Macht zu übernehmen. Gesinnungen von Leuten wie Benn waren ihm nicht satisfaktionsfähig. Döblin unterschätzte wie viele (nicht nur jüdische) Intellektuelle den Nationalsozialismus und stufte ihn noch 1933 im Exil in der Schweiz als kurzfristiges Phänomen ein. Zu spät sah er, dass Hitler den Deutschen "wie angegossen" passte. 

Erstes Trauma

Ein erstes traumatisches Erlebnis ereignete sich für Döblin als er zehn Jahre alt war. Sein Vater, der mit seiner Fabrik pleite ging, verließ die Familie und wanderte mit einer Geliebten in die USA aus. Zwar kehrte er wenige Monate später zurück, aber die Mutter war mit den Kindern bei einem Onkel in Berlin untergekommen und lebte dort in sehr bescheidenen Verhältnissen. Zwei Versöhnungsversuche 1895 und 1897 scheiterten; die Familie ließ sich nicht mehr wiederherstellen. Erst 1908 kam die Mutter durch ein Erbe zu vorübergehenden Wohlstand. Das Verlassen des Vaters und Zurücklassen von Frau und Kindern sollte Alfred Döblins Leben prägen. Seine Liebschaften, die er neben der, wenn es nach Schoeller geht, fast durchgängig unglücklichen Ehe mit Erna Reiss führte, orientierten sich immer an diesem Erlebnis. Döblin blieb aus Pflichtgefühl bei seiner Frau und den Kindern.  

Schoeller berichtet, wie der Gymnasiast sich früh für Literatur und Philosophie begeisterte. Er las Kleist, Hölderlin, Dostojewski, Schopenhauer. Döblin war durch die familiären Wirren in seiner Klasse drei Jahre älter als der Durchschnitt und konnte demzufolge mit den jüngeren Schülern nicht viel anfangen. Ein Hochbegabter, der unterfordert ist. Merkwürdig Schoellers despektierlicher Ton in der Feststellung, die Einsamkeit, mit der Döblin seine Schulzeit umschrieb, hätte zu seiner Selbstinszenierung gehört. Man fragt sich nur, wann Döblin diese Selbstinszenierung vorgenommen haben soll. Und inwieweit seine These stimmt, in der Schule habe Döblin die Auseinandersetzungen ausgetragen, die er mit dem Vater nicht führen konnte und daher habe sich eine Art Schulzwang-Trauma entwickelt, bleibt ebenfalls unklar.

Er begann schon mit 14 Jahren zu schreiben; der erste umfangreichere Text stammt vom 18jährigen, datiert auf den 6.10.1896. Schoeller teilt einiges über die ersten Prosaversuche und -skizzen mit. 1900 machte Döblin Abitur und begann danach ein Doppelstudium: Medizin und auch geisteswissenschaftliche Fächer. Schon als Student suchte er, wie Schoeller berichtet, Anschluß zur künstlerischen Boheme (sic!) und betrieb sogar einen eigenen literarischen Club. 1904 begann der Kontakt und die Freundschaft zum gleichaltrigen Herwarth Walden, der damals mit Else Lasker-Schüler verheiratet war. Döblin veröffentlichte in Waldens Zeitschrift "Der Sturm" bis 1915 viele seiner Erzählungen und etliche Romanauszüge. Walden schloss sich später den Kommunisten an, floh vor den Nazis in die Sowjetunion, fiel dort in Ungnade und starb verbittert und desillusioniert 1941.

1905 schrieb Döblin in rasender Geschwindigkeit seine Dissertation über "Gedächtnisstörungen bei der Korsakoffschen Psychose". Im gleichen Jahr begann er eine Anstellung in der Kreisirrenanstalt Karthaus-Prüll bei Regensburg, wechselte wenige Monate später in eine Klinik nach Berlin. Er praktizierte als Psychiater und stand der Freudschen Psychoanalyse mit Skepsis gegenüber. (Als Literatur-Funktionär in den 30er Jahren unterstützte er Freud allerdings.) Döblin betrachtete seinen Arztberuf nicht als notwendiges Übel zum Broterwerb, sondern betrieb ihn mit Leidenschaft und Engagement. Er war kein Schriftsteller, der "nebenbei" Arzt war – er war beides. In der Klinik in Berlin lernte er die Krankenschwester Frieda Kunke kennen, die 1911 seinen Sohn Bodo "unehelich" zur Welt bringen sollte.

1908 wechselte Döblin zum Städtischen Krankenhaus nach Berlin-Kreuzberg und arbeitete von nun an als Internist. Hier lernte er 1910 die 21jährige Medizinalassistentin Erna Reiss kennen. Schoeller macht einerseits Spannungen und Komplikationen im Verhältnis der beiden praktisch von Anfang an aus. Andererseits beschreibt er den zielsicheren Weg zur Hochzeit im Januar 1912. Im gleichen Jahr wird der gemeinsame Sohn Peter geboren. Döblin tritt aus der jüdischen Gemeinde aus. Erste Publikationen; 1914 wird er Autor bei S. Fischer, der Ritterschlag. Ausgiebig beschreibt Schoeller das nicht immer spannungsfreie Verhältnis Döblins zu seinen Verlegern und insbesondere zu Fischer, der ihn schon fast abgeschrieben hatte, als dann doch noch der kommerzielle Erfolg mit "Berlin Alexanderplatz" kam. Das Verhältnis zu Bermann-Fischer, der den Verlag praktisch von Anfang der 30er Jahre führte und nach Samuel Fischers Tod 1934 übernahm, kühlte sich deutlich ab und kam in den Exiljahren zum Erliegen.                   

Döblinismus

Döblin begann als Internist zu praktizieren; als sogenannter "Kassenarzt". Neben dieser aufreibenden Arbeit schrieb er unermüdlich ärztliche Fachartikel, Erzählungen, Essays und Romane. Er setzte sich programmatisch mit dem italienischen Futurismus auseinander, den er zunächst begrüßte. Schoeller weist zu Recht auf gewisse Parallelen zwischen den Idealen des literarischen Futurismus und Döblins expressionistischem Stil hin. Für Döblin war es essentiell, dass Ich des Protagonisten zu destruieren und den allwissenden Erzähler gleich mit. Er hatte mit seinen Erzählungen – als erster Dichter nach Büchner – psychiatrische Befunde in die deutsche Literatur eingebracht. Eingefasst in ein Lob rückte Döblin jedoch schnell von Marinetti ab, dessen autoritäre Attitüde ihm nicht gefiel. Mit einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein schrieb er in einem Offenen Brief: "Pflegen Sie Ihren Futurismus. Ich pflege meinen Döblinismus". Die Gründe für diese Distanzierung bleiben unklar. Schoeller insinuiert, Döblin habe sich zunächst mit dem Futurismus in der Malerei auseinandergesetzt und dann später festgestellt, dass die literarischen Ambitionen entweder in seinem Werk bereits verwirklicht oder unerfüllbar waren (Die Syntax ist zu zerbrechen. Die Interpunktion muss man abschaffen).    

