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Glanz&Elend
Literatur und Zeitkritik


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Glanz&Elend
Die Zeitschrift kommt als
großformatiger Broschurband
in einer limitierten Auflage
von 1.000 Exemplaren
mit 176 Seiten, die es in sich haben.

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Bücher & Themen

»Was nicht als Spektakel daherkommt, wird nicht zu Kultur.«
 

Ob Komödie, Drama oder Geschichten des alltäglichen Lebens,
der peruanische Nobelpreisträger für Literatur Mario Vargas Llosa
ist ein Garant für anspruchsvolle Unterhaltungsliteratur vor
sozialkritisch historischem Hintergrund.

Von Herbert Debes
 

In einem Interview, das Mario Vargas Llosa im August letzten Jahres der spanischen Zeitung El Pais (übersetzt von Simon Lörsch) gegeben hat, antwortet er auf die Frage: Woran arbeiten Sie derzeit? »An einem kleineren Essay namens Die Zivilisation und das Spektakel. Es geht darum zu beschreiben, wie der zeitgenössische Kulturbetrieb das Spektakel favorisiert. Was nicht als Spektakel daherkommt, wird nicht zu Kultur.«
 
Im Oktober darauf wurde der Peruaner mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet und das mediale Spektakel nahm seinen Lauf.

 
Die Tatsache, daß während dieser Buchmesse ausgerechnet Argentinien das Gastland der weltweit größten Bücherschau war, hätte Pedro Camacho, den schrulligen bolivianischen Erfinder der ebenso skurrilen wie herzergreifenden Geschichten aus Llosas grandioser Romankomödie »Tante Julia und der Schreibkünstler«, sicher zu einer bissigen Bemerkung über die unverbesserlichen »Gauchos« animiert.

Die Liebesgeschichte der attraktiven wie kapriziösen und frisch geschiedenen Julia (32) und Ihres heißblütigen Neffen Mario (18) lebt von dem facettenreichen Konflikt zwischen den gesellschaftlichen Konventionen des konservativ katholischen, südamerikanischen Landes an der Schwelle zur Mediengesellschaft und dem libertären Sturm und Drang seiner Jugend. Llosa zeigt sich mit dem bereits 1977 erschienenen Roman als Liebhaber der komödiantischen Feder. Mittels der Figur des »Schreibkünstlers« Pedro Camacho demonstriert er großmeisterliches Schreibhandwerk, dessen Virtuosität und Leichtigkeit viele sich dafür haltende »Kunstschreiber« der »Generation Golf« zum Verstummen bringen müßte. Parallel zur Entwicklung der gefährlichen Liason der Liebenden entwickeln sich Camachos im Land überaus erfolgreiche Radio-Soaps zu einem chaotischen Durcheinander seiner ohnehin skurrilen Figuren. Diese beginnen völlig unvermittelt von einer hanebüchenden Geschichte zur nächsten zu wandern, stürzen die Zuhörer schließlich in eine unauflösbare Verwirrung und scheinen Camacho selbst schließlich in den Wahnsinn zu treiben.
Kurz: »Tante Julia und der Schreibkünstler« bietet, nun von Thomas Brovot neu in zeitgemäßes Deutsch übersetzt, ein uneingeschränktes Lesevergnügen mit poetischem Tiefgang.
 
»Die jungen Hunde« wollen spielen, frei sein, das Leben erfahren und genießen. Diese mitreißende Geschichte einer Jugend in Peru ist das Resultat eines gelungenen symbiotischen Zusammenwirkens von Mario Vargas Llosa und dem katalanischen Fotographen Xavier Miserachs. Die Originalausgabe ist bereits 1967 in der Serie »Palabra e Imagen« im Verlag Lumen, Barcelona, erschienen. Nun ist die Erzählung in der Neuübersetzung von Susanne Lange erstmals auf Deutsch zu haben. Das Komische und das Tragische liegen hier so eng beieinander, daß man nicht weiß, ob man nun lachen oder weinen soll, denn das ist harter, dem Leben abgeschauter dramatischer Stoff, den Vargas Llosa hier auf 96 Seiten verdichtet hat. Miserachs schwarz-weiß Fotographien, die auch für sich alleingenommen das Lebensgefühl der jungen Generation im Peru der späten 60er Jahre vermitteln, steigern durch ihre Dynamik das Tempo der ohnehin atemlos ihrem dramatischen Ende entgegen stürmenden und drängenden Geschichte.

