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Glanz&Elend Literatur und Zeitkritik |
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Ein
schwieriges Kind
Es ist kurz vor sieben, der sechsjährige Andreas, gerade aufgewacht, liegt wie
gelähmt im Bett. Voller Panik denkt er daran, was ihm bevorsteht. Seine Mutter
wird ihn gleich aus dem Bett treiben. Aber vielleicht, hofft er inständig, ist
»noch nicht alles völlig zerstört«. Er hofft auch, daß seine Angst vor der
Schule, den Kindern, die herumtoben, schreien, ihn hänseln und schlagen,
»vielleicht nur ein schlimmer Traum« war. Dabei hatte er doch in seinen ersten
Lebensjahren so etwas wie Glück erlebt. Zumindest den Reden seiner Eltern
zufolge war er »ein unkompliziertes Kind mit einem sonnigen Gemüt«. Urgroßmutter
Else kümmerte sich um ihn, nannte ihn liebevoll »mein Bubchen« und ließ ihn die
Enten im Kurpark von Bad Nauheim füttern. Denn seine Eltern hatten nur wenig
Zeit für ihre Kinder. Die Mutter leitete als Chefin den ererbten
Familienbetrieb, ein Steinmetz-Unternehmen. Der Vater war Abteilungsleiter bei
der Henninger Brauerei in Frankfurt. Andreas ist drei Jahre alt, als die Eltern
ein riesiges Haus bauen. Es hat diesem Roman den Titel gegeben. In der protzigen
Villa, einem Marmorpalast, fühlt sich der kleine Andreas völlig verloren, er
liebte die alte, enge, mit Möbeln voll gestellte Wohnung. Vom »Foyer«, wie er
die Diele nennt, führt eine breite Marmortreppe in den Keller. Dem Kind kommt es
»wie ein Schlund« vor, in den man hineingezogen wird. Die ältere boshafte,
deshalb auch gefürchtete Schwester liebt es, ihn dort einzusperren. Der kleine
Junge ist inzwischen zum »Problem-Andreas« geworden. Er weigert sich zu
sprechen, doch schon nach dem ersten Tag im Kindergarten droht er, »er würde
unter das nächste Auto laufen, (...) wenn sie mich noch einmal dorthin
brächten«. Die gemeinsamen Abendessen werden zu den »schlimmsten Stunden des
Tages«. Andreas leidet besonders unter den hysterischen Wutanfällen der zwei
Jahre älteren Schwester, »die plötzlich laut aufschrie oder zu heulen begann
oder ihr Käsebrot gegen die Wand warf«. »Hatte sie das Brot geworfen, schrie sie
noch lauter, denn nun hatte sie ja kein Brot mehr.« (Autobiographischen Gehalt
vorausgesetzt, möchte man die Schwester gerne bei der Lektüre dieses Buches
sehen: sie bekommt so richtig ihr Fett ab.) Selbst der drei Jahre ältere, an
sich nette und in sich gekehrte Bruder, wird von dem Mädchen terrorisiert.
Lustvoll zerstört sie zum Beispiel seine mit viel Geduld gebastelten
Modellflugzeuge. Die Eltern halten sich aus diesen Auseinandersetzungen hilflos
heraus und überlassen die Kinder sich selbst. Sie sind überfordert, schreien
nicht, schlagen nicht, machen nichts. Schlimmer noch, sie interessieren sich
nicht wirklich für ihre Kinder. |
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