Den Ersten Weltkrieg verbrachte Döblin als Militärarzt in Lothringen und im Elsass. Im Dezember 1914 veröffentlichte er einen Text, in dem die Beschießung der Kathedrale von Reims durch deutsche Truppen gerechtfertigt wurde. Eine Übung in Chauvinismus erkennt Schoeller hier. In Anbetracht der zum Teil erbärmlichen Kriegsgesänge fast aller Kollegen zur gleichen Zeit (die Ausnahmen werden genannt) erscheint die Formulierung des Biographen, Döblins Gesamtbild von 1914 hebe sich vom Heroenkult, Germanentum, […] Propaganda der Waffen, Verherrlichung des Sterbens ein wenig ab übertrieben tiefgestapelt.

Döblin empfand den Dienst zunächst als langweilig, aber er hatte viel Zeit zum Schreiben. Lediglich die für seine Romane so essentiellen Recherchen, die Stoffsammlung, gestaltete sich schwieriger - es war keine (gut bestückte) Bibliothek in der Nähe. Es gab eine Affäre mit einer Ärztin, die durch Ernas Zuzug gestoppt wurde. Die Söhne Wolfgang und Klaus wurden 1915 bzw. 1917 geboren. Als 1916 sein Geschichtsroman "Die drei Sprünge des Wang-lun" erscheint gelingt der literarische Durchbruch. Der Roman "Wadzeks Kampf mit der Dampfturbine" erscheint wie eine verspätete Auseinandersetzung mit dem technikaffinen Futurismus und stieß bei der Kritik auf Befremden. Aber: Man hatte in Europa in diesen Zeiten andere Sorgen. Döblins Bücher bekamen durch den Krieg kaum die ihnen eigentlich gebührende Aufmerksamkeit.

Politisierung

Der Krieg setzte Döblin zu. Er wurde magenkrank und sogar in Kur geschickt. Er eckte bei seinen Vorgesetzten an, weil er sich für eine adäquate Behandlung der verwundeten Soldaten, die er seine Patienten nannte, einsetzte und den Instanzenweg für seine Beschwerde ignorierte. Schließlich wurde er versetzt. Schoeller beschreibt Döblin zum damaligen Zeitpunkt längst als müden Krieger, eine ziemlich verunglückte Metapher, denn ein Krieger war Döblin nie gewesen. Tatsächlich war er gegen Ende des Krieges mit dessen Abscheulichkeit tagtäglich konfrontiert und entsprechend deprimiert.

Großen Raum in der Biographie nehmen die Ereignisse um die Novemberrevolution und die Wirren 1919 ein. Döblin zeigte zunächst große Sympathien für die Revolution, begrüßte die Abkehr vom Nationalismus und Wilhelmismus und stürzte sich – er war inzwischen wieder praktizierender Arzt in Berlin – in die publizistische Unterstützung. Schoeller macht deutlich, dass Döblin mit der Programmatik der USPD sympathisierte, also jenen abtrünnigen Sozialdemokraten, die den pragmatischen Kurs der Ebert-SPD nicht mehr mittragen wollten und zeitweise eine beträchtliche Rolle spielte. Dabei spekuliert der Biograph über eine Mitgliedschaft Döblins in der USPD (von Döblin selber gelegentlich behauptet), kann diese jedoch nicht belegen. Im weiteren Verlauf des Buches wird daraus plötzlich nachträglich eine Sympathie und sogar Mitgliedschaft für die SPD gedeutet – obwohl Döblin immer vehement gegen die Ebert-Linie Position vertrat und sogar einmal von einem Hass auf Sozialdemokraten die Rede ist. Irrtum oder nur eine Ungenauigkeit?

Döblin saß politisch zwischen den Stühlen – durchaus typisch für diesen streitlustigen Nonkonformisten. Den einen galt er als Sozialist. Den anderen war er nicht sozialistisch genug. Schoellers Charakterisierung von Döblins Sozialismus-Ideal ist treffend: Er lehnt das politökonomische Denken ebenso ab wie die Vorstellung vom Klassenkampf oder von der Diktatur des Proletariats. Das ist ihm zu verkürzt. […] Sein Sozialismus besteht vor allem in der Realisierung des Vorrats an Idealen der bürgerlichen Revolution. Er sucht einen geistigen Materialismus, der ohne marxistische Glaubensbekenntnisse auskommt, zielt auf spirituelle Grundlagen des Menschen und versteht diese Vorstellung als ethischen Sozialismus

Zu den politischen Kalamitäten kamen persönliche Schicksalsschläge. Im Januar 1918 starb die ehemalige Geliebte und Mutter seines Sohnes Bodo, Frieda Kunke. Döblins Schwester Meta wurde im März 1919 beim Milchholen im Zuge der bürgerkriegsähnlichen Zustände im damaligen Berlin von einem Granatsplitter tödlich getroffen. Döblins Mutter starb im April 1920 an Parkinson; er hat ihren Krankheitsverlauf in seiner Autobiographie "Erster Rückblick" detailliert dokumentiert. Und ein Jahr starb Döblins Vater, den er, wie Schoeller anmerkt, längst symbolisch [hatte] sterben lassen. 1917 findet sich in einer Krankenakte von Alfred Döblin der Hinweis, der Vater sei tot.

"Rededelirien" und der Durchbruch

In den 1920er Jahren ist Alfred Döblin beruflich und intellektuell auf dem Höhepunkt seiner Leistungsfähigkeit. Rastlos erfüllt er seinen Arztberuf. "Rededelirien nannte er die aufkommende Diskussions- und Thesenlust, an der er leidenschaftlich teilnimmt. Seine Lust auf Glossen und Polemiken stillt er mit sozialkritischen Kolumnen unter dem Pseudonym "Linke Poot"; ein Gegenstück zum sonst so seriösen Alfred Döblin. Schoeller zeigt, wie Döblin politischen Parteien gegenüber abweisend gegenüber stand. Er präferierte noch sehr lange eine Art Räterepublik – auch noch, als er messerscharf und weit vor anderen den Kommunismus als Menschheitsübel diagnostizierte. Hierfür erhielt er den entsprechenden Spott der linientreuen Kollegen, allen voran Johannes R. Becher, mit dem sich Döblin heftige verbale Fehden lieferte (Brecht war hier eine Ausnahme, er zeigte immer und auch bei abweichenden Lebensentwürfen Respekt vor Döblin). Leider fehlt ein Hinweis darauf, ob Döblin von der Causa Becher aus dem Jahr 1910 wusste. Becher hatte damals in Anlehnung an den Freitod um Heinrich von Kleist seine damalige Geliebte getötet und sich selber mit einem Schulterschuss verletzt. Becher wurde vom damaligen Gericht für unzurechnungsfähig erklärt - ein Tatbestand, der Döblin als Psychiater hätte interessieren müssen.