»Der Traum des Kelten« schließlich belegt, daß die Gattung des historischen Romans noch nicht rettungslos verloren ist. Vargas Llosa erzählt das Leben und Sterben des Iren Roger Casement (1864-1916).
Casement, der als Konsul der Briten in Afrika (Kongo, Nigeria) und Südamerika (Brasilien, Peru) tätig war. Er wurde für seine Aufklärung der menschenverachtenden Verbrechen an der jeweils eingeborenen Bevölkerung durch die Kautschuk gewinnenden Firmen von der britischen Regierung in den Adelsstand erhoben. Im Laufe der Jahre wird sich Casement jedoch seiner irischen Identität bewußt und gelangt zu der Überzeugung, sich am Befreiungskampf Irlands von den Briten aktiv beteiligen zu müssen. Nach einer fehlgeschlagenen Kommandoaktion, der ein ebenso mißlungener Handel mit dem wilhelminischen Generalstab vorausgegangen war, wird der inzwischen auch gesundheitlich schwer gezeichnete Casement von den Briten festgenommen. In dem folgenden Prozess wird er als Spion und Hochverräter zum Tode verurteilt. Bezeichnenderweise wird ausgerechnet in der Zeit, als sein Gnadengesuch zur Entscheidung ansteht, durch geschickt lancierte Tagebuchaufzeichnungen aus seiner(?) Feder bekannt, daß Casement homosexuell ist. Am 3. August 1916 wird Casement in London gehängt.
Vargas Llosa rekonstruiert Casements Leben und Wirken mittels Rückblenden aus der Todeszelle heraus, was unterschiedliche Textebenen ermöglicht und eine Konzentration des Lesers auf die jeweiligen Lebensabschnitte zuläßt. Die Entwicklung von Casements Persönlichkeit vom jugendlichen Abenteurer, der auf den Spuren von Henry Morton Stanley durch Afrika wandeln wollte, hin zum glühenden Patrioten und Kämpfer für die Freiheit Irlands im politischen Spannungsfeld des europäischen Hochkolonialismus und Nationalismus liest sich ebenso spannend wie informativ. So erfährt der Leser zum Beispiel en passent, daß Casement einen jungen Mann, der auf dem Weg ist, seine Stelle als Kapitän eines Flußdampfers auf dem Kongo anzutreten, eindrücklich auf die Erfahrungen vorbereitet, die diesen im Landesinneren erwarten, und die wir heute als Joseph Conrads Aufzeichnungen aus dem
»Herz der Finsternis« lesen können.
Fazit: »Der Traum des Kelten« ist harter Tobak, was die Beschreibung der grauenhaften Verbrechen angeht, die Casement im Kongo und in Peru aufgedeckt und bewiesen hat. Literarische Geschichtsschreibung erster Güte, ein im besten Sinne zeitgemäßes Denkmal, das die äußeren wie inneren Kämpfe des irischen Patrioten Roger Casement lebendig hält.
 

Foto: Arild Vågen
Buchmesse Göteborg, September 2011

Mario Vargas Llosa
Alles Boulevard
Wer seine Kultur verliert, verliert sich selbst.
Übersetzt aus dem Spanischen von Thomas Brovot.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2013.
227 Seiten, 22,95 EUR
9783518423745


Mario Vargas Llosa
Die jungen Hunde - Erzählung
Neu übersetzt von Susanne Lange.
Mit Fotografien von Xavier Miserachs
Suhrkamp
Gebunden, 96 Seiten
ISBN: 978-3-518-42271-7

Zu der Fotogalerie

Leseprobe

Mario Vargas Llosa
Tante Julia und der Schreibkünstler
Roman
Neu übersetzt von Thomas Brovot
Suhrkamp
Gebunden, 447 Seiten
ISBN: 978-3-518-42255-7


Mario Vargas Llosa
Der Traum des Kelten
Roman
Suhrkamp
Aus dem Spanischen von Angelica Ammar
Gebunden, 447 Seiten
ISBN: 978-3-518-42270-0

Leseprobe
 


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