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Bücher & Themen Artikel online seit16.06.13 |
Traum
oder Wirklichkeit Von Georg Patzer
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Was für ein Tagesanfang: Mit den Worten, er sei ein „gänzlich misslungener Mensch“ verabschiedet ihn seine Frau: Jan Viktor Friberg hat es wirklich nicht leicht. Als junger Mann ist er mit einem Kolonialwarenladen pleite gegangen, jetzt, 1953, ist er als Vertreter in der schwedischen Provinz unterwegs, mit einem Haushaltsgerät, das niemand kaufen will, obwohl man damit doch so wunderbar alles kleinschneiden und sogar Wurst machen kann. Dummerweise baut Friberg das schwere Gerät, das er auf seinem blauen Fahrrad transportieren muss, manchmal falsch zusammen. Und wird dann prompt ausgelacht. So kommt er an einem Herbstabend zu einem Herrenhaus, um dort sein Gerät der Firma Electrolux aus Västeras anzubieten. Auf der kiesbestreuten Auffahrt hat er einen Unfall, gerät fast in den Graben, wird von einer Meute von Dackeln angefallen und rettet sich mit schmerzendem Arm in die Küche, wo die Trauerfeier für eine alte Frau vorbereitet wird, die aber noch lebendig ist. Nach einer Weile wird er in das Herrenzimmer gebeten. Beim Warten blättert er in zwei Gedichtbänden und sieht sich ein Fotoalbum an. Flüchtet sich in Phantasien, auch um den Schmerzen zu entkommen, schläft manchmal sogar ein und träumt. Der schwedische Romancier und Lyriker Lars Gustafsson hat mit seinem neuen Buch eine wunderbar leichte und leicht-sinnige Traumgeschichte komponiert, in der man unmerklich in den Bereich zwischen Wirklichkeit und Phantasie gleitet. Redet Friberg wirklich mit der Freiherrin und ihrem Bruder? Oder ist auch das nur geträumt wie die Menschen von den alten Fotografien, die plötzlich lebendig werden und ihre Geschichten erzählen, den Hund versorgen, den alten Seemann besuchen, zur Universität fahren wollen? Zeiten und Realitäten vermischen und verschieben sich, Friberg erscheint als Halbwüchsiger und fotografiert den Zusammenstoß zwischen einem Zug und einem Lastwagen, und plötzlich heißen alle Frauengestalten Irene. Zwischendurch wacht er immer wieder mal auf, aber die Geschichten werden nicht weniger unwirklich, die Unterhaltungen rutschen immer wieder ab in Abstrusitäten, bis sie direkt aus „Alice im Wunderland“ stammen könnten.
Gustafssons Roman hat
nicht nur einen doppelten Boden, er hat gar keinen. Ganz sanft wird der Leser
irritiert, durcheinandergewirbelt, bis er oben und unten, gestern und heute
nicht mehr auseinanderhalten kann. Es ist ein philosophischer, kafkaesker,
schwebener Spaß, ein sanftes Schütteln an der „Realität“ mit einer Warnung: Dass
man den Schlafenden nicht wecken soll, denn möglicherweise träumt er einen
gerade. |
Lars
Gustafsson |
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