1921 lernt er die 1900 geborene Fotografin Charlotte Niclas, genannt "Yolla", kennen – und lieben. Ausgiebig berichtet Schoeller über das mindestens am Anfang vermutlich nicht nur platonische Verhältnis zur Schwesterseele, welches die ohnehin virulenten Eheprobleme Döblins noch vergrößerte. Teilweise sah es nach einer ménage-à-trois aus und Yolla passte auf die Kinder in Abwesenheit aber mit Wissen von Erna Döblin auf. Dann wiederum berichtet Schoeller von Verboten Ernas, mit Yolla Kontakt aufzunehmen. Der Kontakt wird jedoch – mit Unterbrechungen – das ganze Leben erhalten bleiben.

Insbesondere die Schilderungen der Aktivitäten Döblins in den 1920er Jahren geraten dem Biographen gelegentlich zäh. Natürlich ist hier die Herkulesaufgabe zu vollbringen, die Fülle der privaten, beruflichen und schriftstellerischen Aktionen angemessen zu beschreiben und zu gewichten. Mitte der 20er Jahre stellte Döblin das Verhältnis zu "Yolla" Niclas (vorübergehend) ein. 1926 wird Stefan geboren, das "Versöhnungskind" wie der nächstältere Bruder Klaus (Claude) ihn nannte. Döblins intellektueller Tatendrang scheint unerschöpflich zu sein. Er betätigte sich als Theater- und Filmkritiker und beteiligte sich am Drehbuch zur Verfilmung seines "Berlin Alexanderplatz"-Romans (mit Heinrich George in der Rolle des Franz Biberkopf). Döblin kann auch als Rundfunk-Pionier gelten. Er begann sehr früh Beiträge zu schreiben und zu sprechen. 1929 unterhielt sich Alfred Döblin mit seinem 14jährigen Sohn Wolfgang in der "Berliner Funkstunde". Schoeller spekuliert, worüber die beiden geredet haben. Über Gott? Dabei gibt es durchaus Aufzeichnungen dieser Sendung im Nachlass, wie die renommierte Döblin-Kennerin Christina Althen bemerkt. Der Biograph hätte dies recherchieren können.

Zwischen 1919 und 1933 erschienen zehn Bücher von Alfred Döblin, unter anderem je ein Reisebericht und ein Theaterstück, Essays, die Sammlung der "Linke Poot"-Glossen und vier große Romane. Einige Romane und Essays, die aus dem Exil heraus erscheinen sollten, wurden noch in Deutschland begonnen. Eigentlich hatte der Fischer-Verlag Döblin schon fast aufgegeben, zu gering war der Erfolg. Da erschien 1929 "Berlin Alexanderplatz" und alles wendete sich zum Guten. Dennoch schreibt der Biograph zutreffend, "Berlin Alexanderplatz" sei die Grabplatte der Aufmerksamkeit für die anderen Bücher Döblins und beklagt, dass die Superlative der Literaturwissenschaft für dieses Buch die anderen Werke vernachlässigt habe - um sogleich im Duktus einzustimmen und das Buch zur Weltliteratur zu deklarieren (was es zweifellos ist). Vermutlich aus Furcht vor der Grabplatte behandelt er dann "Berlin Alexanderplatz" quantitativ wie die anderen Werke Döblins. Die Wirkung des Buches beispielsweise in den 1970er Jahren durch den deutschen Filmemacher Rainer Werner Fassbinder und die Strahlkraft dieses Großstadtepos bis in die heutige Zeit findet in der Biographie keine Erwähnung.

Schoellers Zusammenfassungen der Romane und wichtigsten Erzählungen Döblins sind nicht immer "Türöffner" für den potentiell interessierten Leser. Es ist natürlich klar, dass es nicht mit bloßen Inhaltsangaben getan sein kann - zumal dies aufgrund der Stofffülle, die Döblin in seinen Büchern verarbeitet und seines Schreibduktus schwierig ist. So verknüpfte Döblin gerne historische Entwicklungen, die er akribisch recherchierte mit fiktionalen Elementen und schuf so seine "Tatsachenphantasien". Schoellers zum Teil beherzte Interpretationen sind häufig fast nur für Kenner des jeweiligen Textes nachvollziehbar. Von Döblins vielfältigen Schreibstilen, die sein Werk durchziehen, ist wenig die Rede. Er wird zu sehr reduziert als Vertreter eines schreienden Expressionismus, der er zu Anfang durchaus war. Hinzu kommt, dass Schoellers Umgang mit den angeblich kaum existierenden autobiographischen Einschüben in Döblins fiktionalem Werk ambivalent ist. Er hat das meiste im Dunkeln gelassen, schreibt Schoeller generalisierend. Um dann nach Gusto aus einzelnen Bildern oder Metaphern doch einen autobiographischen Gehalt zu extrahieren. Christina Althen bringt Schoellers Dilemma auf den Punkt, in dem sie konstatiert, einerseits vermisse der Biograph "unverschlüsselte Selbstäußerungen des Dichters, andererseits bezweifelt er die Glaubwürdigkeit vorhandener Bekenntnisse". Am Ende, wenn es an das Spätwerk Alfred Döblins geht, übernimmt Schoeller sehr wohl die sich anbietenden autobiographischen Elemente.

Flucht und Exil

Fesselnder und intensiver gelingen die Schilderungen der durch die Machtübernahme der Nazis erzwungenen, dramatischen Veränderungen im Leben der Familie Döblin (und der Freunde). Die Flucht im März 1933 zunächst in die Schweiz mit dem Gedanken, in wenigen Monaten sei der Hitler-Spuk vorbei. Einfühlsam wird der schärfere Realitätssinn der unerbittlichen Schwarzseherin Erna Döblin im Vergleich zur etwas kindlichen Unberührbarkeit von Alfred erzählt. Dann die Übersiedlung im September 1933 nach Paris. Die Familie steht finanziell fast vor dem Nichts; Döblin kann als Arzt nicht praktizieren, die finanziellen Mittel in Deutschland sind requiriert. Peter war der erste, der sich selbständig machte. Er zog kurz nach England, kam dann wieder zurück und emigrierte 1935 in die USA. Wolfgang studierte Mathematik an der Sorbonne, Klaus und Stefan gingen zur Schule.    

Döblin tat sich schwer und entwickelte zunächst kein tieferes Verhältnis zu Frankreich. Nach einiger Zeit fand er jedoch Gefallen an Paris, wenngleich er Zeit seines Lebens eng mit Berlin verbunden blieb. 1936 wurden das Ehepaar Döblin und die Kinder Wolfgang, Klaus und Stefan französische Staatsbürger. Viele Freunde hatten sich in der ganzen Welt zerstreut, nur wenige neue kamen hinzu (so beispielsweise Robert Minder) aber er führte umfangreiche briefliche Korrespondenz und reiste auch, so lange dies noch möglich war. Er las Kierkegaard, der ihn nachhaltig erschütterte, wie Schoeller schreibt. Die gegenseitigen Polemiken in den links-sozialistischen Kreisen dauerten an; Döblins Position blieb antikommunistisch und antimarxistisch, wenn er auch, wie der Biograph anmerkt, kein analytischer politischer Denker war, sondern eher einer der frühen Konzeptualisten, die eine fortschrittliche Welt hinter der ökonomischen Kapitalismuskritik anpeilten. Sechs große Romane erschienen im Amsterdamer Querido-Verlag; die Resonanz blieb dünn. 1939 die Schockstarre nicht nur bei den kommunistisch inspirierten Intellektuellen bei Bekanntgabe des Hitler-Stalin-Paktes. Hier gelingen Schoeller sehr lebendige Momentaufnahmen. 

Beeindruckend auch die Ausführungen zur Flucht Döblins und der Familie 1940, zunächst quer durch Frankreich vor den heranrückenden Hitler-Truppen und dann über Spanien und Portugal per Schiff in die USA. Es sind die dramatischsten Momente der Familie Döblin. Während Peter seit fünf Jahren in den USA arbeitete, dienten Wolfgang und Klaus in der französischen Armee. Wolfgang/Vincent, der sein Mathematikstudium gerade abgeschlossen hatte, kommt mit seiner Kompanie in der Nähe des Dorfes Housseras in eine scheinbar ausweglose Lage. Man droht, von den Hitler-Truppen ergriffen zu werden. In dieser Situation wählt er den Freitod. Die Döblins werden erst 1945 sichere Gewissheit über das genaue Schicksal Wolfgangs bekommen. Fünf Jahre lang gilt er offiziell als vermisst. Schoeller widmet sich diesem so schmerzhaften Schicksalsschlag ausführlich. Alfred Döblin machte sich große Vorwürfe, da er Wolfgang aufgrund seiner naturwissenschaftlichen Ader nicht ernst nahm. Schoeller deutet an, Döblin sei bei seiner Geburt enttäuscht gewesen und hätte lieber ein Mädchen gewollt. Spiegelbildlich war das Verhältnis Ernas zu Wolfgang; er war ihr Lieblingskind. Im Jahr 2000 entdeckte man in Paris eine Untersuchung des jungen Mathematikers Wolfgang Döblin, der eine bahnbrechende Entdeckung auf dem Gebiet der Wahrscheinlichkeitsrechnung gemacht hatte.

Epiphanie auf der Schicksalsreise

Zur gleichen Zeit des Freitods von Wolfgang Döblin irrte die Familie getrennt durch Frankreich. Erna Döblin war mit Stefan bereits aus Paris geflüchtet als Alfred zwei Wochen später ebenfalls die Stadt verließ. Wieder gelingt es Schoeller, die Wirren dieser Odyssee unter Hinzuziehung des 1949 veröffentlichten Buches "Schicksalsreise. Bericht und Bekenntnis" eindringlich und mit großer Dichte zu erzählen. Dabei geht es nicht nur um die faktischen Schilderungen, wie sich Alfred, Erna und Stefan wiedergefunden hatten und die bürokratischen Eskapaden, die es zu überwinden galt um die Reise in die USA endlich möglich zu machen. Es geht vor allem um das Seelenleben Döblins welches in einem prägenden Erlebnis sein weiteres Leben verändern wird. Alfred Döblin hatte auf der Flucht in der Kathedrale von Mende beim Anblick des Christus-Kreuzes eine sensorische Empfindung, eine Art Epiphanie. Dies wird 1941 in den USA zur Konversion zum Katholizismus führen, wobei Döblin allerhöchsten Wert darauf legte, dass es als Hinwendung zum Christentum jenseits ökumenischer Grenzen begriffen wird. Auch Erna Döblin, die Protestantin war, und Stefan konvertierten; Peter etwas später ebenfalls.

Döblins Verhältnis zu Religionen war bis dahin eher sprunghaft. Er sympathisierte mit Hinduismus und Taoismus und wandte sich kurzzeitig einmal dem Judentum zu. Mit der Konversion zum Christentum hatte er seine metaphysische Obdachlosigkeit beendet. Aber Döblin bestand darauf, seine Konversion zunächst in der Öffentlichkeit geheim zu halten. Enge Freunde, die er einweihte, wie die Familie Rosin in den USA, die Döblin immer wieder finanziell unterstützten, waren konsterniert. Erste Andeutungen bei seiner Geburtstagsfeier 1943 lösten Irritationen aus. Die Reaktionen, die ihm dann später entgegen schallten, sollten ihm recht geben. Schoeller berichtet hierüber jedoch auch nicht ganz ohne Degout.

Und noch ein Ereignis wird die Familie in den nächsten Jahren grundlegend bestimmen. Inmitten der Verwirrungen und bürokratischen Probleme gelang es Klaus (Claude) nicht, den Abreiseort Marseille rechtzeitig zu erreichen. Die Geschichte liest sich bei Schoeller wie ein Krimi. Das Ausreisevisum aus Frankreich für die Familie war nur wenige Tage gültig. Es gelang Döblin trotz intensiver Bemühungen nicht, finanzielle Mittel auch für die Ausreise von Klaus zu bekommen. Lapidar heißt es bei Schoeller, Klaus hätte es nicht mehr rechtzeitig geschafft. Im März 1941 –übernimmt Döblin von den Staaten aus einen zweiten Anlauf. Diesmal scheinen alle bürokratischen Probleme überwunden. Klaus/Claude könnte aus Frankreich ausreisen. Was fehlte, war das Geld für die Passage. Schoeller berichtet, wie sich Döblin verzweifelt bemühte, Mittel zu besorgen - vergeblich. Ende 1941 riss die Verbindung zum Sohn in Europa ab. Klaus blieb lange im unbesetzten Teil Frankreichs, war im Widerstand und war daran beteiligt, jüdische Kinder in die Schweiz zu schleusen. Wie durch ein Wunder wurde er nicht von der SS geschnappt. Im April 1944 floh er selbst in die Schweiz, lebte dort in Flüchtlingslagern.  Obwohl Schoeller Claudes Verbitterung anspricht und vom Groll auf Stefan spricht, der bei den Eltern leben konnte, wird der Biograph dem wahren Ausmaß der Erschütterung nicht gerecht. Die Entscheidung, 1940 nicht auf Klaus zu warten und die Reise in die USA ohne ihn anzutreten, hatte folgenschwerere Auswirkungen auf die Balance innerhalb der Familie Döblin, als Schoeller ahnt. Im Gegensatz zum Biographen habe ich Stephan/Stefan Döblin kontaktiert, der einiges hierzu berichten kann. Hiervon wird später die Rede sein.

Im September 1940 trafen Alfred, Erna und Stefan Döblin in den USA ein. Peter, der seit 1935 in den Staaten lebte und arbeitete, hatte die notwendigen Vorbereitungen arrangiert. Döblin wurde einer von fünf deutschen Schriftstellern, die von MGM in Hollywood für ein Jahr befristet als Skriptschreiber angestellt wurden. Er beherrschte weder die Sprache, noch kam er mit dem Stil, der in der Filmmetropole gepflegt wurde, klar. Döblin haderte mit dem Job, der ihm nicht gefiel, den er aber benötigte, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Instruktiv beschreibt Schoeller Döblins Verlorenheit im amerikanischen Exil. Mit den in ihren Villen residierenden Größen wie Lion Feuchtwanger und Thomas Mann kam er nicht zurecht. Seine Manuskripte stießen auf Ablehnung – deutsch, zu voluminös, zu kompliziert. Die ökonomischen Schwierigkeiten wurden nach Verlust der Hollywood-Tätigkeit im Oktober 1941 immer drängender; Döblin bekam staatliche Unterstützungen und gelegentlich Zuwendungen von Freunden. Er sah sich zum "Almosenempfänger" degradiert; sein Selbstwertgefühl war angeknackst. Dem Schriftsteller Alfred Döblin wurde eine gähnende Gleichgültigkeit entgegengebracht.

Immer wieder Thomas Mann

In den USA hatte Döblin durchaus regelmäßig Kontakt zu Thomas Mann. Das Verhältnis Döblins zu Thomas Mann ist ein immer wieder aufgenommener roter Faden dieser Biographie. Dabei führt Schoellers Fixierung manchmal zu gewagten Vergleichen, etwa wenn er die Schulzeugnisse der Brüder mit denen von Döblin vergleicht und ziemlich nichtssagend eine übersteinstimmende Mittelmäßigkeit konstatiert. Die Palette der Zuordnungen, mit denen der Biograph die Beziehung zu Thomas versieht, reicht von Neid über den Widersacher (hier wird der Verkaufserfolg der "Buddenbrooks" durch den Nobelpreis herangezogen, der das gerade aufkommende Interesse an Döblins fast zeitgleich erschienenen "Berlin Alexanderplatz" überlagerte; abermals habe Thomas Mann über Döblin dominiert), später dann Feindschaft bis zum martialischen Erzfeind. Dabei weist Schoeller zu wenig darauf hin, dass die literarischen Stile zwischen Thomas Mann und Alfred Döblin viel zu unterschiedlich waren, um sie gegeneinander aufzurechnen zu wollen. Interessant ist, dass der Biograph mal eine eher devote Position einnimmt (in dem er Döblin ebenso viel- wie nichtssagend als Titan ohne Hinterhand bezeichnet) und ihn dann als ebenbürtiger Gegenpart bzw. Kollegen betrachtet. Der Umgang mit Heinrich Mann ist nicht zuletzt aufgrund der politischen Gemeinsamkeiten zwischen ihm und Döblin entspannter. In den USA wird das Verhältnis zu Thomas immer mehr durch die wirtschaftlichen Unterschiede der beiden bestimmt (Mann unterstützt Döblin gelegentlich, ist aber ungehalten, wenn dies nicht in seinem Sinn gewürdigt wird und attestiert dann im Tagebuch schroff ein "undankbares Benehmen").

Am Ende zitiert Schoeller dann aus Döblins schauerlichem Nachruf auf Thomas Mann von 1955. Döblin bezeichnete Mann hier als einen Vertreter des mittleren und höheren Bürgertums, "das über eine mäßige Bildung verfügte". Dieses Ressentiment Döblins resultierte wohl auf die allzu bereitwillige Kooperation großer Teile des Bürgertums mit den Nationalsozialisten. Aber nicht nur das Publikum wurde beschimpft. Manns Literatur habe "die Bügelfalte zum Kunstprinzip" erhoben. Döblin gefällt das Bild so gut, dass er von "Bügelfaltenprosa" sprach, die darauf bedacht war, "daß sein Frack keinen Staubfleck zeigte". Von "den realen Menschen hatte er wenig Kenntnis" diktierte der ehemalige Kassenarzt Döblin, der in den 1920er Jahren bis zu 2.000 Hausbesuche im Jahr vorgenommen hatte und dabei vornehmlich mit ärmeren Leuten in Kontakt kam. Schoeller kommentiert diese Äußerungen ziemlich verächtlich: Ein Hass irrlichtert in diesen Schmähungen, der selbst wie eine Krankheit erscheint. Er insinuiert damit eine psychische Erkrankung, was jedoch vollkommen abwegig ist; der Biograph zitiert selbst mehrere Quellen, die Döblins Geisteszustand bis zum Schluss als vollkommen intakt bezeichnen. Schoeller übersieht nicht nur die immer wieder aufblitzende polemische Ader Döblins. Er übersieht auch, dass Döblin fest glaubte, diese Zeilen würden niemals veröffentlicht werden. Seiner Einschätzung nach war er ein vergessener Autor; nicht einmal seine Bücher wollte man auflegen. Im Gegensatz zu Thomas Mann, der sehr wohl davon ausging, dass seine Tagebucheintragungen nach einer bestimmten Karenzzeit veröffentlicht werden, musste Döblin annehmen, vergessen zu werden.

Rééducation

Stefan hatte sich entschieden, der "Freien Französischen Armee" beizutreten, absolvierte im März 1945 seine militärische Grundausbildung in einer entsprechenden Militäranstalt in den USA und landete im April auf einem Truppentransporter nach Europa. Er wurde im September 1945 demobilisiert, blieb jedoch zunächst als Übersetzer für das Militär tätig. Er blieb in Frankreich, wurde ein angesehener Geschäftsmann und kümmert sich seit Jahrzehnten erfolgreich um die Übersetzung und Publikation von Alfred Döblins Werk in Frankreich.   

Mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands und dem Ende des Krieges wurde die Lage für die Eheleute Döblin in den USA noch prekärer. Die Unterstützung, die Kriegsflüchtlingen gewährt wurde, erlosch sofort. Die finanzielle Basis war entzogen. Man musste zurück nach Europa. Nur: wohin? Schoeller schreibt, Alfred Döblin habe sich gegen den Widerstand seiner Frau durchsetzen können, nach Deutschland zu gehen. Erna Döblin gab nach, aber sie blieb für den Rest ihres Lebens voller anti-deutscher Ressentiments, die bis zum Hass mutierten. Sie sah in jedem Deutschen einen Nazi. Sechs Mitglieder aus Alfreds und Ernas Familien wurden von den Nazis ermordet. Das Schicksal Wolfgangs klärte sich im März 1945 teilweise auf; erst später berichtete man den Döblins von Wolfgangs Freitod, anfangs meinte die Familie, er sei im Kampf getötet worden. In den 50er Jahren, als das Ehepaar Döblin wieder in Frankreich wohnte, durfte nur französisch gesprochen werden.

Alfred Döblin betrat 1945 an einem hochsymbolischen Datum, dem 9. November, deutschen Boden in Baden-Baden. Er war nicht mehr der, der wegging, aber wollte helfen. So früh wie er kehrte kein Emigrant zurück. Döblin war Kulturoffizier in der französischen Armee geworden. Er wollte Land und Leute "umerziehen", warb mit flammenden Appellen um die Rückkehr auch anderer Emigranten (mit geringem Erfolg). Ein Teil seiner Tätigkeit bestand in einer Art Vorzensur. Erna blieb zunächst in Frankreich; sie sollte Deutschland wenn irgendwie möglich immer meiden. Döblin trat anfangs nicht nur dienstlich, sondern auch privat in französischer Uniform auf. Dies verstörte viele ehemalige Weggefährten. Schoeller schildert in ziemlicher Klarheit diese aus heutiger Sicht merkwürdigen Ressentiments gegen den "Besatzungssoldaten" Döblin. Er wurde hauptsächlich als "Zensor" wahrgenommen (obwohl er, wie Schoeller schreibt, nur in einem Fall die Veröffentlichung eines Buches abwehrte - und das war eines seiner eigenen Bücher, das Geschichtsepos "Wallenstein") und kam in den Geruch des moralischen Pädagogen. Dabei wollte Döblin seine Loyalität gegenüber dem Land Ausdruck verleihen, dass ihn 1933 aufgenommen und eingebürgert hatte. Der französische Pass ermöglichte erst die Ausreise 1940 in die USA und rettete ihm, seiner Frau und Stefan das Leben.

Döblin war bereits 67 Jahre alt, aber er war beseelt von der Möglichkeit der "Rééducation" der Deutschen und glaubte, mit einer moralischen Erneuerung könnten "feste Sicherungen, unantastbare Werte geschaffen werden." Der Nationalsozialismus war, so die Einschätzung des Biographen über Döblins Denken Mitte der 40er Jahre, den Deutschen von außen zugefügt worden und wucherte dann in der Bevölkerung wie ein Myom. Döblin wollte Politik und Religion miteinander verknüpfen: Eine moralisch verpflichtende Metaphysik konnte sich nach seiner Vorstellung als politischer Garant erweisen, und er visierte eine Demokratie mit "religiösem Fundament" an. Religion verstand Döblin nicht als Dogma. Sie sollte vernunftkritisch eingesetzt werden. Er wollte Brücken bauen zwischen Marxismus und Christentum unter dem Dach der Aufklärung. Es wäre interessant gewesen, wenn Schoeller den Vergleich mit Döblins sozial-religiöser Kommunitarismus-Utopie und dem Ahlener Programm der CDU von 1947 angestellt hätte.

Döblin musste mit Problemen kämpfen: Papierzuteilung, die Bürokratie innerhalb der Zonen, die Skepsis derjenigen, die er moralisch erneuern wollte. Im Oktober 1946 gründete er die Zeitschrift "Das goldene Tor". Es gab erste Buchveröffentlichungen aus seinen im Exil verfassten Romanen. Und er beendete die Niederschrift seines "Hamlet"-Romans. Immer noch war er sehr produktiv. Aber früh stellten sich Hindernisse ein. Döblin bekam zunehmend gesundheitliche Probleme. Er pokerte mit den sich neu etablierenden Verlegern - und verzettelte sich. Nach der Währungsreform 1948 stockte der Buchverkauf. Peter Suhrkamp, während der Nazi-Zeit Statthalter des Fischer-Verlags und 1944/45 im Konzentrationslager interniert, hatte sich nun selbständig gemacht und Döblin einen sehr freundlichen Brief geschrieben, um sein Gesamtwerk zu verlegen. Dieser schlug das Angebot jedoch aus. Er unterschätzte Suhrkamp - ein fataler Irrtum. Die Rezeptionsgeschichte des Werkes von Alfred Döblin hätte einen anderen Verlauf genommen, wenn er sich auf Suhrkamp eingelassen hätte.

Die neue deutsche Literatur der Gruppe 47 kam bei Döblin nicht an; auch in seiner Zeitschrift gab es kaum Texte von diesen Schriftstellern. Deren Protagonisten  konnten allerdings mit ihm ebenfalls wenig anfangen und hegten sogar Vorbehalte gegenüber dem Besatzungssoldaten. Ausgerechnet Figuren wie Alfred Andersch, die in der Nazi-Wehrmacht gedient hatten, maßten sich ein Urteil über den Emigranten an. Döblin passte weder ästhetisch noch politisch in das Kahlschlagprogramm der sich etablierenden Literatur-Schickeria. Die Distanz, die sich zuweilen in unverhohlene Abneigung steigerte, wurde durch seine Konversion zum Christentum, die inzwischen manifest von ihm vertreten wurde, noch befördert. Interessant ist, dass viele von denjenigen, die damals Döblin überhaupt keine Beachtung schenkten, ihn Jahrzehnte später dann in den höchsten Tönen lobten. Diese Chamäleonhaftigkeit des Feuilletons ist allerdings nicht besonders neu.

Döblin empfand die Restauration der Adenauer-Zeit in den 1950er Jahren fast physisch als bedrohlich. Alte Nazis kamen in politische Positionen, wurden Richter oder hohe Verwaltungsbeamte. Autoren wie Ernst Jünger (für ihn der Inbegriff eines "Unmenschen") oder Gottfried Benn wurden kanonisiert, während sein "Hamlet"-Manuskript nur auf Ablehnung stieß. Er kam sich "überlebt" vor. Er hatte nur wenige Freunde, unter ihnen den jungen Arno Schmidt. Beide schätzten sich wechselseitig. Zwei Außenseiter, ihrer Zeit voraus. 1952 erlitt Döblin einen Herzinfarkt. Erna Döblin drängte nun auf eine Rückkehr nach Paris. Tatsächlich hielt den Schriftsteller nichts mehr in Deutschland – auch als die finanzielle Lage etwas besser wurde und Döblins Werke wieder neu verlegt wurden. Er unterrichtete den befreundeten Bundespräsident Theodor Heuß, den er aus den 1920er Jahren kannte, von seinem Entschluss, nach Frankreich zurückzuziehen. Döblin fühlte sich, wie Schoeller ein bisschen melodramatisch anmerkt, endgültig heimatlos geworden. Heuss' Versuch, ihn zum Bleiben zu überreden, blieb erfolglos.

Schoeller beschreibt Döblins Desillusionierungsprozess nicht ohne Mitleid.  Gesundheitliche Gründe ließen ihn dann ab Mitte der 1950er Jahre zwangsweise nach Deutschland zurückkehren. 1956 erschien endlich sein Buch "Hamlet oder Die lange Nacht nimmt ein Ende" – in Ostdeutschland. Döblin stand dieser Form der Subventionierung zunächst skeptisch gegenüber, aber er wollte dieses Buch, dessen Manuskript seit vielen Jahren kursierte, noch veröffentlicht sehen. Döblin starb am 26. Juni 1957. Seine Frau Erna tötete sich im September 1957. Nachsterben überschreibt Schoeller dieses Kapitel. Ihr Überleben war ihr, so suggeriert Schoeller, zur unerträglichen Last geworden. Alfred, Erna und Wolfgang sind auf dem Dorffriedhof von Housseras begraben, dem Ort, an dem Wolfgang 1940 Hand an sich legte. Damit endet diese Biographie.

Gelegentlicher Schmock-Alarm

Zuweilen macht man mit einer unangenehmen wie überflüssigen verschmockten sprachlichen Verblasenheit des Autors Bekanntschaft. Da ist von einem kosmogonische[n] Radius des Werkes die Rede. Oder Döblin poussiert den Antikanon der Unwichtigkeiten mit einem Text. Jemand hat kurrente Schwierigkeiten. Ein Roman spielt mit Opressionen der Macht, zeigt eine kinetische Phantasie oder ist panegyrisch. Stimmen kollationieren, etwas ist ein wenig rouéhaft bzw. jemand verhält sich wie ein erotischer Roué. Personen sind in effigie anwesend. Döblin lästert nicht gegen Hauptmann, sondern setzt ein verstecktes Pasquill gegen ihn. Oder es gibt ein polemisches Ostinato. Da erscheinen deviante Figuren in der proteischen Welt eines Romans. Döblins Polen-Reise hatte apere Stellen erbracht. Wieder ein Grund, eine Suchmaschine anzuwerfen. Döblin hatte nicht einfach nur große Probleme mit dem Verkauf seiner Bücher in den 1940er Jahren. Nein, es ist eine perennierende Geschichte des Misslingens, dabei vermeidet er doch in seinen Büchern das ideologische Prokustesbett des reaktionären, christlichen Abendlandes. Irgendwann liest man dann über Oktroi, Causerie und dilatorisch einfach hinweg.

Es wäre ungerecht, diese Stellen als repräsentativ zu nehmen. Sie trüben nicht das Vergnügen und den Respekt vor der Leistung, dieses äußerst produktive Leben zu erzählen. Schoeller wählt ein Verfahren, dass das Lesen überaus flüssig gestaltet: Alle Zitate Alfred Döblins – seien sie aus fiktiven Werken oder in privater Korrespondenz entstanden – werden ausnahmslos und exklusiv kursiv gedruckt. Desweiteren gibt es keine nummerierten Anmerkungen, die den Lesefluss hemmen könnten; der Anmerkungsapparat am Ende des Buches ist nach der Seitenzahl geordnet. All dies wären ideale Voraussetzungen für eine erste umfassende und detailgenaue Biographie dieses großen Schriftstellers.

Einwände und Makel

Aber es ist leider anders, wie beispielsweise Christina Althen feststellt. Sie findet zahlreiche Schwachpunkte, von denen einige der wahren Kennerin ins Auge fallen, den geneigten Leser jedoch nicht unbedingt stören. Hart geht sie mit Schoellers Behandlung der Konversion und Hinwendung Döblins zum Christentum ins Gericht. Insbesondere die Fama, Döblin habe in den letzten Jahren seines Lebens vermehrt Glaubenszweifel gehabt, bestreitet sie vehement. Wie noch gezeigt wird, entspricht Althens Einwand der Einschätzung von Stephan Döblin.

Auch auf das schwerwiegendste Ärgernis weist Althen hin. Schoeller hat es unterlassen, den in Frankreich lebenden Sohn Stephan Döblin (Stefan bzw. Etienne) zu kontaktieren, geschweige denn zu befragen. In dieser Kenntnis wirkt die Danksagung an Stephan fast ein wenig sarkastisch. Schoeller bedankt sich für seine in der Öffentlichkeit öfter bekundete Bereitschaft, der Forschung keine Grenzen zu stecken. In einer Anmerkung zitiert Schoeller auf Seite 843 aus einem Interview des Sohnes mit der "Neuen Rundschau" 2009 eine Passage, in der Döblin sein Einverständnis zur Veröffentlichung (fast) der gesamten Korrespondenz des Vaters gab. Aber warum unterblieb dann die Kontaktaufnahme? Einen Vorfall, den Stephan mit vornehmer Zurückhaltung als "bedauerlich" bezeichnet. Die Antwort kennt nur Wilfried F. Schoeller.

Welche Folgen dieses Ignorieren hat, wird in einem Brief Stephan Döblins an Schoeller deutlich. Schoeller berichtet in der Biographie von der Familienzusammenkunft – Alfred und Erna Döblin, Klaus (Claude) und Stefan (Stephan) mit ihren Frauen im August 1948 in Nizza. Gefeiert werden sollte, so Schoeller, die Taufe von Klaus' Sohn und Alfred Döblins 70. Geburtstag. Stephan Döblin korrigiert nicht nur einige Irrtümer in Schoellers Darstellung, sondern berichtet von einem sehr wichtigen Vorfall, der nicht in der Biographie steht:

"Es ist allerdings sehr wichtig zu verstehen, was sich im August 1948 wirklich ereignete und das dies sehr große Auswirkungen auf meine Eltern hatte. Es zeigt auf eindringliche Weise das Verhältnis zu Claude (Klaus) und ist einer der Gründe für die dramatischen Wochen, die zum Freitod meiner Mutter am 15. September 1957 führte.

 

[…] Meine Mutter und ich kamen überein, dass meine Eltern, Nathalie (mit einem h) und ich einige Tage Urlaub in Nizza verbringen sollten (wo Nathalie im Juni 1923 geboren worden war und ihre Mutter seinerzeit lebte) und zur gleichen Zeit den 70. Geburtstag meines Vaters und die katholische Taufe meines Sohnes Francis am 10. August feiern sollten. Meine Eltern hatten den sehnlichsten Wunsch, dieses Doppelfest, das erste Zusammenkommen seit 1940, eine Familienversöhnung mit Claude und seiner Frau werden zu lassen. (Bitte berücksichtigen Sie, dass im Gegensatz zu dem, was auf Seite 711 steht, Claude kinderlos geblieben ist.)

 

Claude und seine Frau nahmen weder an der Taufe teil noch kamen sie zum Geburtstagsessen für Vater. Dies war verständlicherweise ein Schock für meine Eltern und verletzte sie tief. Um der den Familienfrieden wieder herzustellen, ging Vater alleine zu Claudes Wohnung, mit einem Blumenstrauß. Lilou öffnete die Tür, verweigerte ihm aber den Einlass mit dem Hinweis, Claude sei erkrankt, und dies obwohl Vater bemerkte, dass er ihm vielleicht helfen könnte, denn er sei ja Arzt. Wir warteten auf Vater und er kam vollkommen "zerstört" zurück und war fassungslos ob dieses Verhaltens. Vermutlich war der Grund darin zu suchen, dass Claude und seine Frau nicht vergeben konnten, dass die Eltern im Juli 1940 nicht ein paar Tage mit ihrer Flucht nach Spanien, Portugal und in die USA gewartet hatten oder später nicht die notwendigen Schritte eingeleitet hatten, ihn aus Frankreich heraus in die USA zu bringen."

Abgesehen davon, wie sich hier en passant der friedliebende Charakter des Vaters zeigt, der als der eigentlich "Geschädigte" den Familienfrieden wieder herstellen will, dokumentiert diese Szene, wie tief das Trauma von 1940 in Claude gewütet hatte. Stephan Döblin illustriert dies eindrucksvoll:

"Nach meiner Rückkehr als französischer Soldat nach Frankreich besuchte ich an einem dienstfreien Wochenende im April 1945 Claude in Nizza. Es war das erste Mal, dass ich ihn seit 1940 sah (und nicht erst 1948, wie es auf Seite 711 steht). Er war sehr freundlich und stellte mir seine Verlobte vor. (Ich besuchte ihre Hochzeit einige Monate später.) Seine Freundlichkeit täuschte nicht darüber hinweg, dass er über die Ereignisse von 1940 stark verärgert war, was sich bis zu der Aussage verstieg, dies sei ein Verhalten gewesen, was er niemals verzeihen könne. Er ging sogar so weit zu behaupten, Mutter würde, falls erforderlich, das gleiche mit mir auch getan haben. (Ich muss bemerken, dass mich diese Bemerkung tief berührte, weil es mich an zwei Gelegenheiten im Juni und Juli 1940 erinnerte, als Mutter tatsächlich plante, ihre Flucht ohne mich fortzusetzen, dies jedoch in Ansicht meiner Tränen nicht wagte.) Die Verbindung zwischen Claude, seiner Frau und Mutter war danach nie mehr normal und dies trug sicherlich dazu bei, dass es nach Vaters Tod zum totalen Bruch kam. Dies forcierte Mutters Verzweiflung."

Eine Verzweiflung, die dann, kumuliert durch andere Ereignisse, Erna Döblin wenige Monate nach dem Tod ihres Mannes 1957 in den Freitod trieb.

Christentum als "Paravent"?

Schoeller selbst begleitet Döblins Hinwendung zum Christentum zuweilen mit einem leicht despektierlichen Unterton. So schreibt er die festen Haltepunkte in Döblins Glaubensgebilde seien das Vertrauen auf eine transzendierende Kraft. Auf Christus als den Erlöser, als Gottessohn und leidenden Menschen und kommentiert dies mit: Er zog Streben in Räumen jenseits der kruden Realität. Aber was ist eine Hinwendung zum Religiösen anderes? Immer wieder spekuliert er über die Ernsthaftigkeit dieser Konversion. So zitiert er aus der "Schicksalsreise", man habe Stefan (Stephan) nicht "ohne Weg und Halt" lassen wollen und folgert daraus: Die Pädagogik als Hilfsargument für seine Konversion? Ganz und gar sicher scheint er sich nicht gewesen zu sein, wenn er zu solcher Stütze greifen musste.

Insbesondere in den letzten Jahren seines Lebens sollen Döblin Glaubenszweifel geplagt haben, so Schoeller. Mit seiner Darstellung von Döblins Christentum bringt er nicht nur Christina Althen auf ("unter Niveau"), sondern auch seinen Sohn Stephan:

"Ein anderer Punkt, der mich betroffen macht, ist Ihre "Theorie" über die nachlassende Glaubenskraft meines Vaters. Es ist richtig und das habe ich auch mehrfach öffentlich gesagt, dass Vater in kontinuierlicher Gottsuche war und die "Straßen", die zu Ihm führten, suchte. Es ist sicher, dass er in den letzten Jahren seines Lebens "Zweifel" hatte. Aber wer hat in seinem Leben nie Zweifel bekommen. Auch Heilige haben gezweifelt. Was er nach seiner Rückkehr nach Deutschland und besonders während der Zeit seiner Krankheit vermisste, waren die regelmäßigen Diskussionen und Gespräche, die er in Los Angeles und Paris mit Jesuiten führte und die seine Gedanken befruchteten. Ich kann versichern, dass ihm Gott immer sehr präsent war, wenn ich ihn in dunklen Momenten in den Kliniken im Schwarzwald besuchte. Nur um ein Beispiel zu geben: er fragte mich immer nach meinen Kindern, ob sie die Messe regelmäßig besuchten und ob mein ältester Sohn, Francis, bei katholischen Pfadfindern mitmachte."

Stephan Döblin, der betont, aufgrund seiner eingeschränkten Deutschkenntnisse zunächst nur die Stellen gelesen zu haben, die ihn betreffen, findet noch andere, kleinere Fehler. So schreibt Schoeller beispielsweise den Namen von Stephans Frau dauerhaft falsch (Natalie statt Nathalie) und macht sie sogar einmal zur Frau von Claude. Oder aus Anthony W. Riley wird Arthur W. Riley.

Die großen Stärken dieser Biographie liegen im intensiven und dichten Erzählen der Wirrnisse, die in diesem Leben angelegt sind und denen Döblin schutzlos ausgeliefert war. Hier wird der Leser gepackt und ergriffen. Es ist daher umso bedauerlicher und einigermaßen rätselhaft, wie fahrlässig die Chance verspielt wurde, eine unter den heutigen Umständen möglichst wahrhaftige Rekonstruktion von Alfred Döblins Leben zu verfassen. Diese Biographie dürfte trotz aller Hochachtung vor der immensen Leistung nur eine Zwischenstation in der Döblin-Forschung bleiben. Lothar Struck

Anmerkungen:
Die kursiv gesetzten Passagen sind Zitate aus dem besprochenen Buch von Wilfried F. Schoeller. Werden Zitate von Alfred Döblin aus dem Buch zitiert, sind sie zusätzlich in Anführungszeichen gesetzt. Wenn von Christina Althens Besprechung des Buches die Rede ist, wird auf das mir vorliegende Manuskript ihrer Rezension in 'SR 2 KulturRadio' Bezug genommen (Sendung vom 26.11.2011; Text leider nicht online). Farblich hervorgehoben wurden die Zitate von Stephan Döblin, die er in einem Brief an Schoeller äußerte. Die Übersetzung aus dem Englischen ist von mir.

Ich danke Stephan Döblin für die Erlaubnis, seine Äußerungen publizieren zu dürfen.
 











Wilfried F. Schoeller
Alfred Döblin
Eine Biographie
Fester Einband, 912 Seiten
Mit zahlreichen Abbildungen
Hanser Verlag
Preis: 34.90 € (D) / 46.90 sFR (CH) / 35.90 € (A)
ISBN 978-3-446-23769-8

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Döblin-Magazin

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Siehe auch unseren Artikel:

Der Teufel blieb
Von Jan Süselbeck
Artikel lesen

Döblins monumentales »Erzählwerk« über die deutsche Revolution vom »November 1918« ist wieder aufgelegt worden - ein historischer Roman, der Maßstäbe für die Prosa eines ganzen Jahrhunderts setzte.

 


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